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legen wollte. Welche Fortsetzung war da noch möglich? Ein Faust, der sich nicht der Magie ergab, der keinen Bund mit dem Teufel schloß, sondern sich unmittelbar an die Natur gewendet hätte, war kein Faust mehr. Der Dichter mußte seinen subjectiven Standpunkt der Sage gegenüber aufgeben, und nachdem er seiner eigenen Empfindung ein Zugeständnis gemacht und sie so uns hatte ahnen lassen, mit richtigem Takte zu der Überlieferung zurückkehren. Der klare Blick des Dichters durfte seinem Helden nicht gegeben werden. Erst viel später sollte ihm die Erkenntnis werden:

      Könnt' ich Magie von meinem Pfad entfernen,

      Die Zaubersprüche ganz und gar verlernen,

      Stünd' ich, Natur, vor dir ein Mann allein,

      Da wär's der Mühe wert, ein Mensch zu sein.[33]

      Jetzt darf aber Faust diesen Gegensatz zwischen Natur und Magie noch nicht fassen, wie er den zwischen Natur und Wissen nach langer bitterer Erfahrung erkannt hat[34]. Er muß glauben, in der Magie die Natur als Lehrerin zu finden.

      Faust wendet sich dem Zauberbuch zu, das vor ihm liegt. Sollte es ihm genügende Führung auf seinem Wege zur Erkenntnis sein? Wird er dann nicht den Lauf der Sterne erkennen? Wird er also nicht auch hier die Natur finden, die ihn unterweise?

      Mit feinem Geschick führt der Dichter den Begriff der Natur hier ein; Natur kann man ja beides nennen und sind ja auch beide, die alchemistische wie die in der Auffassung und dem Sinn seiner Zeit. Damit ist zugleich die Verbindung zwischen dem zweiten und dem dritten Teile hergestellt.

      Scherer stellt hier die Frage, warum Faust nicht schon längst das Zauberbuch aufgeschlagen habe, warum er nur eine Minute länger in dem qualvollen Zustand des Nichtwissens geblieben sei?[35] Sei es denkbar, daß er es so lange besessen und es nie ordentlich betrachtet habe? Daraus, daß er es jetzt erst betrachte, zieht er den Schluß, daß er es jetzt erst erhalten habe[36]; er glaubt daher, in den Zusammenhang gehöre eine Scene, in der es gebracht werde, wie es im Volksschauspiel der Fall ist. Allein diese Fragen und Bedenken Scherers sind sehr verkehrt und überflüssig[37]. Der Dichter mußte uns doch einen so wichtigen Schritt in Fausts Leben, wie es der Übergang zur Magie ist, lebendig darstellen, vor unseren Augen geschehen lassen. Er ist ja das eigentliche Thema des ganzen Monologs. Wir müssen uns doch vorstellen, daß das Stück eben von diesem Entschlusse seinen Ausgang nimmt. Es ist in feierlichster Nachtstunde. Faust sitzt unruhig auf seinem Sessel am Pult; vor ihm liegt das Zauberbuch; heute Nacht will er den großen Schritt thun, zum ersten Mal die Geister beschwören. Zunächst wiederholt er uns die Geschehnisse der Vergangenheit, die seine Absicht zur Reife gebracht, seinen Entschluß begründen. Alles Wissen hat ihn nicht zum Ziele gebracht. Klagend blickt er auf die verlorene Zeit des Lebens zurück. Ein neues Leben soll beginnen. Jetzt soll die Magie helfen! Das für seine Zukunft bestimmende Wort ist ausgesprochen, da kündet sich ihm die Natur als erste Erscheinung der Beschwörungsnacht warnend an; aber Faust versteht die Mahnung nur in Beziehung auf die eben abgethane Vergangenheit, in der er sich in grab- und kerkerähnlicher Umgebung mit allem toten Wissen gequält, um das Geheimnis des Lebens und der Schöpfung zu ergründen; noch nicht darf ihm aber klar werden, was er erst im langen Lebensgange erfahren soll, daß auch Magie ihn niemals so wenig wie das Wissen zu seinem Ziele bringen werde. Faust greift, wie er es von Anfang an beabsichtigt hatte, zu dem Zauberbuche. Was will da noch die kleinliche Frage, woher er das Buch habe, warum er es nicht schon früher aufgeschlagen habe? Der Dichter mußte doch alles nach der Erzählung des Eingangs in lebendiger Darstellung auflösen. Wie er das Buch erhalten habe, das kümmert den Dichter sehr wenig; das gehört vor die Scene, nicht in die Scene. Denn wenn auch jetzt erst mit V. 66=419 die Beschwörung beginnt, so beginnt das Stück selbst mit der Absicht und dem Entschluß, sie vorzunehmen, was Scherer nicht verstanden hat.

