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hatte.

      »Nein«, gestand er, »aber die Sachlage…«

      »Und obwohl sie bei der bewußten Operation nicht einmal zugegen waren, maßen Sie sich an, Dr. Heller einen Kunstfehler zu unterstellen?« Wieder fiel Professor Thiersch ihm ins Wort, und diesmal spürte Dr. Scheibler schon den unterdrückten Zorn des Professors.

      Der junge Stationsarzt begann, sich äußerst unbehaglich zu fühlen.

      »Ich unterstelle ihm keinen Kunstfehler«, entgegnete er zögernd. »Es ist nur… ich glaube, daß Dr. Heller vorschnell gehandelt hat, und vermutlich ist ihm das auch durchaus bewußt. Warum sonst sollte er den Operationsbericht so lange zurückhalten?«

      Professor Thiersch beugte sich vor, die buschigen Augenbrauen zogen sich scharf zusammen und ließen auf der Stirn eine steile Falte entstehen. Wer ihn kannte, wußte, daß das ein Alarmzeichen war.

      »So, so, der Operationsbericht fehlt also noch«, erklärte er in ungewöhnlich ruhigem Ton – ebenfalls ein untrügliches Signal, daß alle Zeichen auf Sturm standen. »Woher beziehen Sie dann Ihre genauen Informationen?«

      Dr. Scheibler schluckte. »Frau Gerhardt sagte mir…«

      Professor Thiersch donnerte seine rechte Faust auf den Schreibtisch, was den jungen Stationsarzt unverzüglich verstummen ließ.

      »Frau Gerhardt sagte Ihnen…«, wiederholte er mit drohender Stimme und fügte in beißendem Spott Sarkasmus hinzu: »Frau Gerhardt war während der bewußten Operation zufällig in Narkose.«

      »Ja, natürlich«, beeilte sich Dr. Scheibler zu versichern. »Aber nach der Operation hat Dr. Heller mit ihr gesprochen. Und er hat gesagt, daß er den Eileiter hätte entfernen müssen. Meiner Meinung nach bestand dazu aber keine Veranlassung.«

      »Ihrer Meinung nach«, wiederholte Professor Thiersch bissig. »Und diese Meinung bilden Sie sich nach dem Schreiben eines niedergelassenen Arztes und den vermutlich dürftigen Aussagen einer Patientin. Wobei ich zu Ihren Gunsten anerkennen will, daß Dr. Daniel ein ausgezeichneter Gynäkologe ist, auf dessen Ausführungen man sich absolut verlassen kann. Sie haben nur eines übersehen, Scheibler. Zwischen dem Zeitpunkt, zu dem Dr. Daniel die Patientin zuletzt gesehen hat, und ihrem Eintreffen hier in der Klinik lag etwa eine halbe Stunde. Wissen Sie, was in einer halben Stunde alles passieren kann?«

      »Aber wenn Dr. Daniel schreibt…«, begann Scheibler, doch es gelang ihm nicht, den Satz zu beenden.

      »Schweigen Sie!« herrschte Professor Thiersch ihn an, dann stand er auf, und obwohl er fast einen Kopf kleiner war als Dr. Scheibler, strahlte er eine solche Autorität aus, daß der junge Stationsarzt unwillkürlich einen Schritt zurücktrat.

      »Bleiben Sie nur hier, Scheibler«, erklärte Professor Thiersch. »Ich fresse Sie nicht, auch wenn es im Augenblick so aussehen mag. Und jetzt sagen Sie mir, was Sie mit der ganzen Sache zu erreichen gedenken.«

      »Ich… äh… gar nichts, Herr Professor«, brachte Dr. Scheibler mühsam hervor. »Es ist… ich dachte nur…«

      »Hören Sie auf, mich anzulügen!« fuhr Professor Thiersch ihn an. »Ich kenne Ihren Ehrgeiz, Scheibler. Sie wollen Oberarzt werden, und dafür ist Ihnen jedes Mittel recht. Und mit Ihren laschen Beweisen, die Sie zu haben glauben, wagen Sie es, meinem besten Arzt einen Fehler zu unterstellen!« Er ließ diese Wort erst einmal auf Dr. Scheibler wirken, dann befahl er: »Setzen Sie sich!«

      Obwohl er sich im Augenblick vor dem zornbebenden Professor fürchtete und am liebsten die Flucht ergriffen hätte, gehorchte Dr. Scheibler.

      »So, mein Freund, und jetzt werde ich Ihnen sagen, was bei dieser Operation wirklich passiert ist, denn im Gegensatz zu Ihnen war ich nämlich dabei«, fuhr Professor Thiersch fort.

      Dr. Scheibler schloß sekundenlang die Augen. Jetzt begriff er alles, und vor allem, was für einen Fehler er gerade begangen hatte.

