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mit einem von ihnen einließ, so war man verloren. Sie nahmen die, die ihnen gerade gefiel und warfen sie wieder weg … Ja — wenn eine sich nehmen und wegwerfen ließ. Aber zu denen gehörte sie nicht. Nein, so weit war es mit ihr noch nicht gekommen. Flüchtige Abenteuer waren ihre Sache nicht. Wäre sie zu dergleichen geboren, wie könnte sie denn diese Geschichte mit Fritz so schwer nehmen? Und wenn sie nun leidet, bereut, sich abquält, so ist es nur, weil das, was sie getan hat, so völlig gegen ihre Art ist. Sie versteht es ja gar nicht recht, daß all das geschehen konnte. Es ist auch nicht anders zu erklären, als daß es in diesen unerträglich schwülen Sommertagen wie eine Krankheit über sie gefallen, sie wehrlos und wirr gemacht hat. Und wie die Krankheit gekommen ist, so wird sie auch wieder gehen. Bald, bald. Sie fühlt es ja in all ihren Pulsen, ihren Sinnen, in ihrem ganzen Leib, daß sie nicht dieselbe ist, die sie war. Kaum vermag sie ihre Gedanken zu sammeln. Wie fieberisch rasen sie durch ihr Hirn. Sie weiß nicht, was sie will, was sie wünscht, was sie bereut, kaum, ob sie glücklich oder unglücklich ist. Es kann nur eine Krankheit sein. Es gibt Frauen, bei denen solch ein Zustand lange dauert und gar nicht weichen will; so eine mag Fortunata sein, und jenes marmorblasse Fräulein Fallehn. Andere gibt es wieder, die überfällt es oder schleicht sich ein, und weicht bald von dannen. Und das ist ihr Fall. Ganz gewiß. Wie hat sie nur all die Jahre gelebt, seit Ferdinand dahingegangen ist! Keusch wie ein junges Mädchen, ja ohne Wunsch. Erst in diesem Sommer ist es über sie gekommen. Ob es nicht in der Luft liegen mag in diesem Jahr? Die Frauen alle sehen anders aus als sonst; die Mädchen auch, sie haben hellere, frechere Augen, und ihre Gebärden sind unbedenklich, lockend und voll Verführung. Man hört ja auch allerlei! Was war das nur für eine Geschichte von der jungen Arztesfrau, die nachts mit einem Ruderknecht auf den See hinausgefahren und erst am nächsten Morgen wieder heimgekommen sein sollte? Und die zwei jungen Mädchen, die drüben auf der Wiese, gerade als das kleine Dampfschiff vorbeifuhr, nackt gelegen, und plötzlich, ehe man sie zu erkennen vermochte, im Wald verschwunden waren? Gewiß, es liegt in der Luft in diesem Jahr. Die Sonne hat besondere Kraft, und die Wellen des Sees schmeicheln sich süßer um die Glieder als je. Und wenn der geheimnisvolle Bann sich löst, wird auch sie wieder werden wie sie war und durch das heiße Abenteuer dieser Tage und Nächte wie durch einen bald vergessenen Traum geglitten sein. Und wenn sie es wieder einmal nahen fühlt, wie sie es ja auch diesmal lang vorher nahen gefühlt, wenn die Sehnsucht ihres Blutes gefahrdrohend sich zu regen beginnt, so kann sie ja eine Rettung besserer und reinerer Art wählen als diesmal und, wie andere Frauen im gleichen Fall, eine zweite Ehe eingehen. Doch ein spöttisches wie von sich selbst überraschtes Lächeln stieg ihr nun auf die Lippen. Es fiel ihr jemand ein, der kürzlich dagewesen war und dem sie die redlichsten Absichten zutrauen durfte: der Advokat Doktor Teichmann. Sie sah ihn vor sich im funkelnagelneuen grünen, gelbgesprenkelten Touristenanzug, mit schottischer