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liegt ein Aus­druck von Me­lan­cho­lie in sei­nem Ge­sicht, mei­ne Lie­be, so­dass ich glau­be, er wür­de sich vor­treff­lich als Ker­zen­trä­ger bei ei­nem Lei­chen­be­gäng­nis eig­nen.«

      Mrs. So­wer­ber­ry blick­te ver­wun­dert auf, und ihr Gat­te fuhr eif­rig fort:

      »Ich mei­ne nicht, wenn ein Er­wach­se­ner be­gra­ben wird, son­dern bei Kin­der­be­stat­tun­gen. Es wäre eine ganz neue Idee, und ich glau­be, sie müss­te sich ganz vor­treff­lich durch­füh­ren las­sen.«

      Mrs. So­wer­ber­ry, die in ge­schäft­li­chen Din­gen einen großen Scharf­blick be­saß, er­kann­te so­fort, dass der Ge­dan­ke eben­so vor­züg­lich wie neu war. Da sie sich aber in ih­rer Wür­de nichts ver­ge­ben woll­te, frag­te sie nur spitz, wes­halb denn ihr Herr Ge­mahl eine so na­he­lie­gen­de Idee nicht schon längst ge­habt habe. Mr. So­wer­ber­ry, der dies ganz rich­tig als eine Zu­stim­mung zu sei­nem Vor­schlag deu­te­te, ord­ne­te dem­ge­mäß an, dass Oli­ver un­ver­züg­lich in die Mys­te­ri­en des Lei­chen­be­stat­ter­ge­schäfts ein­zu­wei­hen sei und be­reits bei der nächs­ten Ge­le­gen­heit ei­nem Be­gräb­nis bei­zu­woh­nen habe.

      Die Ge­le­gen­heit ließ nicht lan­ge auf sich war­ten. Be­reits am nächs­ten Mor­gen, un­ge­fähr eine hal­be Stun­de nach dem Früh­stück, er­schi­en Mr. Bum­ble im La­den, lehn­te sei­nen Stock ge­gen die Werk­bank, zog ein großes le­der­nes No­tiz­buch aus der Ta­sche, ent­nahm die­sem einen klei­nen Zet­tel und über­reich­te ihn Mr. So­wer­ber­ry.

      »Aha«, sag­te der Sarg­tisch­ler mit freu­di­ger Mie­ne. »Eine Be­stel­lung für Sär­ge, wie?«

      »Vor­läu­fig nur für einen Sarg«, be­stä­tig­te Mr. Bum­ble, »und au­ßer­dem für ein Ge­mein­de­be­gräb­nis.«

      »Bai­ton?« las der Lei­chen­be­stat­ter von dem Zet­tel ab und blick­te Mr. Bum­ble fra­gend an. »Den Na­men habe ich frü­her noch nie­mals ge­hört.«

      Mr. Bum­ble nick­te. »Eine wi­der­spens­ti­ge Ban­de, Mr. So­wer­ber­ry, eine sehr wi­der­spens­ti­ge Ban­de. Hoch­fah­rend sag’ ich Ih­nen, nicht zu glau­ben.«

      »Hoch­fah­rend, wie?« rief Mr. So­wer­ber­ry und grins­te. »Aber hö­ren Sie, das ist wirk­lich stark.«

      »Die Gelb­sucht könn­te man be­kom­men vor Wut«, rief der Kirch­spiel­die­ner, »amo­nia­ka­lisch kann ich Ih­nen sa­gen, Mr. So­wer­ber­ry.«

      »Stimmt, stimmt«, pflich­te­te der Lei­chen­be­stat­ter bei.

      »Wir ha­ben erst vor­ges­tern Abend von der Fa­mi­lie er­fah­ren«, be­rich­te­te Mr. Bum­ble, »und auch das nur, weil eine Frau, die mit ih­nen im sel­ben Hau­se wohn­te, beim Herrn Vor­stand bit­ten kam, man möge den Ar­men­arzt hin­schi­cken, um nach ei­ner Kran­ken zu se­hen, mit der es sehr schlecht ste­he. Der Herr Dok­tor war ge­ra­de beim Mit­ta­ges­sen, aber sein As­sis­tent – ein ver­dammt schnei­di­ger Bur­sche, sage ich Ih­nen – hat so­gleich ein Fla­sche voll Me­di­zin hin­ge­schickt.«

      »Das nenn’ ich mir ge­wis­sen­haft im Dienst«, rief der Lei­chen­be­stat­ter be­wun­dernd.

      »Ja ja, ist’s auch«, ver­setz­te der Kirch­spiel­die­ner. »Aber was glau­ben Sie, war die Fol­ge? Frech ist die Ban­de auch noch ge­wor­den. Der wert­ge­schätz­te Herr Ge­mahl von der Kran­ken hat sa­gen las­sen, die Ar­ze­nei passt nicht für sei­ne Frau, und er gibt nicht zu, dass sie so was ein­nimmt. Ich sag’ Ih­nen, eine fei­ne kräf­ti­ge Me­di­zin, die erst acht Tage vor­her zwei iri­sche Taglöh­ner und ein Koh­len­trä­ger mit bes­tem Er­folg ein­ge­nom­men ha­ben – und noch dazu in ei­ner Wichs­fla­sche, und der Kerl lässt sa­gen: sei­ne Frau nimmt so was nicht.« Em­pört ließ Mr. Bum­ble sei­nen Stock auf den La­den­tisch nie­der­sau­sen und wur­de rot im Ge­sicht wie ein Trut­hahn.