      »Patricia Gerhardt kam besinnungslos in die Klinik«, führte Professor Thiersch aus, während er wie ein Racheengel vor Dr. Scheibler stand. »Das befruchtete Ei hatte den Eileiter gesprengt, was zu starken Blutungen im Bauchraum geführt hatte. Dr. Heller war gezwungen, den Eileiter zu entfernen, sonst wäre die Patientin gestorben, und er hat das in so souveräner Weise gemacht, daß so mancher andere Arzt vor Neid erblassen würde. Was Dr. Heller an diesem Tag geleistet hat, war eine hochqualifizierte Arbeit, und da wagen Sie Wicht es, ihn als Stümper hinzustellen.«

      Dr. Scheibler fühlte sich entsetzlich elend, und er hatte keine Ahnung, was er zu seiner Entschuldigung noch vorbringen könnte.

      »Das… das wollte ich nicht«, stammelte er hilflos. »Es war doch nur… die Frau hat so geweint… sie hat mir leid getan. Und nach Dr. Daniels Brief… und der fehlende Operationsbericht… ich dachte…«

      »Hören Sie auf zu denken!« riet Professor Thiersch ihm grob. »Und gehen Sie mir endlich aus den Augen!«

      Dieser Aufforderung kam Dr. Scheibler nur zu gern nach. Er war bereits an der Tür, als die Stimme des Professors ihn buchstäblich festnagelte.

      »Scheibler!«

      Der junge Stationsarzt drehte sich um. »Herr Professor?«

      Der Chefarzt musterte ihn mit kaltem Blick. »Morgen früh habe ich Ihre Kündigung auf dem Tisch.«

      Dr. Scheibler schluckte schwer. Damit hatte er nicht gerechnet.

      »Herr Professor… bitte…«, begann er, doch Professor Thiersch schnitt ihm mit einer energischen Handbewegung das Wort ab.

      »Schweigen Sie!« befahl er barsch. »Ihre Reue kommt zu spät. Sie hätten sich vorher überlegen sollen, was Sie tun. Und ich warne Sie, Scheibler, wenn ich morgen mein Büro betrete und von Ihnen keinen Brief vorfinde, dann fliegen Sie. Und Sie wissen, was das bedeutet. Ihre Karriere als Arzt können Sie dann vergessen. Ich rate Ihnen also dringend, lieber von selbst zu kündigen. Und jetzt verschwinden Sie.«

      Doch Dr. Scheibler wagte noch einen letzten Versuch. »Herr Professor…«

      »Raus!«

      Dieses eine Wort und die Schärfe, mit der es ausgesprochen worden war, zeigten Dr. Scheibler nur zu deutlich, daß er keine Gnade von seinem Chef erwarten konnte. Niedergeschlagen verließ er das Zimmer des Chefarztes und kehrte auf seine Station zurück.

      *

      Was zwischen Professor Thiersch und Dr. Scheibler vorgefallen war, sprach sich in Windeseile in der Klinik herum. Schuld daran war Herta Bogner. Sie hatte natürlich unschwer mitbekommen, worum es im Nebenzimmer gegangen war – schließlich verfügte Professor Thiersch über eine Stimme, die auch eine geschlossene Tür mit Leichtigkeit durchdringen konnte.

      Und das, was drüben gesprochen worden war, war so ungeheuerlich, daß die Sekretärin es unmöglich für sich behalten konnte. Unter dem »Siegel der Verschwiegenheit« erzählte sie es ihrer besten Freundin, der Krankenschwester Konstanze Huber. Und Schwester Konstanze war so etwas wie das Tageblatt der Thiersch-Klinik. Was ihr einmal zu Ohren kam, wußte innerhalb einer Viertelstunde die ganze Klinik.

      Und so wurde über Dr. Scheibler bereits getuschelt, als er sein Zimmer erreichte, doch er war zu deprimiert, um es zu bemerken.

      »Herr Kollege.«

      Die Stimme des Oberarztes ließ Dr. Scheibler herumfahren. Und Dr. Hellers Gesichtsausdruck nach zu schließen, wußte er bereits über alles Bescheid.

      »Ich möchte mich einen Augenblick mit Ihnen unterhalten«, fuhr er in ruhigem Ton fort.

      Doch Dr. Scheibler hatte Angst vor weiteren Vorwürfen – noch dazu von dem Mann, dem er selbst einen Fehler hatte unterstellen wollen.

      »Ich… ich habe zu tun«, wich er daher aus und wollte sich an dem Oberarzt vorbei aus dem Zimmer drücken.

      »Auf Ihrer Station ist im Augenblick nichts so wichtig wie das Gespräch, das ich mit Ihnen führen will«, entgegnete Dr. Heller hart. »Also, kommen Sie bitte mit.«

      Nur

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