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er nicht.

      Eine Zeit lang blieb er un­be­weg­lich lie­gen und ließ den freund­li­chen Son­nen­schein auf sich her­ab­strö­men und sei­nen miss­han­del­ten Kör­per mit wun­der­vol­ler Wär­me sät­ti­gen. Ein herr­li­cher Tag, dach­te er. Vi­el­leicht wür­de es ihm ge­lin­gen fest­zu­stel­len, wo er war. Mit ei­ner schmerz­haf­ten An­stren­gung wälz­te er sich auf die Sei­te. Un­ter ihm ström­te ein brei­ter, lang­sam flie­ßen­der Fluss. Er kam ihm ver­blüf­fend un­be­kannt vor. Lang­sam folg­te er ihm mit den Au­gen: Der Fluss schlän­gel­te sich in wei­ten Win­dun­gen durch öde, nack­te Hü­gel, die öder und nack­ter wa­ren als ir­gend­wel­che Hü­gel, die er je ge­se­hen hat­te. Lang­sam, wohl­über­legt, ohne Er­re­gung oder grö­ße­res In­ter­es­se als sonst, folg­te er mit den Au­gen dem Lauf des un­be­kann­ten Stro­mes bis zum Ho­ri­zont und sah, dass er sich dort in einen kla­ren, hell schim­mern­den See er­goss. Noch im­mer spür­te er kei­ne Er­re­gung. Es ist höchst selt­sam, dach­te er, es muss eine Vi­si­on oder eine Fata Mor­ga­na sein – ir­gend­ei­ne Gau­ke­lei sei­nes ver­wor­re­nen Geis­tes. Er wur­de in die­ser An­nah­me auch da­durch be­stärkt, dass er ein Schiff ent­deck­te, das mit­ten auf dem schim­mern­den See vor An­ker lag. Er schloss einen Au­gen­blick die Au­gen und öff­ne­te sie dann wie­der. Merk­wür­di­ger­wei­se blieb die Vi­si­on im­mer noch. Und doch war es gar nicht selt­sam. Er wuss­te ge­nau, dass es kei­nen See und kein Schiff mit­ten im öden Lan­de ge­ben konn­te, ge­nau wie er wuss­te, dass er kei­ne Pa­tro­ne mehr in sei­nem lee­ren Stut­zen hat­te.

      Er hör­te hin­ter sich ein son­der­ba­res Schnau­fen – ein hal­b­er­stick­tes Wür­gen oder Hus­ten. In­fol­ge sei­ner un­er­hör­ten Schwä­che und Steif­heit ver­moch­te er sich nur sehr lang­sam auf die an­de­re Sei­te zu wäl­zen. In un­mit­tel­ba­rer Nähe sah er nichts, aber er war­te­te ge­dul­dig. Wie­der ver­nahm er das Hus­ten und Schnau­fen, und jetzt er­blick­te er ge­ra­de vor sich, kei­ne fünf Schritt ent­fernt, den grau­en Kopf ei­nes Wolfs zwi­schen zwei za­cki­gen Stei­nen her­vor­lu­gen. Die auf­recht­ste­hen­den Ohren wa­ren nicht ganz so spitz, wie er sie sonst an Wöl­fen be­merkt hat­te. Die Au­gen schie­nen ent­zün­det und blut­un­ter­lau­fen. Der Kopf hing schlaff und ver­zwei­felt her­ab. Das Tier blin­zel­te im­mer­fort in den Son­nen­schein. Er hat­te den Ein­druck, dass es krank sein müss­te. Als er hin­sah, schnauf­te und hus­te­te es wie­der.

      Das ist doch, zum Teu­fel, dach­te er, un­be­dingt et­was Wirk­li­ches. Und er dreh­te sich des­halb wie­der auf die an­de­re Sei­te, um auch hier die wirk­li­che Um­ge­bung zu se­hen, die die Vi­si­on ihm vor­hin ver­hüllt hat­te. Aber der See lag im­mer noch schim­mernd da, und das Schiff war ge­nau­so deut­lich zu er­ken­nen wie vor­her. War es denn trotz al­lem et­was Wirk­li­ches? Er schloss die Au­gen län­ge­re Zeit und dach­te nach. Dann kam die Er­leuch­tung über ihn. Er war in nord­öst­li­cher Rich­tung ge­wan­dert, von der Dea­se-Was­ser­schei­de bis ins Cop­per­mi­ne-Tal. Die­ser schim­mern­de See war nichts an­de­res als das Po­lar­meer.

      Das Schiff muss­te ein Wal­fän­ger sein, das von der Mün­dung des Ma­cken­zie ost­wärts, weit ost­wärts ab­ge­trie­ben war. Jetzt lag es in der Co­ro­na­ti­on-Bucht vor An­ker. Er ent­sann sich der Kar­te von der Hud­son-Bucht, die er vor lan­ger Zeit ein­mal ge­se­hen hat­te, und al­les er­schi­en ihm jetzt klar und ver­nünf­tig.

      Er setz­te sich auf und über­leg­te, was er im Au­gen­blick tun könn­te. Die Fuß­lap­pen, die er sich aus sei­nen De­cken ge­macht hat­te, wa­ren schon ganz durch­lö­chert, und sei­ne Füße wa­ren un­ge­stal­te Klum­pen von ro­hem Fleisch. Sei­ne letz­te De­cke war auch schon längst da­hin. Ge­wehr und Mes­ser hat­te er eben­falls ver­lo­ren. Ir­gend­wo hat­te er auch sei­nen Hut lie­gen­las­sen und da­mit das Päck­chen Streich­höl­zer, das er un­ter das Band ge­steckt hat­te. Aber die, wel­che er auf sei­ner Brust trug, wa­ren in Si­cher­heit im Ta­baks­beu­tel, in Öl­pa­pier ge­wi­ckelt. Er sah auf die Uhr. Sie zeig­te, dass es be­reits elf war, und sie ging merk­wür­di­ger­wei­se im­mer noch. Er hat­te sie also of­fen­bar im­mer auf­ge­zo­gen.