Krawatte, den grünen Hut mit dem Gamsbart verwegen auf dem Haupt, kurz in einem Aufzug, mit dem er ihr offenbar beweisen wollte, daß er sehr unternehmend auszusehen wußte, wenn er auch als ernster Mann unter gewöhnlichen Umständen auf derlei Äußerlichkeiten keinen Wert legte. Sie sah ihn dann, wie er beim Mittagessen auf der Veranda saß zwischen ihrem Sohn und ihrem Geliebten, bald an den einen, bald an den andern mit oberlehrerhafter Wichtigkeit das Wort richtend — und sah ihn in seiner ganzen lächerlichen Ahnungslosigkeit, die sie dazu gereizt hatte, in frecher Laune unterm Tisch mit ihrem Fritz zärtliche Händedrücke zu tauschen. Noch am selben Abend war er wieder abgereist, da er mit Freunden in Bozen zusammentreffen sollte; und obwohl Beate ihn zum Verweilen nicht aufgefordert hatte, schien er beim Abschied sehr aufgeräumt und hoffnungsvoll, denn in der übermütigen Stimmung jenes Sommertages hatte sie’s auch ihm gegenüber an aufmunternden und verheißenden Blicken nicht fehlen lassen. Nun tat ihr auch dies leid, wie so vieles andere, und sie sah der nächsten Unterredung mit ihm um so unsicherer entgegen, als ihr das allmähliche Schwinden ihrer Willenskraft in der tiefen Abspannung dieser Stunde besonders schmerzlich bewußt ward. Mit gleicher Beschämung erinnerte sie sich jenes Gefühls von Hilflosigkeit, das sie während ihrer letzten Gespräche mit Direktor Welponer manchmal überkommen hatte; und doch schien es ihr, daß sie, vor eine Wahl gestellt, sich eher als die Gattin des Direktors denken könnte, ja sie mußte sich gestehen, daß diese Vorstellung eines gewissen Reizes für sie nicht entbehrte. Heute war ihr sogar, als hätte dieser Mann sie seit jeher interessiert; und was der Baumeister in der letzten Zeit von großartigen Spekulationen und Kämpfen des Bankdirektors erzählt, in denen er gegen Minister und Mitglieder des Hofes den Sieg davongetragen hatte, war durchaus geeignet gewesen, Beatens Neugier und Bewunderung zu erregen. Übrigens hatte auch Doktor Teichmann ihn gesprächsweise ein Genie genannt und ihn in der Kühnheit seiner Unternehmungen, was für Teichmann jederzeit das Höchste bedeutete, mit einem todesmutigen Reitergeneral verglichen. So durfte es Beaten wohl ein wenig schmeicheln, wenn gerade dieser Mann sie zu begehren schien, ganz abgesehen von der Genugtuung, die es ihr bereiten würde, der Frau den Mann zu nehmen, die ihr einmal den ihren geraubt hatte. Mir den meinen? fragte sie sich mit verwirrtem Staunen. Was ist mir nur? Wo gerate ich hin? Glaube ich es denn? Es kann ja nicht wahr sein. Alles andere, aber nicht das. Davon hätte ich doch etwas merken müssen. Merken müssen? Warum? War Ferdinand nicht ein Schauspieler und ein großer dazu? Warum sollte es nicht geschehen sein, ohne daß ich es gemerkt habe? Ich war ja so vertrauensvoll, da ist’s wohl nicht schwer gewesen, mich zu betrügen. Nicht schwer … Aber darum muß es noch nicht geschehen sein. Fritz ist ein Schwätzer, ein Lügner, und auch die Gerüchte sind lügnerisch und dumm. Und wenn es doch geschehen ist, nun, so ist es lang vorbei. Und Ferdinand ist tot. Und die damals seine Geliebte war, ist eine alte Frau. Was geht mich all dies Vergangene an? Was jetzt zwischen dem Direktor und mir sich abspielt, ist eine ganz neue