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Psy­cho­log.«

      »Wirk­lich?«

      »Ge­wiss! Lei­den­schaft­lich! Wuss­ten Sie das nicht? So ein Blick­chen in ein Men­schen­herz – de­li­cieux. Dar­über geht mir nichts; ob Sie’s mir nun glau­ben oder nicht! Sie ver­ste­hen also? Ob­gleich ich hun­dert sol­cher Ver­wick­lun­gen schon mit an­ge­se­hen habe. Eine jede bringt doch et­was neu­es – für den Ken­ner. Da­rin bin ich Gour­mand. Was? Sie fin­den die­sen Sport grau­sam?«

      »Nein, das kann ich nicht sa­gen.«

      »Nun hö­ren Sie, Se­kre­tär­chen, et­was grau­sam ist er doch«, mein­te Klappe­kahl bit­tend. »Aber – neh­men Sie eine Men­schen­see­le – neh­men Sie einen Schmerz – bon! Ich un­ter­su­che.« – – –

      Der Se­kre­tär ward un­ru­hig. Sein oh­ne­hin lau­es In­ter­es­se schi­en ganz zu er­kal­ten. Er blick­te auf die Stra­ße – mach­te ei­ni­ge Schrit­te – blieb plötz­lich ste­hen – rück­te sein Au­gen­glas zu­recht. »Wer kommt denn da?« äu­ßer­te er.

      Klappe­kahl sah auf. »Bei Gott, lu­pus in fa­bu­la – oder hier mehr luna! Sie geht sonst nie aus.«

      »Da kön­nen Sie ihre Mis­si­on gleich be­gin­nen.«

      Rosa ging an den Her­ren vor­über, sah sie je­doch nicht, weil sie den Kopf ge­senkt hielt und ei­lig ein­her­schritt.

      »Nun«, flüs­ter­te Fei­er­gro­schen und stieß den Apo­the­ker mit dem El­len­bo­gen.

      »Ob ich?« Der Apo­the­ker zö­ger­te. »Fa­ta­le Ge­schich­te!« Er ging Rosa aber doch nach. »Gu­ten Abend, Ro­set­te«, sag­te er, als er sie ein­ge­holt hat­te, und zog den Hut vor ihr. Rosa schau­te Klappe­kahl er­schro­cken an, und die­ser ward be­fan­gen. »Wol­len Sie wei­ter­ge­hen?« schlug er vor.

      Ge­hor­sam ging Rosa wei­ter. »Ich woll­te eben zu Ih­nen hin­auf«, be­gann Klappe­kahl, »da fass­te mich der Se­kre­tär dort an der Ecke, und wir ver­plau­der­ten uns, aber, wie ge­sagt, ich war auf dem Wege zu Ih­nen.«

      »Es wäre Papa ge­wiss sehr an­ge­nehm ge­we­sen«, ent­geg­ne­te Rosa lei­se. Der Apo­the­ker mit sei­nen Re­dens­ar­ten schüch­ter­te sie heu­te ein. Was woll­te er? Wäre er doch schon fort!

