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sagte der Jäger, indem er eine Thräne im Auge zerdrückte, »du bist ein glücklicher Mensch, viel glücklicher, denn ich. Mein Herz ist wie ein Schifflein auf offener See, und das darum, weil ich weder fest glauben, noch recht lieben kann. Nein, an meinen Todfeind kann ich nicht denken, wie du an ihn denkst. Der Gerst hat dir Alles geraubt, was den Menschen das Leben lieb macht, deine ganze Jugend und deine ganze Ehre vor der Welt, und mußt noch froh sein, daß er dich das Brod eines armen Schulmeisters in Ruhe essen läßt. Das könnt' ich nicht ertragen! Und wehe dem Menschen, wenn ich je in dieser Gegend längere Zeit bleiben sollte; ich würde ihm Alles eintränken, was er je Böses an dir gethan hat!« »Und was hättest du damit für mich gethan, Heinrich?« fragte ernst der Schulmeister. »Nichts, sage ich, gar nichts! Die Jugend ist vorüber, wer denkt an mich, und wer will mich? Laß mir mein Loos; es ist Freude mit Zittern, und meinen Glauben laß mir auch, der mich lehret: Die Rache ist mein, ich will vergelten, spricht der Herr.« —

      So schieden die Brüder; und in derselben Stunde, wo der Schulmeister vom Veitsberg sein Haus betrat, da fuhr die fremde Herrschaft aus der Stadt Grünberg hinaus.

       Inhaltsverzeichnis

      Es ist dir gewiß, mein lieber Leser, im bisherigen Gang unserer Geschichte Manches dunkel geblieben, worüber du gerne Aufschluß haben möchtest. Laß mich dir denn zuerst sagen, wer der Justus war, den du mit mir lieb gewinnen sollst.

      Folge mir einmal an den schönen Rhein, wo die Reben wachsen, deren Wein Tausende erfreut, und an dessen Ufer schöne Städte und Dörfer liegen, und in dessen hellen Wellen sich viele alte Schlösser beschauen, von denen viel schöne und schaurige Sagen im Munde des Volkes gehen.

      Dort am Rhein, im Herzogthum Nassau, liegt dicht am Ufer ein sauber Städtlein, Braubach geheißen, und drüber auf hohem, hohem Berge steht ein Schloß, noch wohl erhalten und bewohnt, das heißt die Marksburg.

      Links von dieser Marksburg zieht durch eine tiefe Schlucht zwischen steilen Bergen und durch Gestrüpp und Dorn ein Fußpfad über's Gebirge nach dem Bade Ems. Etwa in der Mitte des Weges liegt zwischen Wäldern und Bergwiesen ein stattliches Haus, das Jägerhaus genannt. Dem sieht man auf den ersten Blick an, daß es noch neu ist, auch daß es eingerichtet ist zum Nutzen und Vergnügen der Badereisenden, die jetzt zu Tausenden die Bäder dort im Gebirge besuchen, und nicht Alle dort gesund werden. So war es nicht in der Zeit, von der wir hier reden. An der Stelle des Jägerhauses, das jetzt nicht viel mehr, denn ein Gasthaus ist, lag die Wohnung des Landgräflich Hessischen Försters; denn die ganze Gegend umher gehörte zu Hessen, auch ein Theil des Bades Ems gehörte dazu, und war noch kein sonderlich Wesen mit dem Bade damals.

      In dem Jägerhaus im Walde, mit den Hirschgeweihen über der Thüre und mit den großen Schweißhunden an den Seiten, lebte damals der Förster Zacharias Justus. Der hatte, wie man sich ausdrückt, von der Pieke auf gedient; war erst Jägerbursche gewesen in verschiedenen Förstereien, und hatte dann, nachdem er aufgedingt worden war, mit dem Hirschfänger an der Seite, vieler Herrn Länder durchreist, vieler Menschen Städte gesehen, und wußte von den Wölfen in Frankreich und von den Bären in Polen eben so gut zu erzählen, wie von den Hirschen in Flandern. Doch was er mitgenommen hatte in die Fremde, ein treues deutsches Herz, das brachte er wieder mit heim, und man machte ihn, weil er die Försterei aus dem Grunde verstand und ein meisterhafter Schütze war, zum Förster auf dem Jägerhaus bei Braubach. Und der Justus fand noch mehr, denn sein Försteramt, er fand auch ein Eheweib, und mit ihm was Gutes und Wohlgefallen vom Herrn. Denn Kunigunde, des Försters Ehefrau, war armer Leute Kind, aber ein sauber und züchtig Mägdlein und reich durch ein demüthig, fromm Herz. Und Justus lebte sehr glücklich mit ihr, und versicherte mehr als einmal, er habe manchen Meisterschuß gethan und manchen guten Preis davon getragen, aber seine Kunigunde sei der höchste Preis, den er gewonnen. In dem Försterhaus war viel Friede und viel Frömmigkeit, ohne Sang und Klang, aber treu und wahr. Und in diesem Sinne erzog Kunigunde ihre Söhne, Jakob Konrad und Johann Heinrich. War der Jüngste dem Vater ähnlicher, so hatte der Aelteste ganz seiner Mutter Herz, und Kunigunde freute sich innig, als ihr Konrad sich für den geistlichen Stand bestimmte, während der Vater in dem Jüngsten glücklich war, den er zu seinem Nachfolger zu erziehen gedachte.

