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bist ein verdammt glücklicher Kerl“, hatte Sir Henry Stainer gesagt, und der Neid in der Stimme seines Freundes war äußerst befriedigend gewesen.

      Er fragte sich nun, ob Sir Henry die Verlassene aufnehmen würde. Aber wenn es nicht Stainer wäre, dann gäbe es ein Dutzend andere, die nur zu bereit wären, um die Gunst einer Französin zu werben, die eine ganze Reihe junger Männer aus der Gesellschaft gefesselt hatte.

      Und trotzdem will ich sie nicht länger, dachte Lord Melburne.

      „Zur Hölle mit ihr“, sagte er laut. „Zur Hölle mit allen Frauen!“

      Er wußte, es war absurd, daß er sich an der Szene schuldig fühlte, die gerade stattgefunden hatte. Er wußte, es war Liane, nicht er, die sich nicht an die Regeln hielt.

      Das Abkommen zwischen einem Gentleman und seiner Mätresse sollte ein reines Geschäft sein. Man genoß die Gesellschaft des anderen; es war die Aufgabe einer Frau, so faszinierend wie möglich zu sein und mit allen erdenklichen Mitteln die größtmögliche Summe für ihre Gunst zu erzielen. Aber es hatte keine Liebe oder verletzte Gefühle zu geben.

      Und doch - wenn es um Buck Melburne ging, wurden alle Regeln vergessen. Schon als kleinen Jungen hatte man ihn Buck genannt. Selbst seine Verwandten konnten sich kaum an seinen richtigen Namen erinnern.

      Es war ein Spitzname, den er bekommen hatte, als er zum ersten Mal in einem Satinanzug mit Kniehosen erschien und diesen bereits im Alter von sechs Jahren so trug, daß ein Freund seines Vaters ausrief: „Er sieht schon jetzt wie ein Geck aus!“

      Der Name war hängengeblieben, und er war zweifellos äußerst passend. Der Prince of Wales kleidete sich wie er, mit einfachen, gut geschnittenen Anzügen und sorgfältig gebundenen Krawatten.

      Und auch aus anderen Gründen war sein Name bekannt: Niemand im ganzen Land konnte einen Wagen so gut lenken wie er; er saß im Sattel wie kein zweiter; er schoß und boxte wie ein Professioneller.

      Buck Melburne war der gefragteste, am meisten beneidete und unwiderstehlichste Mann in London.

      Im Berkeley Square verließ er den Wagen und betrat die Halle seines Londoner Hauses. Er übergab Hut und Stock dem Butler.

      „Ich werde morgen vormittag um halb zehn nach Melburne fahren, Smithson“, sagte er. „Bestelle meinen Reisewagen und sage Hawkins, er soll mit dem Gepäckwagen vorausfahren.“

      „Sehr wohl, Mylord“, antwortete der Butler. „Hier ist eine Nachricht für Eure Lordschaft.“

      „Eine Nachricht?“ Lord Melburne nahm den Umschlag von dem silbernen Tablett, das ihm der Butler reichte.

      Schon bevor er ihn an sich nahm, wußte er, von wem er kam. Er blickte finster vor sich hin, als er sich zur Bibliothek begab, wo er sich gewöhnlich aufhielt, wenn er allein war.

      Ein Lakai eilte herbei, um ihm die Tür zu öffnen, und er betrat den langen, von Bücherborden gesäumten Raum, der mit seinen Lapislazuli-Säulen und den geschnitzten, vergoldeten Simsen einer der schönsten Räume Londons war.

      „Wein, Mylord?“ fragte der Diener.

      „Ich bediene mich selbst“, antwortete Lord Melburne.

      Nachdem sich die Tür hinter dem Diener geschlossen hatte, stand Lord Melburne einen Augenblick da und starrte auf den Umschlag in seiner Hand. Er wußte nur zu gut, von wem er war, und er fragte sich, ob dies die Lösung der Probleme wäre, über die er in der Kutsche nachgedacht hatte. Sollte er heiraten? Würde dieser Zustand sich als erfreulicher oder zumindest ruhiger erweisen als der jetzige?

      Langsam, fast zögernd öffnete er den Brief. Lady Romayne Ramseys Handschrift war elegant und weiblich, und doch würde jeder, der etwas von diesen Dingen verstand, bemerkt haben, daß eine gewisse Entschlossenheit aus den feinen Schriftzügen sprach.

      Die Nachricht war kurz.

      „Mein lieber Cousin,

      ich hatte erwartet, Dich heute abend zu sehen, aber ich wurde enttäuscht. Es gibt viele Dinge, über die ich mit Dir sprechen möchte. Komme morgen um fünf Uhr. Dann werden wir allein sein.

