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sich nicht, dass seine Tante trotz der sommerlichen Temperaturen vor einem Feuerchen saß.

      »Ist es schon Zeit für den Tee?«, fragte die alte Dame über die Schulter, denn Tante Ludovica glaubte, ihre Zofe sei hereingekommen.

      Gerhard schmunzelte und näherte sich dem Sessel auf Zehenspitzen. Von hinten legte er die Hände über die Augen der Gräfin und lachte verhalten.

      »Das darf doch nicht wahr sein!«, rief die alte Dame, die den Neffen sofort am Klang der Stimme erkannt hatte.

      »Du Schlingel hast endlich nach Hause gefunden?«

      Gerhard zog sich einen Sessel neben den der Tante, setzte sich und nahm ihre Hände. »Ich freue mich, dich gesund wiederzusehen, Tante.«

      »Soo?« Sie musterte ihn misstrauisch. »Und was ist aus deiner Leidenschaft geworden? Deine rassige Schönheit, von der du mir am Telefon erzählt hast?«

      Gerhard seufzte. Das war Tante Ludovica. Sie steuerte stets ohne Umschweife aufs Ziel zu. Da gab es kein Herausreden oder Totschweigen, sie wollte alles genau wissen.

      »Meine Leidenschaft?«, wiederholte er gedehnt. »Drücken wir es doch anders aus, Tante. Ich liebe die Contessa Silvia, und ich werde sie auch zu meiner Frau machen.«

      Das Buch, das auf den Knien der Gräfin gelegen hatte, fiel polternd zu Boden. Sie öffnete die Lippen, doch sie brachte keinen Ton hervor.

      »Nun schau mich nicht so entsetzt an«, bat Gerhard. »Silvia ist nicht reich, dafür aber sehr schön. Und ich liebe sie, Tante Ludovica. Bitte, behandele sie höflich, wie es ihr gebührt.«

      »Was?« Die Gräfin schnappte nach Luft. »Willst du mir damit sagen, dass diese Frau hier auf Pallenberg oder in näherer Umgebung ist?«

      Tante Ludovicas rechte Hand umklammerte den Knauf des Gehstockes. Wütend stampfte sie mit dem Stock auf den Boden auf, ihre grauen Augen schleuderten zornige Blitze.

      »Ich habe sie als meine Gäste im Westflügel untergebracht.«

      »Was heißt Gäste?«, fauchte die alte Dame.

      »Ihr Cousin und ihre Kinderfrau sind auch hier«, erklärte der junge Graf ruhig.

      Die alte Dame schüttelte den Kopf und betrachtete ihren Neffen, als sei er nicht zurechnungsfähig. Ihr war es gleichgültig, wen er alles mitgebracht hatte. Sie dachte nur an Ulrike, die sich so sehr auf das Wiedersehen mit Gerhard gefreut hatte.

      »Musst du sie denn gleich heiraten?«, fragte sie mürrisch.

      »Du denkst an Ulrike?«

      »An wen denn sonst?«, wetterte die Gräfin laut. »Du hast dem Mädel doch Hoffnung gemacht. Du wolltest dich Weihnachten mit ihr offiziell verloben. Du hast …«

      »Bitte, Tante Ludovica, ich bin kein Schuljunge mehr«, unterbrach er sie schroffer als beabsichtigt.

      »Dann benimm dich auch entsprechend«, herrschte sie ihn an. Die Gräfin war nicht bereit, auch nur einen Schritt vor ihm zurückzuweichen. Angriff war für die alte Dame immer noch die beste Verteidigung.

      Außerdem hoffte die Gräfin, Gerhard noch zur Vernunft zu bringen, wenn sie ihm ordentlich den Kopf wusch.

      »Das tue ich.« Gerhard stand auf und holte sich das Zigarettenkästchen vom Kaminsims. Er zündete sich eine an und fuhr fort: »Ich möchte mich nicht mit dir streiten, Tante. Mit Ulrike werde ich reden, sobald ich Zeit dazu habe. Meine Gefühle haben sich geändert. Das wird Ulrike akzeptieren müssen. Es tut mir leid, dass unser erstes Beisammensein auf diese Weise verläuft. Silvia, Maria und Marco sind heute Abend bei Tisch meine Gäste. Ebenso während der nächsten Tage. Ich bitte dich, Tante Ludovica, sei höflich zu ihnen, auch wenn du sie nicht ausstehen kannst.«

      Graf Gerhard stand neben ihrem Sessel und schaute auf die alte Dame herab. Sie bebte vor Zorn, doch offensichtlich ruhig bat sie: »Lass mich bitte allein. Ich muss über vieles nachdenken.«

      »Wie du willst.« Gerhard ging zur Tür. Er wartete darauf, dass Tante Ludovica ihn zurückrief, doch als nichts dergleichen geschah, zog er die Tür unsanft hinter sich zu.