      »Nein so was«, rief der Lei­chen­be­stat­ter.

      »Ja­wohl, so was«, schrie Mr. Bum­ble. »Aber jetzt ist das Frau­en­zim­mer tot, und da heißt’s, sie un­ter die Erde brin­gen; und dar­um han­delt sich’s jetzt. Je schnel­ler die Sa­che in Ord­nung ist, de­sto bes­ser.« Da­bei setz­te Mr. Bum­ble sei­nen Drei­spitz fie­bernd vor Er­re­gung wie­der auf, an­fangs ver­kehrt und erst beim zwei­ten Male rich­tig, und stürm­te aus dem La­den.

      »Er hat sich so ge­gif­tet, Oli­ver, dass er ganz ver­ges­sen hat, nach dir zu fra­gen«, sag­te Mr. So­wer­ber­ry und blick­te dem Kirch­spiel­die­ner nach, wie er die Stra­ße hin­un­ter­stampf­te.

      Dann setz­te er sei­nen Hut auf und brumm­te: »Je schnel­ler wir das Ge­schäft ab­ma­chen, umso bes­ser. Noah, pass un­ter­des­sen auf den La­den auf. Oli­ver, nimm dei­ne Müt­ze und komm mit.« Oli­ver Twist ge­horch­te und folg­te stumm sei­nem Herrn.

      Eine Zeit lang schrit­ten sie durch den be­leb­tes­ten und be­völ­kerts­ten Teil der Stadt. Dann bo­gen sie in eine enge Gas­se ein, die von Schmutz nur so starr­te, und blie­ben ste­hen, um sich nach dem be­zeich­ne­ten Hau­se um­zu­se­hen. Die Häu­ser auf bei­den Sei­ten wa­ren hoch und mas­sig, aber sehr alt, und wur­den nur von den al­lerärms­ten Leu­ten be­wohnt, wie man zwar nicht aus ih­rem ver­nach­läs­sig­ten Aus­se­hen er­kann­te, wohl aber aus dem schmie­ri­gen Äu­ßern der paar Män­ner und Frau­en, die ge­le­gent­lich die Mau­ern ent­lang schli­chen. Ein großer Teil der Häu­ser hat­te Lä­den nach vor­ne her­aus, aber die­se Lä­den wa­ren fest ver­schlos­sen und hin­gen nur so in den An­geln. Of­fen­bar wa­ren bloß die obe­ren Stock­wer­ke be­wohnt. Bei ein­zel­nen der Bau­ten, die in­fol­ge ih­res Al­ters und ih­rer Morsch­heit gänz­lich zu zer­fal­len droh­ten, war dem völ­li­gen Ein­sturz durch mäch­ti­ge ge­gen die Mau­ern ge­lehn­te Bal­ken, die fest in den Bo­den ge­rammt wa­ren, ge­wehrt. Aber selbst die­se Rui­nen schie­nen von ob­dach­lo­sem Ge­sin­del als Schlupf­win­kel aus­er­le­sen zu sein, wie man dar­aus er­se­hen konn­te, dass vie­le der Bret­ter, die die Stel­le von Tü­ren und Fens­tern ver­tra­ten, so aus­ein­an­der­ge­ris­sen wa­ren, dass sich ein Zu­gang bil­de­te, durch den ein Mensch nö­ti­gen­falls hin­durch­schlüp­fen konn­te. Die Rinn­stei­ne wa­ren ver­stopft und voll Kot; – selbst die Rat­ten, die tot in dem Un­rat ver­wes­ten, mach­ten den Ein­druck, als ob sie Hun­gers ge­stor­ben sei­en.

      An der of­fe­nen Türe, an der Oli­ver und sein Herr halt mach­ten, war we­der ein Klop­fer, noch ein Klin­gel­griff zu se­hen. Vor­sich­tig tapp­ten sie sich einen dunklen Gang ent­lang und stie­gen zum ers­ten Stock em­por. Oli­ver ging da­bei im­mer hin­ter Mr. So­wer­ber­ry her, der ihm zu­re­de­te, sich nicht zu fürch­ten, bis er end­lich im Gang ge­gen eine Türe stol­per­te und an­klopf­te.

      Ein jun­ges Mäd­chen, un­ge­fähr drei­zehn oder vier­zehn Jah­re alt, öff­ne­te ih­nen. Für den Lei­chen­be­stat­ter ge­nüg­te ein Blick in das Zim­mer, um zu wis­sen, wo­hin er sich zu be­ge­ben habe. Er trat ein, und Oli­ver folg­te ihm.

      Vor ei­nem mit kal­ter Asche ge­füll­ten Ka­min kau­er­te ein Mann, und ein al­tes Weib hat­te auf ei­nem Sche­mel ne­ben ihm Platz ge­nom­men. In ei­nem an­de­ren Win­kel hock­ten ein paar in Lum­pen gehüll­te Kin­der her­um, und in ei­nem klei­nen Bret­ter­ver­schlag der Ein­gang­stü­re ge­gen­über lag et­was auf dem Bo­den, über das ein al­tes Tuch ge­wor­fen war. Oli­ver schreck­te zu­sam­men, als er die Au­gen dort­hin wand­te, und un­will­kür­lich fühl­te er, dass das, was un­ter dem Tuch lag, eine Lei­che sein

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