      Diese Wünsche der Aeltern schienen in Erfüllung gehen zu wollen. Konrad kam von der Universität zurück und hatte was Tüchtiges gelernt, und Heinrich ging, wie einst sein Vater, mit Büchse und Hirschfänger auf die Wanderschaft. Da geschah es, daß der Rhein einst gewaltig anschwoll. Große Schneemassen waren in der Schweiz, von wannen er kommt, geschmolzen, und das Wasser stieg und stieg, und das Städlein Braubach war in großer Gefahr. Von der Marksburg herab donnerten die Kanonen, um die Umgegend zur Hülfe aufzubieten; aber es hatte Jeder mit der eignen Sorge genug zu thun, und die Noth ward von Minute zu Minute größer. Vornen, dicht am Rhein, stand ein Häuschen, von dem man nur noch das Dach sah, und vom Dache aus rangen zwei Frauensleute jammernd die Hände und flehten um Rettung. Doch Jeder hatte mit sich und seiner Noth vollauf zu thun, und der Strom war so gewaltig an der Stelle, daß Niemand sein Leben wagen wollte. Da sah man plötzlich einen Mann sich mit einer Fahrstange nach einem Baume hinarbeiten, an dem ein Nachen angebunden war, sah ihn eilig hineinspringen, und sah, wie die Strömung ihn rasch auf das Häuschen zutrieb. Mit aller Kraft stemmte er sich gegen den Strom; mit übermenschlicher Anstrengung hielt er sich am Gebälke des Häuschens fest, und im Nu trieb der Strom den Nachen mit den beiden Geretteten und dem kühnen Schiffer den Strom hinab.

      »Wenn dem der liebe Gott nicht tausend Engel zur Hülfe schickt«, rief ein schnurrbärtiger Grenadier von der Marksburg, der helfend am Ufer stand, »so ist er doch verloren, seht nur, der Nachen dreht sich wie eine Nußschale auf dem Wasser. Schade um den guten Jungen, der hat ein Herz im Leib, trotz dem besten Soldaten. Ha, jetzt geht's hinunter! So, frisch auf! Victoria, sie sind am Ufer!« »Das war brav gemacht, Kamerad, dich muß ich kennen lernen!« Und wie der Soldat nach der Stelle hineilte, wo der Nachen an's Ufer trieb, da kam er gerade zur rechten Zeit, um den Retter in seinen Armen aufzufangen, der von der ungeheuren Anstrengung erschöpft niedersinken wollte. »So jung noch, Kamerad«, rief er, indem ihm die Thränen der Rührung in seinen grauen Schnurrbart flossen, »so jung noch und doch so viel Herz im Leib! Nun da, thut einen rechtschaffenen Schluck aus meiner Feldflasche, und ruht euch hier aus, ihr habt die Ruhe verdient!« »So ist's Recht«, sprach er dann zu den geretteten Frauen, »betet immerhin zum lieben Gott, ihr habt's Ursache. Nach der Schlacht an den Herrn gedacht, so will's das Soldatensprüchlein, und das ist wahr wie ein Bibelspruch.«

      Indessen kamen immer Mehrere herzu, auch der Förster vom Jägerhaus, und kaum erblickte er den durchnäßten Jüngling, so schloß er ihn weinend in seine Arme und rief laut: »Also du, mein Konrad, hast das Meisterstück gemacht! Nun Junge, das war brav! Hat mir doch das Herz geklopft, als ich dich im Wasser sah; hätt' ich gar gewußt, du seist es, ich glaube, ich wäre schier vor Angst gestorben. Aber nun schnell hinauf in meines Gevatters Heinzmanns Wingertshäuschen, da will ich dich letzen und umkleiden, ehe das Gerücht dich todt sagt, und die Mutter nicht deinetwegen sich prest.« »Und ihr, Frau«, so wandte er sich freundlich zu der Geretteten, »könnt mit eurer Tochter, — das wird ja wohl das zitternde Mägdlein dort sein, — zu uns in's Jägerhaus hinauf ziehen; denn ihr scheint fremd hier im Orte zu sein. Ich bin wohl manches Jahr in Braubach aus- und eingegangen, aber euch habe ich mit Wissen nie darin gesehen.«

      Die Frau gab auf die freundliche Rede keine Antwort; sie schien in Gedanken versunken zu sein; ihr Blick ruhte bald auf ihrer Tochter, einem zarten Mägdlein von sechszehn Jahren, bald auf dem Häuschen, das sie kaum verlassen und an das noch immer die Wellen gleich drohend schlugen. Der Förster wiederholte noch einmal seine Einladung, fast noch dringender denn zuvor. Da fuhr das Weib wie aus einem Traume auf und sprach wehmüthig: »Ihr scheint es gut mit einer Unglücklichen zu meinen, und nach eurer Kleidung seid ihr ein Jäger; habt ihr ein treues Herz in der Brust, so nehmt mein Kind hier mit euch und gebt ihm eine trockne Kleidung, mich aber laßt hier, bis ich weiß, was es mit meinem Häuschen da drüben giebt. Dort im Wasser liegt Alles, was ich habe, mein ganzer Reichthum und meine Hoffnung und meines Kindes Glück. Wenn das

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