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Epochen wie ein Komet am Himmel wieder erscheint«, antwortete ein Anhänger von Ballanche.

      »Wozu die Vorsehung ergründen wollen?« versetzte Canalis, ein Balladenfabrikant.

      »Oh, was die Vorsehung angeht!« unterbrach ihn der Nörgler; »ich kenne in der Welt keinen Begriff, der dehnbarer ist.«

      »Was wollen Sie, Monsieur! Ludwig XIV. hat, um die Wasserleitungen von Maintenon graben zu lassen, mehr Menschen ums Leben gebracht als der Konvent, um die Steuern gerecht zu verteilen, die Vereinheitlichung der Gesetze herzustellen, Frankreich zu nationalisieren und die Erbschaften gleichmäßig zu verteilen«, sagte Massol, der Republikaner geworden war, weil ihm ein Wörtchen vor seinem Namen fehlte.

      »Monsieur«, wandte sich Moreau de l'Oise, ein Großgrundbesitzer, an ihn, »da Sie Blut für Wein halten, werden Sie denn diesmal jedem seinen Kopf auf den Schultern lassen?«

      »Wozu denn, mein Bester? Sind die Grundsätze der sozialen Ordnung nicht ein paar Opfer wert?«

      »Bixiou, he! Der Dingsda, der Republikaner, behauptet, daß der Kopf dieses Grundbesitzers ein Opfer wäre«, sagte ein junger Mann zu seinem Nachbarn. »Menschen und Ereignisse sind nichts«, setzte der Republikaner, von Schluckauf unterbrochen, seine Theorie fort; »in der Politik und der Philosophie gibt es nur Prinzipien und Ideen.«

      »Wie grauenhaft! So hätten Sie kein Bedenken, Ihre Freunde für ein ›wenn‹ zu töten? …«

      »Ach was, Monsieur! Der Mensch, der Gewissensbisse hat, ist der wahre Bösewicht, denn er hat einen Begriff von der Tugend; während Peter der Große und der Herzog Alba Systeme waren, und der Korsar Monbard eine Organisation.«

      »Aber kann die Gesellschaft nicht auch ohne eure Systeme und Organisationen bestehen?« fragte Canalis.

      »Oh, selbstverständlich!« rief der Republikaner.

      »Mir wird ganz übel von eurer stumpfsinnigen Republik! Man kann nicht in Ruhe einen Kapaun zerlegen, ohne an das Agrargesetz zu denken.«

      »Deine Prinzipien sind vortrefflich, mein kleiner trüffelgespickter Brutus! Aber du bist genau wie mein Kammerdiener: der Kerl ist so grausam vom Reinlichkeitsfimmel besessen, daß ich, wenn ich ihn meine Kleider nach seinem Gutdünken bürsten ließe, nackt gehen müßte.«

      »Ihr seid unvernünftige Tröpfe! Ihr wollt eine Nation mit Zahnstochern säubern«, erwiderte der Republikaner. »Wenn man euch so hört, wäre die Justiz gefährlicher als die Räuber.«

      »Holla!« rief der Advokat Desroches.

      »Sind die langweilig mit ihrer Politik!« sagte Cardot, der Notar. »Hört mir auf davon! Keine Wissenschaft noch Tugend ist einen Tropfen Blut wert. Wenn wir der Wahrheit die Rechnung aufstellen wollten, fänden wir sie vielleicht bankrott.«

      »Ach! Es hätte sicher weniger gekostet, uns im schlimmen zu amüsieren, als uns im guten herumzustreifen. Ich gäbe alle Reden, die seit 40 Jahren auf der Tribüne gehalten worden sind, für eine Forelle, eine Erzählung von Perrault oder eine Skizze von Charlet.«

      »Sie haben vollkommen recht! Reichen Sie mir die Spargel. Denn schließlich und endlich zeugt die Freiheit Anarchie, die Anarchie führt zum Despotismus und der Despotismus wieder zur Freiheit. Millionen Menschen sind ums Leben gekommen, ohne einem einzigen dieser Systeme Dauer zu verschaffen. Ist das nicht der Circulus vitiosus, in welchem sich die moralische Welt von jeher bewegt? Wenn der Mensch glaubt, etwas vervollkommnet zu haben, hat er die Dinge nur an eine andere Stelle gerückt.«

      »Oha!« rief Cursy, der Vaudevilledichter, »dann, Messieurs, trinke ich auf Karl X., den Vater der Freiheit!«

      »Warum nicht?« sagte Emile. »Wenn der Despotismus in den Gesetzen ist, findet sich die Freiheit in den Sitten, und vice versa.«

      »Trinken wir also auf die Dummheit der Macht, die uns so viel Macht über die Dummköpfe gibt!« sagte der Bankier.

