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sprecht ihr beide?« fragte Lord Henry, während er gemächlich zu dem Teetisch ging und seine Tasse niederstellte. »Ich hoffe, Dorian hat dir von meinem Plan, alles umzutaufen, erzählt, Gladys. Es ist eine allerliebste Idee.«

      »Aber ich will nicht umgetauft werden, Harry«, erwiderte die Herzogin und sah ihn mit ihren reizend schönen Augen an. »Ich bin mit meinem Namen ganz zufrieden und ich denke, Herr Gray kann auch mit seinem zufrieden sein.«

      »Meine teure Gladys, ich würde um keinen Preis der Welt einen der beiden Namen umändern wollen. Sie sind beide vollendet. Ich dachte hauptsächlich an Blumen. Gestern schnitt ich mir eine Orchidee für mein Knopfloch. Es war eine wundervoll gesprenkelte Blume, so wirkungsvoll wie die sieben Todsünden. In einem Anfall von Gedankenträgheit fragte ich einen der Gärtner, wie sie heiße. Er sagte mir, es sei ein schönes Exemplar der Robinsoniana oder irgendeine derartige gräßliche Bezeichnung. Es ist eine traurige Wahrheit, aber wir haben die glückliche Gabe verloren, den Dingen schöne Namen zu geben. Und Namen sind alles. Ich kämpfe nie gegen Taten an. Mein einziger Kampf richtet sich gegen die Worte. Das ist der Grund, weshalb ich den vulgären Realismus in der Literatur verabscheue. Der Mann, der imstande ist, einen Spaten einen Spaten zu nennen, sollte gezwungen werden, selbst einen in die Hand zu nehmen. Es ist die einzige Sache, zu der er tauglich wäre.«

      »Wie sollen wir also dich nennen, Harry?« fragte sie.

      »Sein Name ist Prinz Paradox«, sagte Dorian.

      »Der wird sofort akzeptiert!« rief die Herzogin.

      »Ich will ihn nicht hören«, lachte Lord Henry und ließ sich in ein Fauteuil fallen. »Vor einem solchen Etikettchen kann man sich nicht retten. Ich weise den Titel zurück.«

      »Fürstlichkeiten können nicht abdanken«, warnten ihn schöne Lippen.

      »Du willst also, daß ich meinen Thron verteidige?«

      »Ja.«

      »Ich sage die Wahrheiten von morgen.«

      »Ich ziehe die Irrtümer von heute vor«, antwortete sie.

      »Du entwaffnest mich, Gladys!« rief er, entzückt von ihrer übermütigen Laune.

      »Deines Schildes, Harry, nicht deines Speeres.«

      »Ich kämpfe nie gegen Schönheit«, sagte er mit einer huldigenden Handbewegung.

      »Das ist dein Fehler, Harry, glaube mir's. Du überschätzest die Schönheit.«

      »Wie kannst du das sagen? Ich gebe zu, daß ich es für besser halte, schön zu sein als gut. Aber andererseits ist niemand eher als ich bereit zuzugeben, daß es besser ist, gut zu sein als häßlich.«

      »Dann also ist Häßlichkeit eine der sieben tödlichen Sünden?« rief die Herzogin. »Wie steht es nun mit deinem Orchideengleichnis?«

      »Häßlichkeit ist eine von den sieben tödlichen Tugenden, Gladys. Du als gute Tory darfst sie nicht unterschätzen. Das Bier, die Bibel und die sieben tödlichen Tugenden haben aus England gemacht, was es heute ist.«

      »Du liebst also dein Vaterland nicht?« fragte sie.

      »Ich lebe darin.«

      »Damit du es besser tadeln kannst.«

      »Sähest du es lieber, daß ich mir das Urteil Europas über unser Land aneigne?« fragte er.