      Er war ru­hig und ge­fasst. Ob­gleich äu­ßerst kraft­los, emp­fand er doch kei­ne Schmer­zen. Er war nicht ein­mal hung­rig. Der Ge­dan­ke an Es­sen war ihm so­gar un­an­ge­nehm, und was er in Be­zug auf Es­sen tat, ge­sch­ah nur aus Ver­nunfts­grün­den. Er riss sich die Ho­sen bis zu den Kni­en ab und wi­ckel­te sie um sei­ne Füße. Auf ir­gend­ei­ne ge­heim­nis­vol­le Wei­se war es ihm ge­lun­gen, sei­nen Zinn­be­cher zu be­hal­ten. Er woll­te et­was hei­ßes Was­ser trin­ken, ehe er die Wan­de­rung nach dem Schif­fe an­trat, von der er be­reits vor­aus­sah, dass sie furcht­bar wer­den wür­de.

      Sei­ne Be­we­gun­gen wa­ren sehr lang­sam. Er zit­ter­te, wie wenn er einen Schlag­an­fall ge­habt hät­te. Er woll­te auf­ste­hen, um tro­ckenes Moos zu sam­meln, muss­te sich aber da­mit be­gnü­gen, auf Hän­den und Fü­ßen her­um­zu­krie­chen. Ein­mal kroch er ganz nahe an den kran­ken Wolf her­an. Das Tier zog sich zö­gernd von ihm zu­rück, wäh­rend es sich um das Maul leck­te mit ei­ner Zun­ge, die kaum Kraft ge­nug be­saß, um sich über­haupt be­we­gen zu kön­nen. Der Mann sah, dass sie nicht die ge­wöhn­li­che ge­sun­de, rote Far­be hat­te. Sie war von ei­nem gelb­li­chen Braun und, so­weit er se­hen konn­te, mit ei­nem kör­ni­gen, halb­trock­nen Schleim be­legt.

      Als er eine Men­ge hei­ßen Was­sers ver­schlun­gen hat­te, fand der Mann, dass er im­stan­de war, auf­zu­ste­hen und so­gar wei­ter­zu­wan­dern, je­den­falls so gut, wie man es von ei­nem ster­ben­den Man­ne er­war­ten durf­te. – Jede Mi­nu­te bei­na­he war er ge­nö­tigt haltz­u­ma­chen, um aus­zu­ru­hen. Sei­ne Schrit­te wa­ren schwach und un­si­cher, ge­nau wie die Schrit­te des Wol­fes, der ihm nachtrot­te­te. Und als die Nacht kam und die Fins­ter­nis die schim­mern­de See und das Schiff ver­hüll­te, wuss­te er, dass er ih­nen nur um vier Mei­len nä­her­ge­kom­men war.

      Die gan­ze Nacht hör­te er das Schnau­fen und Hus­ten des kran­ken Wol­fes, und hin und wie­der ver­nahm er aus der Fer­ne des Quie­ken der Renn­tier­käl­ber. Rings um ihn war Le­ben ge­nug, aber es war ein star­kes, ge­sun­des Le­ben, höchst le­ben­dig und le­bens­lus­tig. Und er wuss­te auch, dass der kran­ke Wolf an der Fähr­te des kran­ken Men­schen kle­ben wür­de in der Hoff­nung, dass der Mann zu­erst ster­ben wür­de. Als er am Mor­gen auf­wach­te und die Au­gen öff­ne­te, sah er, wie der Wolf ihn mit trau­ri­gen und hung­ri­gen Au­gen an­starr­te. Das Tier hock­te da, die Rute zwi­schen den Bei­nen, wie ein elen­der und ver­zwei­fel­ter Kö­ter. In dem schnei­dend kal­ten Mor­gen­wind zit­ter­te und grins­te es mut­los, als der Mann es mit ei­ner Stim­me an­re­de­te, die kaum mehr als ein hei­se­res Flüs­tern war.

      Die Son­ne stieg strah­lend em­por, und den gan­zen Mor­gen stol­per­te und strau­chel­te der Mann vor­wärts, dem Schiff auf der schim­mern­den See zu. Das Wet­ter war wun­der­voll. Es war der kur­ze Spät­som­mer die­ser Brei­ten­gra­de. Er dau­er­te viel­leicht eine Wo­che. Mor­gen oder über­mor­gen konn­te er schon vor­bei sein.

      Am Nach­mit­tag stieß der Mann auf eine Fähr­te. Es war ein an­de­rer Mensch ge­we­sen, der nicht mehr ge­gan­gen, son­dern sich auf al­len vie­ren wei­ter­ge­schleppt hat­te. Er dach­te, dass es wohl Bill ge­we­sen sein müss­te, dach­te es aber dumpf und gleich­gül­tig. Er emp­fand nicht ein­mal ir­gend­wel­che Neu­gier­de da­bei. In Wirk­lich­keit hat­te ihn die Fä­hig­keit, sich zu er­re­gen und sich rüh­ren zu las­sen, längst ver­las­sen. Er war auch nicht mehr im­stan­de,

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