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pünkt­lich ih­ren Dienst, aber das alte Ge­sicht, in dem die Fält­chen wie Sprün­ge in ei­nem gel­ben Lack stan­den, trug stets den Aus­druck ei­ner ge­dul­di­gen, hoch­mü­ti­gen Er­ge­ben­heit. Jetzt schi­en es Dora­li­ce, als käme mit den ver­schla­fe­nen Lau­ten alle Bit­ter­keit her­aus, wel­che die Alte ge­gen sie heg­te. Dora­li­ce press­te die schma­len zu ro­ten Lip­pen fest auf­ein­an­der, und wie sie dalag in dem dun­kelblau­en Klei­de mit dem großen wei­ßen Ma­tro­sen­kra­gen, die Stirn ganz ver­deckt von dem feucht­ge­wor­de­nen blon­den Haar, sah sie aus wie ein klei­nes Mäd­chen, das ge­schol­ten wird. Nein, auf die Dau­er war es un­er­träg­lich, dem Mur­ren dort im Ne­ben­zim­mer zu­zu­hö­ren. Al­les, al­les wur­de trau­rig, wur­de sinn­los, sie wuss­te nicht mehr, warum sie hier saß, warum … Und Hans, sie öff­ne­te die Au­gen und schau­te ihn an. Er hat­te den Kopf auf die Brust sin­ken las­sen, rauch­te aus sei­ner kur­z­en Pfei­fe und trank ab und zu in has­ti­gen klei­nen Zü­gen den Wein.

      »Bist du noch böse, weil du nicht Weib sa­gen sollst?« frag­te Dora­li­ce und ver­such­te zu lä­cheln. Hans hob schnell den Kopf, er be­gann zu spre­chen, aber er muss­te ei­ni­ge Male dazu an­set­zen, denn eine Er­re­gung schnür­te ihm die Keh­le zu­sam­men. »Weib oder nicht Weib, das ist doch gleich, der Ton ist es, der Ton. Wenn du den hast, dann bist du mir plötz­lich ganz weit, ganz fremd, der streicht plötz­lich al­les aus, was wir mit­ein­an­der er­lebt ha­ben. Ich freue mich dar­auf, dass es ge­müt­lich sein wird, man wird bei­ein­an­der sit­zen, man wird la­chen, man wird glück­lich sein und dann sagst du et­was und die­ser Ton ist da und es wird so­fort kalt und fremd und pein­lich, als setz­ten wir uns drü­ben im Schloss vor den wei­ßen Ser­vi­et­ten­zelt­chen mit dem al­ten Gra­fen zum Früh­stück nie­der.«

      Dora­li­ce hör­te ihm ge­spannt zu, die­se er­reg­te Stim­me, die sich über­stür­zen­den Wor­te er­wärm­ten sie. Er soll­te wei­ter spre­chen. »Wie ist die­ser Ton?« frag­te sie.

      »Wie? Wie?« fuhr Hans lei­den­schaft­lich fort. »Wenn dir et­was nicht schmeckt, dann schiebst du den Tel­ler fort und sagst feind­se­lig: ›Das will ich nicht.‹ So, so ist die­ser Ton, als ob du mich und un­se­re gan­ze ge­mein­sa­me Ge­schich­te fort­schiebst. Das kannst du ja auch, es ist ja auch dein Recht, sag es doch.«

      Dora­li­ce lä­chel­te jetzt ihr hüb­sches, strah­len­des Lä­cheln. Sie hob die Arme in die Höhe und reck­te sich: »Ach, Hans, das ist ja Un­sinn, ich bin ein­fach müde. Glaubst du, das strengt nicht an, so zwi­schen Him­mel und Meer zu schwe­ben?«

      Hans schau­te sie er­staunt an, dann be­gann auch er zu la­chen, sein lau­tes, ein we­nig un­er­zo­ge­nes La­chen. »Also das strengt dich an und ich – glaubst du, es ist leicht, fest im Was­ser zu ste­hen und eine Frau über den Wel­len zu hal­ten, die Hän­ge­mat­te zu spie­len?«

      »Du«, mein­te Dora­li­ce, »du bist ja so stark.«

      Be­frie­digt lehn­te Hans sich in sei­nen Stuhl zu­rück, goss sich Wein ein, er schüt­tel­te sich vor Ge­müt­lich­keit, als sei eine Ge­fahr glück­lich vor­über­ge­gan­gen.

      »Und all das kommt da­her«, er­klär­te Hans und stach do­zie­rend mit sei­ner Pfei­fe in die Luft hin­ein, »uns fehlt eine ge­wis­se Enge, eine Ge­bun­den­heit, Form, Form, Form, das ist es, das macht reiz­bar und un­si­cher. Von Unend­lich­kei­ten kann man nicht le­ben. Im­mer kann der eine nicht ste­hen und den an­de­ren zwi­schen Him­mel und Meer in den Mond­schein hin­ein­hal­ten. Also wir müs­sen un­ser Le­ben ein­tei­len, re­gel­mä­ßi­ge Be­schäf­ti­gung, Haus­halt, eine All­täg­lich­keit müs­sen wir ha­ben, der ewi­ge Fei­er­tag macht uns krank.«

      »Du könn­test ja wie­der ma­len«, warf Dora­li­ce hin.