      »Was sagt man von uns?«

      »Daß Tartüff nach England ausgewandert sei und dort einen Laden aufgemacht habe.«

      »Ist das von dir, Harry?«

      »Ich schenke es dir.«

      »Ich kann's nicht gebrauchen. Es ist zu wahr.«

      »Du brauchst dich nicht zu ängstigen. Unsere Landsleute erkennen sich nie in ihrem Steckbrief wieder.«

      »Du bist so praktisch.«

      »Eher gerissen als praktisch. Wenn sie ihr Kontokorrent abschließen, dann saldieren sie Dummheit mit Reichtum und Laster mit Heuchelei.«

      »Und doch haben wir große Dinge vollbracht.«

      »Große Dinge sind uns auferlegt worden, Gladys.«

      »Wir haben ihre Last zu tragen vermocht.«

      »Nur bis zur Börse.«

      Sie schüttelte den Kopf. »Ich glaube an unsere Rasse!« rief sie.

      »Sie vertritt den überlebenden Ellbogenstreber.«

      »Sie hat das Zeug zur Entwicklung.«

      »Verfall reizt mich mehr.«

      »Und die Kunst?« fragte sie.

      »Eine Krankheit.«

      »Liebe?«

      »Einbildung.«

      »Religion?«

      »Modesurrogat für den Glauben.«

      »Du bist ein Skeptiker!«

      »Niemals! Skeptizismus ist der Anfang des Glaubens.«

      »Was bist du?«

      »Definieren heißt beschränken.«

      »Reich mir den Ariadnefaden!«

      »Fäden zerreißen. Du würdest deinen Weg im Labyrinth verlieren.«

      »Du machst mich wirre. Laß uns von einem anderen sprechen.«

      »Unser Wirt ist ein entzückendes Thema. Vor vielen Jahren nannte man ihn den Prinz Märchenschön.«

      »Ach! Erinnere mich nicht daran!« rief Dorian Gray.

      »Unser Wirt ist recht greulich heute abend«, antwortete die Herzogin und errötete. »Er denkt wohl, Monmouth habe mich nur aus wissenschaftlichen Gründen geheiratet, weil ich das beste Musterbeispiel eines modernen Schmetterlings bin.«

      »Ich hoffe aber, er wird Sie nicht auf Stecknadeln spießen, Frau Herzogin«, lachte Dorian.

      »Oh! Das besorgt schon meine Kammerjungfer, Herr Gray, wenn sie sich über mich ärgert.«

      »Und worüber ärgert sie sich, Frau Herzogin?«

      »Über die geringsten Dinge, Herr Gray, glauben Sie nur! Gewöhnlich, wenn ich zehn Minuten vor neun nach Hause komme und ihr sage, daß ich bis halb neun angezogen sein muß.«

      »Wie unvernünftig von ihr! Sie sollten ihr den Laufpaß geben!«

      »Das wag' ich nicht, Herr Gray. Sie erfindet nämlich meine Hüte. Sie erinnern sich nicht an den Hut, den ich auf Lady Hilstones Gartenfest getragen habe? Natürlich nicht, aber es ist hübsch von Ihnen, daß Sie so tun. Also der war geradezu aus nichts gemacht. Alle guten Hüte werden aus nichts gemacht.«

      »Wie jeder gute Ruf, Gladys!« unterbrach Lord Henry. »Jede Wirkung, die man erzielt, schafft uns einen Feind. Man muß eine Mittelmäßigkeit sein, wenn man eine Beliebtheit sein will.«

      »Nicht unter Frauen«, sagte die Herzogin und schüttelte den Kopf; »und Frauen regieren die Welt. Ich behaupte steif und fest, wir können Mittelmäßigkeiten nicht vertragen. Wir Frauen, hat mal jemand gesagt, lieben mit den Ohren, gerade so, wie ihr Männer mit den Augen liebt, wenn ihr überhaupt liebt.«

      »Es scheint mir, daß wir überhaupt nie etwas anderes tun«, flüsterte Dorian.

      »Ach! Herr Gray, dann lieben Sie nie in Wirklichkeit«, antwortete die Herzogin wie in spöttischer Trauer.

      »Meine liebe Gladys!« rief Lord Henry. »Wie kannst du das sagen? Die Romantik lebt von Wiederholung, und die Wiederholung verwandelt jeden Anreiz in Kunst. Übrigens, jedesmal, wenn man liebt, ist es das erstemal, daß man geliebt hat. Die Verschiedenheit des Objektes verändert die Einzigkeit der Leidenschaft nicht. Sie macht sie nur stärker. Wir können im Leben bestenfalls nur ein einziges großes Erlebnis

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