      Der Graf ging nicht sofort zum Westflügel hinüber. Er begab sich in die Bibliothek und ließ sich von Philip eine kleine Karaffe Wein bringen.

      Gerhard von Permont hatte nicht erwartet, dass Tante Ludovica Silvia mit offenen Armen aufnehmen würde, aber er hatte auch nicht mit einer derartigen Ablehnung gerechnet.

      »Wer nicht für mich ist, ist gegen mich«, sagte der junge Graf düster. Er war nicht bereit, sich den Wünschen seiner Tante zu beugen, auch wenn er sie wie eine Mutter liebte und verehrte. Für sein Lebensglück war er allein verantwortlich.

      *

      Am Abend hatte Gräfin Ludovica es vorgezogen, in ihrer Suite zu speisen.

      Silvia und ihre Freunde hatten Gerhard kein Wort geglaubt, als er ihnen mitgeteilt hatte, dass seine Tante sich nicht wohlfühlte.

      Doch das war für Silvia im Grunde nicht wichtig. Sie ahnte, dass Gerhards Tante sich schlichtweg geweigert hatte, mit den neuen Bekannten ihres Neffen zu speisen.

      Doch über diese Vermutungen schwieg Silvia sich aus. Ihr war es völlig gleichgültig, ob eine alte Frau ihr Beachtung schenkte oder nicht.

      Silvia de Mirandola genoss das Leben auf dem Schloss, und das Hausmädchen Liesel hatte alle Hände voll zu tun, die eigenwilligen Wünsche der Contessa zu erfüllen.

      Am nächsten Morgen erwachte Silvia schon zeitig. Sie schlüpfte in ihren rohseidenen Morgenmantel und verließ ihre Suite. Eigentlich wollte sie Marco einen Besuch abstatten, sie unterließ es jedoch, als sie eine blonde Frau mittleren Alters über den Flur gehen sah.

      »Hallo, Sie da?!«, rief Silvia. »Äh, wie heißen Sie?«

      »Amanda«, antwortete die andere, blieb stehen und musterte Silvia aufmerksam. Natürlich hatte die alte Gräfin lauthals in ihrer Suite gegen die Gäste ihres Neffen gewettert, und Amanda war bestens informiert.

      »Bringen Sie mir bitte ein Glas heiße Milch«, forderte Silvia in einem Ton, der Amanda das Blut in die Wangen trieb.

      »Dazu ist Liesel da«, erwiderte sie und wollte sich abwenden.

      »Sie!«, rief Silvia wütend und ging der Zofe nach. »Ich bin mit Graf Gerhard eng befreundet. Ich werde ihm berichten, wie unmöglich Sie sich benehmen.«

      Gelassen drehte Amanda sich noch einmal zu Silvia um. »Verzeihen Sie, Contessa, aber ich bin die Zofe der Gräfin. Ich bin nur ihr verantwortlich. Wenn Sie Beschwerden haben, so richten Sie sie bitte an Gräfin Ludovica. Guten Tag.« Die Zofe neigte hoheitsvoll den Kopf und ging.

      Silvia stampfte mit einem Bein auf. Sie zitterte vor Wut. Diese Zofe hatte sie wie ein dummes Mädchen behandelt!

      »Der werde ich es zeigen«, stieß sie zwischen schmalen Lippen hervor. Sie ging wieder zu ihrem Zimmer zurück, um nach Liesel zu läuten.

      Da hörte Silvia Schritte auf dem Flur. Sie hastete zur Tür ihrer Suite zurück und schaute auf den Flur hinaus. Silvia stieß einen Freudenruf aus, als sie Gerhard auf sich zukommen sah.

      Der junge Graf trug ein hellgraues sportliches Seidenhemd, das am Hals offen stand, dazu Breeches in dunklerem Grau und hohe schwarze Stiefel.

      Gerhard hielt einen Strauß dunkelroter Rosen im Arm. »Guten Morgen, du Langschläferin.« Er legte der Contessa die Rosen in den Arm und küsste sie auf den Mund.

      Silvia erwiderte seine Zärtlichkeit nur flüchtig, drückte ihm die Rosen wieder in die Hand, drehte sich um und ging in ihre Suite zurück.

      Dort setzte sie sich in einen Sessel und stützte den Kopf in eine Hand. Von unten herauf starrte sie Gerhard, der ihr gefolgt war, wütend an.

      »Liebes, was ist geschehen?«, fragte er und kniete sich neben den Sessel. »So kenne ich dich gar nicht. Sag mir doch, was dich bedrückt oder verärgert hat.«

      »Ach

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