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      Und so begleite mich denn, mein lieber Leser, in die Heimath des Kalendermanns. Ich weiß gut Bescheid daselbst, denn sie ist auch meine Heimath, mein liebes Hessenland, mit seinen grünen Hügeln und waldigen Höhen und fruchtbaren Ebenen, auf die Gottes Auge allezeit segnend herabblicken möge! Während ich die gelben Blätter betrachte, die der Kalendermann geschrieben, denk' ich der Zeit, wo ich am Haag, der sein Grab umgränzt, Veilchen gesucht, oder von seinen Bäumen die Kirschen gebrochen. Lieb ist mir sein Gedächtniß, möchte es auch dir lieb werden! —

       Inhaltsverzeichnis

      Es war Gallustag des Jahres 17.., und in Grünberg, dem freundlichen Städtchen im Lande Hessen, war Jahrmarkt. Weithin über die Felder am westlichen Theile der Stadt breitete sich eine vielfache Reihe von Zelten aus, manche einfach von Leinwand, manche groß und mit mehr Kunst von Baumästen aufgeführt, zum Nutzen und Vergnügen der Marktgäste. Da sah man hoch aufgeschichtet die Holzwaaren vom Vogelsberg, Löffel und Küchengeräthe, zierlich mit Figuren geschmückt, und vor Allem Spinnräder, bunt von Farben und künstlich ausgedreht, mit Ringlein und hölzernen Springmännlein, die bei jedem Umschwung des Rades tanzten. Zwischen den Spinnrädern durch gingen sittig und prüfend die Mägdlein, mit den Krämern feilschend, und der Winterabende gedenkend, wo die bunten Räder zum lustigen Gespräch der Spinnstube schnurren sollten.

      Und neben die Spinnräder hatten die Bänderkrämer aus Sachsen ihre Buden aufgeschlagen. Hoch von den Stangen herab flatterten lustig und lockend, von Seide und Wolle, theuer und wohlfeil, aber brauchbar und sehr beliebt, die bunten Bänder, und die Krämer priesen den Mägdlein die breiten, mit Flittergold durchwirkten Streifen zu Rockenbändern an.

      Von vielen Kunden besucht, bekannten und unbekannten, und manchen Gruß rufend und manchen Händedruck gebend, sah man dort die Schuhmacher von Alsfeld und Homberg guten Markt halten, während die Messerschmiede von Lauterbach mit den Kindern um die Batzenmesserlein feilschten, klein und mit hölzernen Stielen, indeß der Kaufmann von fern her, auf dem Nagel den Stand der Messer und Gabeln prüfte und dutzendweise sie mit sich nahm.

      Hell glänzten dort in der Octobersonne die Zelte und Buden der Blech- und Kupferschmiede von Grünberg, und ihnen zur Seite hatten auf dem grünen Rasen einer Wiese zwischen den Herbstzeitlosen, die Niemand beachtete, die Töpfer von Marburg und Hausen ihre bräuchliche Waare ausgestellt.

      Es war gute Zeit im Lande, die Erndte war reichlich ausgefallen, in den Säcken des Bauern war Geld und die Kaufleute waren billig und ließen Alles um den halben Preis, wie sie sagten, aus lauter guter Freundschaft. Wohin man nur sah, da bemerkte man frohe Gesichter. Selbst um die Bude eines reisenden Doctors her gab's mehr Lachen, als Weinen; denn so schrecklich der Mann selber aussah in seiner ungeheuren Perücke und seinem dreieckten Bordenhut darauf und seinem rothen Rock mit thalergroßen Stahlknöpfen und seinem Halsband von Menschenzähnen; so hatte er doch neben sich ein Männlein stehen, bunt gekleidet und immer lachend, das mit seinen Späßen auch die bittersten Pillen und Pulver versüßte, und so drollige Gesichter schnitt, während er die Köpfe zum Zahnausziehen hielt, daß aller Schmerz nicht der Rede werth war.

      Und was doch in der Bude gegenüber das Bier so trefflich schmeckte und die Würste so lieblich dufteten; denn wer that's je den Metzgern von Grünberg in ihrer Blutwurst gleich! Nur Einer wagte zu versichern, die seine sei besser, fetter und delicater, das war ein Metzger aus Schotten, der seine Bude nicht fern von dem Grünberger aufgeschlagen hatte, und allen Kunden mit Stirnrunzeln nachsah, die hinüber zu dem Grünberger gingen; »denn Schotten«, sagt er, »liefert die beste Wurst auf weit und breit;« und »alls herein, meine Herrn«, rief er, »alls herein, hier ist Alles zu haben für Mund und Herz, Musik und Schauspiel, wenn's beliebt!«

      Das Schauspiel war aber eine Gesellschaft von Hunden, theils in Bordenröcke gekleidet, mit Hüten und Perücken auf den Köpfen, theils in Reifröcke gehüllt und die Damen vorstellend. Die führten nach dem Ton einer Sackpfeife, die ihr Herr blies, allerlei kurzweilige Tänze aus, machten einander Diener und Knickse, und benahmen sich ganz anständig, bis ein Spaßvogel ihnen ein Stück Wurst zuwarf, worauf sie schnell in ihre Hundenatur zurückfielen.