      Deine Romayne.“

      Obwohl die Nachricht nichts enthielt, was den Ärger Seiner Lordschaft erregen konnte, knüllte er das Blatt Papier zusammen und warf es in die Flammen des Kamins.

      In diesem Moment wurde ihm klar, daß Romayne Ramsey ihn zu heiraten beabsichtigte. Sie hatte ihre entfernte Verwandtschaft zum Anlaß genommen, ihn in ihren engsten Freundeskreis einzubeziehen, lange bevor er selbst wußte, ob er dies wollte oder nicht.

      Aber man konnte nicht klagen, denn Lady Romayne war seit Jahren die schönste und beeindruckendste Frau in Carlton House.

      Schon als Kind war sie mit Alexander Ramsey, einem reichen Gutsherrn, verheiratet worden, der jedoch auf der Jagd verunglückte, so daß sie noch vor ihrem dreiundzwanzigsten Geburtstag Witwe wurde. Vor Ablauf der offiziellen Trauerzeit hatte sie in London ein Haus eingerichtet. Sie war hübsch, lebhaft, gescheit - und reich, und sie hatte Buck Melburne zu ihrem Ehemann auserwählt.

      Er war zu erfahren, um dies nicht zu bemerken. Sie würde zweifellos mit dem Melburne-Schmuck bezaubernd aussehen und sein Haus mit ihrer Eleganz bereichern.

      Er war nahe daran gewesen, ihrer Versuchung zu erliegen, der unausgesprochenen Einladung in ihren Augen, der Art, in der sie ihn nach einer Gesellschaft noch in ihr Haus einlud, in dem Kerzen in der offenen Tür ihres Schlafzimmers brannten.

      Aber die Falle war zu offensichtlich. Er wollte nicht genau das tun, was man von ihm erwartete, nicht einem Plan erliegen, der bis ins kleinste Detail vorbereitet war und dessen unvermeidliches Ende er nur zu gut kannte.

      „Verflucht, ich will selber jagen“, sagte er einmal, nachdem er Lady Romayne verlassen hatte.

      Sie sprachen nicht darüber und doch wußten beide, daß sie sich wie Duellanten gegenüberstanden. Sie hatte den Angriff übernommen, er verteidigte nicht sein Leben, aber seine Freiheit.

      Trotzdem schlief Lord Melburne gut und war überraschend guter Laune, als er sich am nächsten Morgen auf den Weg nach Melburne machte. Er freute sich, das Haus seiner Kindheit, das ihn stets von neuem entzückte, wiederzusehen.

      Das große Haus war von seinem Vater fast völlig neu aufgebaut worden und stand neben älteren, kleineren Herrenhäusern, die ganze Generationen von Melburnes beherbergt hatten.

      Melburne! Es war seltsam, daß der eigentliche Grund seines Kommens nun Sir Roderick Vernon war, sein nächster Nachbar und ein alter Freund seines Vaters.

      Sir Roderick war ein wichtiger Bestandteil seiner Kindheit gewesen. Kaum ein Tag war vergangen, an dem nicht Sir Roderick mit seinem Sohn Nicholas nach Melburne kam oder Buck seinen Vater nach Priory begleitete. Die beiden alten Männer hatten zwar über ihre Ländereien und Grenzangelegenheiten gestritten, waren aber doch Freunde geblieben bis zum Tode seines Vaters.

      Sir Roderick mußte nun fast zweiundsiebzig Jahre alt sein. Lord Melburne hatte gehört, daß Sir Roderick kränkelte und fragte sich, ob er vielleicht bereits im Sterben liege. Nun machte er sich Vorwürfe, daß er nicht schon früher gefahren war. Der Brief schien dringend zu sein, und doch war ihm Liane wichtiger erschienen.

      Er versuchte, sich an den Brief zu erinnern. Er war von einer Frau geschrieben, Clarinda Vernon. Wer war sie?

      Sir Roderick hatte keine Tochter, und als er das letzte Mal auf Priory gewesen war, hatte er dort nur den alten Mann angetroffen. Nicholas verließ London nur selten, um nach den Ländereien zu sehen, die er einmal erben sollte.

      Er war eine Enttäuschung für seinen Vater gewesen. In London war er in schlechte Gesellschaft geraten. Lord Melburne sah ihn fast nie - und wenn, dann versuchte er, ihm aus dem Weg zu gehen.

      Wie hatte sie in dem Brief geschrieben?

      „Mein Onkel, Sir Roderick Vernon, ist krank und möchte Sie dringend sehen. Darf ich Sie um Ihren Besuch bitten, sobald er Ihnen genehm ist?

      Ihre

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