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sprengen die Thür,« rief er, und stemmte sich mit seinem ganzen Gewicht dagegen, um das Schloß aufzubrechen. Es knarrte und ächzte, aber gab nicht nach. Jetzt warfen wir uns beide zusammen gegen die Thür und diesmal sprang das Schloß mit einem plötzlichen Krach auf und wir befanden uns in Bartholomäus Scholtos Zimmer. Es schien zu einem chemischen Laboratorium eingerichtet. Eine doppelte Reihe von Flaschen mit Glasstöpseln war längs der Wand, der Thür gegenüber aufgestellt und auf dem Tisch standen Kolben, Reagensgläser und Retorten unordentlich durcheinander. In den Ecken bemerkte ich große strohumflochtene Flaschen, welche Säuren enthalten mochten. Eine derselben schien zerbrochen worden zu sein, denn ein Strom dunkelfarbiger Flüssigkeit hatte sich daraus ergossen, und die Luft war geschwängert mit einem scharfen, theerartigen Geruch. Eine Trittleiter stand an der Seite des Zimmers, mitten in einem Haufen von Latten und Kalkstücken und über derselben sah ich eine Oeffnung in der Decke, groß genug, um einen Mann hindurchzulassen. Am Fuß der Leiter war ein langes, starkes Seil nachlässig hingeworfen. Neben dem Tisch aber, in einem hölzernen Lehnstuhl, saß, in sich zusammengefallen, der Herr des Hauses, den Kopf auf die rechte Schulter gesenkt und mit dem geisterhaften, unerklärlichen Lächeln im Gesicht. Er war steif und kalt und offenbar schon seit vielen Stunden tot. Er sah aus, als ob nicht allein seine Gesichtszüge, sondern alle seine Gliedmaßen auf die sonderbarste Weise verzerrt und verrenkt wären. Auf dem Tische, dicht an seiner Hand, lag eine eigentümliche Waffe – ein brauner, knorriger Stock, an dem ein steinerner, hammerartiger Griff mit grobem Bindfaden kunstlos befestigt war. Daneben lag ein abgerissenes Stück Papier, auf dem ein paar Worte gekritzelt waren. Holmes warf einen Blick darauf und zog die Augenbrauen bedeutsam in die Höhe, dann reichte er es mir.

      »Was sagen Sie nun?«

      Beim Licht der Laterne las ich mit Schaudern und Schrecken: »Das Zeichen der Vier.«

      »Um Gottes willen, was soll das alles bedeuten?« rief ich.

      »Es bedeutet Mord,« erwiderte er, sich über den Toten beugend. »Ach! Das erwartete ich. Sehen Sie her!«

      Er zeigte auf einen Gegenstand, der wie ein langer, dunkler Dorn aussah und gerade über dem Ohr in der Haut steckte.

      »Das scheint mir ein Dorn zu sein.«

      »Ja, es ist ein Dorn. Sie können ihn herausziehen, aber seien Sie vorsichtig, denn er ist vergiftet.« Ich nahm ihn zwischen Daumen und Zeigefinger und er ließ sich so leicht aus der Haut ziehen, daß kaum eine Spur zurückblieb. Ein winziger Blutfleck zeigte, wo der Stachel eingedrungen war.

      »Das ist mir alles ein unlösbares Rätsel,« gestand ich, »statt sich zu klären wird es immer dunkler.«

      »Im Gegenteil,« meinte Holmes, »es wird mit jedem Augenblick klarer. Mir fehlen nur noch ein paar verbindende Glieder zu einem ganz zusammenhängenden Fall.«

      Wir hatten unsern Gefährten beinahe vergessen. Er stand, ein Bild des Entsetzens, immer noch in der Thüre, rang die Hände und stöhnte vor sich hin. Plötzlich brach er jedoch in ein lautes Jammergeschrei aus.

      »Der Schatz ist fort!« klagte er. »Sie haben ihm den Schatz gestohlen! Dort oben ist das Loch, durch das wir ihn heruntergelassen haben. Ich half ihm dabei! Ich war der Letzte, der ihn gesehen hat. Hier habe ich ihn gestern abend verlassen und als ich die Treppe herabging, hörte ich noch, wie er die Thür verschloß.«

      »Zu welcher Zeit war das?«

      »Um zehn Uhr. Und nun ist er tot, man wird die Polizei rufen und ich komme am Ende noch in Verdacht, die Hand mit im Spiele gehabt zu haben. O ja, gewiß wird’s so kommen. Aber Sie, meine Herren, nicht wahr, Sie denken das nicht. Sicherlich werden Sie doch nicht glauben, daß ich’s gewesen bin? Ich hätte Sie doch nicht hergebracht, wenn ich es wäre? O weh! O weh! Das bringt mich noch um den Verstand.«

      Er focht mit den Armen in der Luft, stampfte mit den Füßen, als hätte ihn schon der Wahnsinn ergriffen.