Geschichte, die mit jener vergangenen nichts mehr zu tun hat. Wahrhaftig, dachte sie weiter, es wäre so übel nicht, eines Tages dort oben einzuziehen in die fürstliche Villa mit dem großen Park. Welcher Reichtum, welcher Glanz! Und welche wunderbaren Aussichten für Hugos Zukunft! … Freilich, jung war er nicht mehr. Und das kam immerhin einigermaßen in Betracht, besonders wenn man so verwöhnt war wie sie in der letzten Zeit. Ja, gerade im Laufe dieses Sommers, im Laufe dieser letzten Wochen schien er sonderbar rasch zu altern. Ob daran nicht die Liebe zu ihr mit schuld war? Nun, was tut’s? Es gibt ja Jüngere auch, man wird ihn eben betrügen; es ist offenbar sein Los. Sie lachte kurz, es klang häßlich und bös, und sie fuhr auf wie aus einem wüsten Traum. Wo bin ich? Wo bin ich? flüsterte sie vor sich hin. Sie rang die Hände himmelwärts. Wie tief noch läßt du mich sinken! Gibt es denn keinen Halt mehr? Was ist’s denn, was mich so elend macht und so erbärmlich? Was macht, daß ich überallhin ins Leere greife und nicht besser bin als Fortunata und alle Weiber dieser Art? Und plötzlich mit versagendem Herzschlag wußte sie’s, was sie elend machte: der Boden, auf dem sie jahrelang in Sicherheit dahingewandelt, schwankte, und der Himmel dunkelte über ihr: der einzige Mann, den sie je geliebt, ihr Ferdinand, war ein Lügner gewesen. Ja … sie wußte es nun. Sein ganzes Leben mit ihr war Trug und Heuchelei gewesen; mit Frau Welponer hatte er sie betrogen und mit anderen Frauen, mit Komödiantinnen und Gräfinnen und Dirnen. Und wenn in schwülen Nächten der matte Zauber des Nebeneinanderseins ihn in Beatens Arme gedrängt hatte, so war es von allen Lügen die schlimmste und niedrigste gewesen, denn an ihrer Brust, sie wußte es, hatte er der andern, all der andern in lüsterner Tücke gedacht. Warum aber wußte sie es mit einemmal? Warum? Weil sie nicht anders, nicht besser gewesen war als er! War es denn Ferdinand gewesen, den sie in ihren Armen hielt, der Komödiant mit der roten Nelke, der oft genug erst um drei Uhr morgens, nach Weine riechend, aus der Kneipe nach Hause kam? Der großrednerisch mit trüben Augen leere und unsaubere Dinge schwatzte? Der als junger Mensch von Gnaden einer alternden Witwe seine vornehmen Passionen bestritten und in lustiger Gesellschaft zärtliche Briefchen vorgelesen hatte, die ihm verliebte Närrinnen in die Garderobe sandten? Nein, den hatte sie niemals geliebt. Dem wäre sie ja davongelaufen im ersten Monat ihrer Ehe. Der, den sie liebte, war nicht Ferdinand Heinold gewesen; Hamlet war es, und Cyrano und der königliche Richard und der und jener, Helden und Verbrecher, Sieger und Todgeweihte, Gesegnete und Gezeichnete. Und auch der unheimlich Glühende, der einst in verhangener Sommernacht aus dem verschwiegenen Dämmer des Ehgemachs sie mit sich in den Garten gelockt zu unsäglichen Wonnen, das war nicht er gewesen, sondern irgendein geheimnisvollgewaltiger Geist aus den Bergen, den er spielte, ohne es zu wissen — spielen mußte, weil er ohne Maske nicht zu leben vermochte, weil ihn davor geschauert hätte, im Spiegel ihres Auges je sein wahres Gesicht zu erblicken. So hatte sie ihn immer betrogen, wie er sie, — hatte stets, eine Verlorene

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