      Da gab's unmäßiges Gelächter, in das eine Schaar von Knaben aus vollem Halse einstimmte, die mit Holz und Strohbündeln unter den Armen den benachbarten Höhen zueilten. Denn wer mag ein Knabe sein in der guten Stadt Grünberg und kein Gallusfeuer sehen! Zwei Freuden auf einmal; von den Höhen herab den Markt sehen mit seinem bunten Gewimmel und vor sich das Gallusfeuer! Da klingt erst das Lied recht gut.

      »Gallmarkt ist da!

       Drum heraus

       Aus dem Haus!

       Wer Bier hat, der trink's,

       Wer Holz hat, der bring's

       Zum Gallusfeuer,

       Zum Gallusfeuer!«

      Während so Geschäftigkeit und Frohsinn den Jahrmarkt belebte, schallte durch das Getümmel hindurch der dumpfe Ton einer Trommel, in den sich schrillernd die Melodie einer Querpfeife mischte. Alles was abkommen konnte, drängte sich der Stelle zu, und man sah, was man lange nicht gesehen hatte, zween Polacken in Pelzkleidern und mit großen Prügeln in den Händen, die führten an einer langen Kette einen Bären, und auf dem Rücken des fürchterlichen Thieres saß, o Wunder und Entzücken! ein Aefflein in einem rothen Jäckchen, sonst nichts um und nichts an. Das Aefflein tanzte auf dem Bären und schlug Purzelbäume, und aß Aepfel und warf die Krutzen nach den Zuschauern. Und der Bär tanzte auch, aber viel ungelenkiger und schien gar keine Freude an seinem Tanzen zu haben, und bekam viele Prügel, daß er zum Entsetzen von Jung und Alt erschrecklich brummte.

      In der Menschenmenge, die den Bären von allen Seiten umgab, hielt seit geraumer Zeit eine Chaise; denn es war nicht möglich, auch nur einen Schritt weit vorwärts zu kommen. Der Kutscher war abgestiegen und stand vor den Pferden, und hielt ihnen die Augen zu, und strich ihnen den Hals, und gab ihnen Schmeichelnamen aller Art; denn den Pferden war's bange vor dem Raubthier, und wollten nicht Stand halten. Ein Bedienter in Jägeruniform hatte derweil seinen Rath mit Einem aus der Bürgerschaft, der zur Marktwache gehörte, und auf seinen Spieß gestützt, das einzige Zeichen seiner Würde, in das Treiben hineinsah und behaglich sein kurzes Pfeifchen rauchte. Der Rath zwischen dem Jäger und dem Spießmann schien nicht sehr freundlich zu sein; denn der Jäger hatte ein zornrothes Gesicht und rief in einem fort: »Macht Platz, oder ich ziehe vom Leder!« Der Spießmann blickte lächelnd auf die halbgezogene Waffe und sagte gelassen: »Stecket euer Schwert an seinen Ort, mein Freund; nach gutem alten Marktrecht spielt der zuerst, der zuerst kommt, und da der Polack mit seinem Pelz zuerst auf dem Fleck war, so spielt der zuerst, dann kommt die Reihe auch an euch. Was ihr nun in eurem Kasten dort habt — es will mich bedünken, als wären auch fremde Thiere drinnen — das laßt später sehen. Eile mit Weile.« — »Aber seht ihr denn nicht, Mann«, rief der Jäger noch ungeduldiger, indem er den Hirschfänger völlig aus der Scheide zog, »daß der Kutscher die Pferde nicht halten kann, die Bestie dort bringt meine Herrschaft in's Unglück!« — »Das ist ein Anderes, Freund«, sagte der Spießmann, »das hättet ihr gleich sagen können, daß ihr Reisende führt. Ich will gleich Platz machen; nur sag' ich noch einmal: Steckt euer Schwert an seinen Ort; nach gutem Grünberger Marktrecht kommt Jeder dort in den Thurm, der sich erdreistet, wider hochlöbliche Bürgerschaft, zumal im Marktdienst, das Gewehr zu ziehen!« So sagend schwang er seine Waffe und gebot in gebrochenem Deutsch, das sie selber redeten, den Bärführern zur Seite zu gehen.

      Die Pferde zogen rasch an mit manchem gefährlichen Seitensprung, mit manchem scheuen Blick nach dem Bären hin, und nach wenigen Minuten rollte der Wagen durch die Marktgasse hinauf auf den Marktplatz und vor das Gasthaus zum Riesen. Da war ebenfalls ein reges Leben und Treiben. Unter Mühe nur konnte der Kutscher eine Anfahrt gewinnen; denn Fuhrwerke von allen Arten hatten bereits die Straße besetzt. Der Riesenwirth, ein kleines fettes Männlein, mit einem langen steifen Zopf, stand, ein weißes Schürzlein vorgebunden, und die weiße Mütze unter dem linken Arme, unter seinem Hofthore und machte einen Bückling hinter

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