      »Sie brauchen nichts zu befürchten, Herr Scholto,« sagte Holmes, ihm freundlich seine Hand auf die Schulter legend, »folgen Sie meinem Rat und fahren Sie gleich auf das Polizeiamt, um den Sachverhalt anzuzeigen. Erbieten Sie sich auch, der Behörde auf alle Weise behilflich zu sein. Wir werden hier Ihre Rückkehr abwarten.«

      Der kleine Mann gehorchte in halber Betäubung und wir hörten ihn im Dunkel die Treppe hinabstolpern.

       Inhaltsverzeichnis

      »Nun Watson,« sagte Holmes und rieb sich die Hände, »wir haben jetzt eine halbe Stunde für uns, die wollen wir gut benutzen. Obschon mir der Fall, wie ich Ihnen bereits sagte, fast völlig klar ist, so dürfen wir uns doch nicht durch zu große Sicherheit irreführen lassen. Scheint das Ding jetzt auch einfach; so können doch noch verwickelte Umstände dahinter liegen.«

      »Einfach!« rief ich aus.

      »Gewiß,« sagte er mit der Miene eines Professors in der Klinik, der vor seinen Studenten demonstriert. »Setzen Sie sich, bitte, dort in den Winkel, damit Ihre Fußstapfen keine Unordnung machen. Nun zur Sache. Zuerst – wie kamen – und wie gingen diese Leute? Die Thür ist seit gestern nicht geöffnet worden. Wie steht es mit dem Fenster?« Er nahm die Laterne in die Hand und begann seine Beobachtungen, deren Ergebnisse er vor sich hinmurmelte.

      »Fenster innen verriegelt. Rahmen ganz solid. Keine Haspen an den Seiten. Oeffnen wir’s. Keine Wasserröhre in der Nähe. Das Dach nicht zu erreichen. Ein Mann ist aber doch durchs Fenster gestiegen. Es hat vorige Nacht etwas geregnet. Hier ist der Abdruck von einem Fuß in dem nassen Staub auf dem Fenstersims, und hier ist eine runde Spur, und hier noch eine auf dem Boden, und dort wieder am Tisch. Sehen Sie her, Watson! Das giebt wahrlich eine prächtige Beweisführung.«

      Ich blickte auf die deutlich abgedrückten, schmutzigen Kreise. »Das ist keine Fußspur,« sagte ich.

      »Nein, aber für uns von viel größerem Wert. Es ist der Abdruck eines Stelzfußes. Hier, auf dem Fenstersims, sehen Sie die Stiefelspur, – ein schwerer Stiefel mit breitem Metallabsatz – und daneben ist die Spur von dem Holzstumpf.«

      »Der Mann mit dem hölzernen Bein!«

      »Ganz recht. Aber es ist noch sonst jemand dabei gewesen – ein sehr geschickter und thätiger Verbündeter. Würden Sie hier an der Mauer heraufklettern können, Doktor?«

      Ich sah aus dem offenen Fenster. Der Mond schien hell auf unsere Seite des Hauses. Wir waren gute sechzig Fuß vom Boden, und nirgends konnte ich einen Halt für den Fuß, oder auch nur einen Riß im Mauerwerk entdecken.

      »Das ist ganz unmöglich,« rief ich.

      »Ohne Hilfe, allerdings. Aber stellen Sie sich vor, Sie hätten einen Freund hier oben, der Ihnen diesen guten, dicken Strick an der Hausecke herabließe, nachdem er ihn zuvor an dem starken Haken befestigt hätte, den Sie hier in der Mauer sehen. Wenn Sie dann ein rüstiger Mann wären, könnten Sie, denke ich wohl, heraufklettern, zusamt dem hölzernen Bein. Natürlich treten Sie den Rückweg auf dieselbe Weise an, ihr Helfershelfer aber zieht den Strick herauf, bindet ihn vom Haken los, schließt das Fenster wieder, verriegelt es von innen und geht fort, wie er ursprünglich gekommen ist. Nebenbei ist noch zu bemerken,« fuhr er fort, während er den Strick durch die Finger laufen ließ, »daß unser Freund mit dem hölzernen Bein zwar ein guter Kletterer, doch kein Seemann von Beruf war. Er hatte keine Hornhaut an den Händen. Meine Lupe zeigt mir mehr als eine Blutspur, besonders gegen das Ende des Stricks, woraus ich schließe, daß er mit großer Geschwindigkeit hinabgerutscht ist und sich dabei die Hände arg zerschunden hat.«

      »Das mag alles richtig sein,« sagte ich, »aber verständlich wird das Ding darum noch nicht. Wie steht’s mit diesem geheimnisvollen Verbündeten? Auf welche Weise ist der ins Zimmer gekommen?« – »Ja, der Verbündete,« fuhr Holmes nachdenklich fort. »Seine Indizien sind höchst interessant, und heben den Fall über den Kreis des Alltäglichen hinaus. In der Verbrecherstatistik

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