      Ganz und gar mißverstanden hat Scherer den Dichter noch in einem anderen Punkte, und dies ist auch der Grund, weshalb er die zweite Partie mit V. 74 = 427 ansetzt, sie also mitten in einem Satze abschliessen läßt. Obwohl im V. 66 = 419 mit dem: Und dies geheimnisvolle Buch———ein deutlicher Übergang gemacht wird, und damit das in der zweiten Partie angeschlagene Motiv von der Flucht zur Natur aus den angegebenen Gründen fallen gelassen wird, glaubt Scherer trotzdem, Faust denke auch hier noch (V. 66-74 = 419-427) daran, fortzugehen. Er hat nämlich im V. 68 = 420 die Worte: »Ist Dir das nicht Geleit genug?« völlig verkehrt aufgefaßt, insofern er glaubt, das Buch solle ihm als Begleiter auf seinem Gange dienen, um draußen die Beschwörung zu beginnen[38]! Aber nicht auf seinem Gange zur Natur draußen soll ihn das Buch begleiten, sondern auf dem Wege, den er jetzt einschlagen will, der ihn mittelbar auch zu ihr geleiten soll. Scherer hat also auch nicht vermocht auseinanderzuhalten, daß die Natur in V. 70 = 423, die er in dem Zauberbuch zu finden hofft, etwas anderes sei, als die Natur draußen, die ihm im 2. Teile in ihrer Herrlichkeit erschienen war, daß aber zugleich der gleiche Begriff dem Dichter eine vortreffliche Brücke zum Übergang und zur Rückkehr zu dem Thema des ersten Monologs schlage. Das gibt natürlich eine Kette von Mißverständnissen; so muß er auch annehmen, die Beschwörung solle im Freien geschehen, daher er sich denn billig verwundern muß, wenn nachher (V. 75 = 428) Faust gar nicht fortgehe, um Geister zu beschwören.

      Doch zurück zu dem Dichter! Ehe Faust das Zauberbuch aufschlägt, um die geheimnisvollen Zeichen zu betrachten, die er zur Beschwörung gebrauchen will, überlegt er, wie er sich zu ihnen verhalten solle. Nicht durch trockenes Sinnen will er sie ergründen, sondern sich unmittelbar an die Geister selbst wenden, deren Zeichen er erblicken wird. Auch hier erkennen wir wieder den modernen Dichter. Das Zauberbuch spielt bei ihm nur eine nebensächliche Rolle; es bietet die Zeichen dar; an die Geister will sich Faust dann ohne weiteres richten, ohne dazu sich der krausen Beschwörungsformeln zu bedienen. Denn sie schweben neben ihm; was bedarf es da der Bereitung? Wie nun aber vorher dem Begriff der Natur eine doppelte Geltung geliehen war, weiß Goethe auch hier den Geisterglauben doppelsinnig zu verwerten. Der Alchemist glaubte an Elementargeister, die die ganze Natur erfüllen; der moderne empfindende Dichter fühlt ebenfalls die Natur überall von lebendigem Geisterhauch umweht; ihm ist es zu einer festen, dichterischen Vorstellung geworden, daß allem in der Natur ein Geist einwohne, es umschwebe. Dieser schöne Glaube, der in einem lebendigen Naturgefühl wurzelte, war damals wieder aufgelebt, da man wieder die Welt mit dem Gefühl zu erfassen begonnen hatte. Wir finden ihn an vielen Stellen in der Dichtung des jungen Goethe aufs glücklichste verwertet; auch der wieder lebendig gewordene Glaube an den Genius[39] gehört hierher. So heißt es in dem Wanderer (1772) von dem Geist der Vergangenheit:

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