      »Das wer­de ich auch«, rief Hans hit­zig, »glaubst du, ich wer­de ru­hig da­sit­zen und von dei­nem Gel­de le­ben?«

      »Ach was, das dum­me Geld.«

      »Gleich­viel, ich wer­de ar­bei­ten, ich weiß auch, was ich zu ma­len habe, ich stu­die­re mei­ne Mo­del­le, euch bei­de.«

      »Uns bei­de?«

      »Ja, dich und das Meer. Ihr bei­de müsst zu­sam­men auf ein Bild und eine Syn­the­se von dir und dem Meer, ver­stehst du?«

      »Ja so«, be­merk­te Dora­li­ce, »ob du nicht ver­suchst, zu­erst das Meer zu ma­len. Du sag­test doch, dass du mich nicht ma­len kannst.«

      Das är­ger­te Hans wie­der. »Ja dort, dort konn­te ich dich al­ler­dings nicht ma­len. Ich war be­rauscht von dir. Man muss doch sei­nem Mo­dell auch ei­ni­ger­ma­ßen ob­jek­tiv ge­gen­über­ste­hen.«

      »Stehst du mir jetzt ob­jek­tiv ge­gen­über?« frag­te Dora­li­ce ver­wun­dert.

      »Ja«, mein­te Hans, »es kommt we­nigs­tens all­mäh­lich und das ha­ben wir nö­tig, et­was Nüch­tern­heit, so eine selbst­ge­schaf­fe­ne Bür­ger­lich­keit, in die man sich fest ein­schließt. Du sprachst da vor­hin weg­wer­fend von Kar­tof­fel­sup­pe, ich möch­te sa­gen, kein Le­ben, auch das ideals­te, ist mög­lich, in dem es nicht ei­ni­ge Stun­den am Tage nach Kar­tof­fel­sup­pe riecht.« Er lach­te und sah Dora­li­ce tri­um­phie­rend an, stolz auf sei­ne Be­mer­kung.

      Dora­li­ce seufz­te: »Uff, wenn man da nur at­men kann, ganz eng, fest ein­ge­sperrt und riecht nach Kar­tof­fel­sup­pe. Eine Welt, als ob Ag­nes sie ge­schaf­fen hät­te.«

      »Bit­te«, sag­te Hans emp­find­lich, »wer da nicht at­men kann, darf hin­aus, wir sind freie Men­schen, dass wir uns selbst bin­den, ist un­se­re Frei­heit, aber kei­ner von uns ist ge­bun­den.«

      Hans schau­te Dora­li­ce be­stürzt an. Er woll­te et­was sa­gen, ver­schluck­te es je­doch. Er er­hob sich und be­gann im Zim­mer auf- und ab­zu­ge­hen, er ging schnell, stapf­te stark mit sei­nen Filz­schu­hen auf den Bo­den. Dora­li­ce folg­te ihm neu­gie­rig mit den Bli­cken. Jetzt war er zor­nig, jetzt wür­de er lei­den­schaft­lich los­bre­chen, sie freu­te sich dar­auf, sie lieb­te es, wenn er die Wor­te so heiß her­vor­spru­del­te und ein Ge­sicht mach­te wie ein zor­ni­ger Kna­be. Das hat­te ihr an ihm ge­fal­len dort in der Welt der be­stän­di­gen Selbst­be­herr­schung. Aber es woll­te nicht kom­men, im­mer noch ging er schnell und schwei­gend in dem en­gen Raum um­her. Plötz­lich blieb er vor Dora­li­ce ste­hen, knie­te nie­der mit bei­den Kni­en hart auf den Bo­den schla­gend und leg­te sei­nen Kopf auf Dora­li­cens Knie und so be­gann er zu spre­chen lei­se und kla­gend: »Wie kannst du das sa­gen, ich … ich … ich wei­se auf die Tür hin. Aber wenn du zu die­ser Tür hin­aus­gingst, dann wäre es aus, dann hät­te nichts mehr einen Sinn, dann hät­te ich kei­nen Sinn, dann hät­te die gan­ze Welt kei­nen Sinn.«

      Dora­li­ce strich mit der Hand ihm leicht über das krau­se Haar. »Nein, nein«, sag­te sie und das klang müde und mit­lei­dig zu­gleich, »zu­sam­men, wir blei­ben zu­sam­men, wir bei­de sind ja doch mit­ein­an­der ganz al­lein.«

      Hans rich­te­te sich auf, er lach­te wie­der, zu­ver­sicht­lich und tri­um­phie­rend, in­dem er Dora­li­cens Arm fass­te und ihn schüt­tel­te: »Das will ich mei­nen und ich wer­de auch da­für sor­gen, dass

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