      »Nun, mein Lieber, Napoleon hat uns wenigstens Ruhm gebracht!« meinte ein Marineoffizier, der niemals aus Brest herausgekommen war.

      »Ach, der Ruhm! Eine traurige Ware. Er kostet viel und hält sich nicht. Ob der Ruhm nicht das egoistische Ziel der großen Männer ist, wie Glück das der Dummen?«

      »Monsieur, Sie sind sehr glücklich.«

      »Der erste, der Trennungsgräben zog, war gewißlich ein schwacher Mensch, denn die Gesellschaft profitiert nur von den Elenden. Die beiden äußersten Pole der moralischen Welt, der Denker und der Wilde, verachten gleicherweise den Besitz.«

      »Nett das!« rief Cardot; »wenn es kein Eigentum gäbe, wie könnten wir Protokolle machen?«

      »Das sind unglaublich köstliche Erbsen!«

      »Und der Pfarrer wurde am Tag darauf tot in seinem Bett gefunden …«

      »Wer spricht vom Tod? Machen Sie keine Scherze! Ich habe einen Onkel.«

      »Sie würden es sicher ertragen, ihn zu verlieren.«

      »Keine Frage.«

      »Hören Sie, Messieurs! ›Die rechte Art, seinen Onkel umzubringen.‹ Ruhe! (Hört, hört!) Man habe einen dicken fetten Onkel, mindestens siebzigjährig, das sind die besten Onkel. (Bewegung.) Man gebe ihm unter irgendeinem Vorwand eine fette Gänseleberpastete zu essen . .«

      »Ach, mein Onkel ist leider zäh, dürr, geizig und sehr mäßig.«

      »Ja, solche Onkel sind Ungeheuer, die das Leben mißbrauchen.«

      »Und während er verdaut«, fuhr der Mann mit den Onkeln fort, »melden Sie ihm den Konkurs seines Bankiers.«

      »Und wenn er das übersteht?«

      »So hetzen Sie ein hübsches Mädchen auf ihn!«

      »Wenn er aber …?« meinte der andere mit einer verneinenden Gebärde.

      »Dann ist es kein Onkel. Die Onkel sind in der Regel lebenslustig.«

      »Die Stimme der Malibran hat zwei Töne eingebüßt.«

      »Ach, bewahre.«

      »Aber gewiß doch, Monsieur.«

      »Oh, oh! Ja und nein, ist das nicht die Geschichte aller religiösen, politischen und literarischen Abhandlungen? Der Mensch ist ein Schalksnarr, der über Abgründen tanzt!«

      »Nach Ihrer Meinung wäre ich also ein Dummkopf?«

      »Im Gegenteil, Sie verstehen mich bloß nicht.«

      »Bildung, schöner Unsinn! Monsieur Heineffettermach gibt die Zahl der gedruckten Bücher mit mehr als einer Milliarde an, und das Leben eines Menschen erlaubt ihm nicht, 150000 davon zu lesen. Erklären Sie mir also, was das Wort ›Bildung‹ bedeutet? Für die einen besteht die Bildung darin, die Namen des Pferdes von Alexander, der Dogge Berecillo, des Seigneur des Accords zu kennen, und von dem Manne nichts zu wissen, dem wir das Flößen des Holzes oder das Porzellan verdanken. Für die anderen ist ›gebildet sein‹ ein Testament verbrennen und als geachtete, angesehene Leute zu leben, anstatt rückfällig zu werden, eine Uhr zu stehlen und mit den fünf erschwerenden Umständen entehrt und gehaßt auf der Place de Grève zu enden.«

      »Wird Nathan überdauern?«

      »Nun, seine Mitarbeiter haben sehr viel Geist.«

      »Und Canalis?«

      »Das ist ein großer Mann, reden wir nicht mehr von ihm.«

      »Ihr seid betrunken!«

      »Die unmittelbare Folge einer Konstitution ist die Verflachung der Geister. Künste, Wissenschaften, Bauwerke, alles wird von einem entsetzlichen Egoismus, der Lepra unserer Zeit, zerfressen. Eure 300 Bürger, die auf Bänken hocken, werden nur daran denken, Pappeln zu pflanzen. Der Despotismus verrichtet illegal große Dinge, die Freiheit macht sich nicht einmal die Mühe, sehr kleine auf legale Weise zu tun.«

      »Eure allgemeine Bildung fabriziert 100-Sous-Stücke aus Menschenfleisch«, unterbrach sie ein Anhänger des Absolutismus. »Die Individualitäten verschwinden bei einem Volk, das durch Bildung nivelliert ist.«

      »Ist

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