      »Ihren Papa habe ich lan­ge nicht ge­se­hen«, fuhr Klappe­kahl fort – die Hän­de in den Pa­le­tot­ta­schen – mit gleich­mä­ßi­gen Schrit­ten ne­ben dem Mäd­chen ein­her­schrei­tend. »Wann doch zu­letzt? War­ten Sie. Vor­ges­tern? – Nein – gleich­viel! Heu­te aber woll­te ich nicht ei­gent­lich Ihren Papa auf­su­chen – son­dern Sie, Ro­sett­chen. Ja, ja! Zu Ih­nen woll­te ich, um mit Ih­nen von Ge­schäf­ten zu re­den.« Er schlug einen necki­schen Ton an; da Rosa aber zu Bo­den blick­te, konn­te er nicht ent­schei­den, wie die­ser Ton auf­ge­nom­men wur­de, drum ward er wie­der ernst und vä­ter­lich. »Das Ge­schäft ist eben nicht an­ge­nehm; ich habe es über­nom­men, denn wir bei­de sind ja im­mer gute Freun­de ge­we­sen, nicht?« Rosa schwieg. »Ich war von je­her Ihr al­ter Be­wun­de­rer, dar­um glaub­te ich, wir bei­de wür­den das Ge­schäft am bes­ten ab­ma­chen, ohne dass ein Drit­ter sich da hin­ein­mischt. Ich sag­te, Ro­set­te und ich wer­den al­les ord­nen. Ro­set­te ist das ge­schei­tes­te Mäd­chen ih­res Jahr­hun­derts, sie hat Ver­stand für drei. Auf Ehr! Das sag­te ich.« Er war­te­te wie­der auf eine Ant­wort. Rosa je­doch sag­te nichts. Sie wa­ren in den Stadt­gar­ten ge­langt und gin­gen über die hart­ge­fro­re­nen Kies­we­ge hin, auf de­nen das Herbst­laub ra­schel­te, wäh­rend die Fins­ter­nis im­mer dich­ter durch das brau­ne Ge­zwei­ge der ent­laub­ten Bäu­me her­ab­sank. Ein hef­ti­ger Wind weh­te hier. Klappe­kahl frös­tel­te und schlug den Kra­gen sei­nes Über­rockes auf. »Die Sa­che ist nun die«, nahm er sei­ne Aus­ein­an­der­set­zung mit sanf­ter Stim­me wie­der auf. »Der Kom­mer­zi­en­rat Tel­le­r­at schreibt mir – oder ei­gent­lich La­nin, der mir dann den Brief ge­ge­ben hat; er sieht ein, dass das Ver­hält­nis mit sei­nem Sohn – der arme Jun­ge soll zu Hau­se un­tröst­lich ge­we­sen sein, er hat es schwer ver­wun­den, das kön­nen Sie glau­ben. Gleich­viel! Der Kom­mer­zi­en­rat sieht also ein, dass das Ver­hält­nis mit sei­nem Soh­ne Ih­nen mög­li­cher­wei­se ge­scha­det ha­ben könn­te – in Ihren Plä­nen, Ih­rer Stel­lung – Ih­rer Kar­rie­re. Ganz un­recht hat er wohl nicht; das heißt, ich ur­tei­le über die­se Din­ge an­ders, aber in un­se­rem Nest – Sie wis­sen das ja eben­so gut wie ich. Der Kom­mer­zi­en­rat geht mit sei­nem Soh­ne nach Ita­li­en, schließ­lich ist eine Hei­rat in Aus­sicht ge­nom­men und so wei­ter.« Klappe­kahl hielt inne, um sei­ne psy­cho­lo­gi­schen Beo­b­ach­tun­gen an­zu­stel­len, aber die Mäd­chen­ge­stalt im schwar­zen Man­tel kämpf­te schwei­gend mit dem Win­de, und nichts ver­riet, was in ihr vor­ging. Der Apo­the­ker är­ger­te sich dar­über und be­schloss, in sei­ner Rede tro­ckener und kür­zer zu sein. »Vor­dem die­ses un­ter­nom­men wird«, fuhr er fort, »wün­schen der Kom­mer­zi­en­rat und sein Sohn ihre Schuld an Sie – Fräu­lein Rosa – ab­zu­tra­gen. Sie sind be­reit, Ih­nen eine Rei­se ins Aus­land, die Equi­pie­rung für eine Gou­ver­nan­ten­stel­le, oder was Sie sonst vor­ha­ben, zu er­leich­tern, das heißt, sie wün­schen et­was dazu bei­zu­tra­gen, dass Sie Ihren Le­bens­weg un­be­hin­dert wei­ter wan­deln kön­nen.« Die­ser Satz ge­fiel dem Apo­the­ker, er wie­der­hol­te ihn laut in den Wind hin­ein und streck­te die fünf Fin­ger aus; da sie ihm je­doch fro­ren, steck­te er sie wie­der in die Ta­sche und füg­te, we­ni­ger pa­the­tisch, hin­zu: »Ich fin­de die­ses Aner­bie­ten bil­lig. Nach mei­ner Auf­fas­sung sind Tel­le­r­ats Ih­nen das schul­dig, auch sehe ich kei­nen Grund, die­ses Aner­bie­ten nicht zu ak­zep­tie­ren. Wie ge­sagt, von Ih­rer Sei­te ist es nur das Ein­kas­sie­ren ei­ner Schuld. Das Geld soll bei mir ein­ge­zahlt wer­den. Das ist ganz ein­fach, nicht wahr? Wie­viel und so wei­ter wol­len wir be­spre­chen, wenn Sie sich im Prin­zip ent­schie­den ha­ben wer­den. Was?« Rosa schwieg und ging has­tig vor­wärts. »Ich will Sie na­tür­lich nicht drän­gen«, mein­te Klappe­kahl. »Aber die Sa­che ist durch­aus ein­fach. Geld kommt im­mer ge­le­gen.« Er wuss­te wirk­lich nicht, was er mit dem stil­len Mäd­chen be­gin­nen soll­te. Will sie das Geld? Will sie es nicht? Ist sie be­lei­digt? Ist sie froh? Kein Teu­fel konn­te dar­aus klug wer­den! Dazu noch die­ses ver­damm­te Wet­ter!

      Sie ver­lie­ßen jetzt den Gar­ten und tra­ten an den Fluss her­an. Der Mond brei­te­te eine große Hel­lig­keit über den Him­mel und das Land und ließ die­se weit und leer er­schei­nen.

      »Nun, mein lie­bes Kind«, be­gann Klappe­kahl hier wie­der zu spre­chen. »Ich habe Ih­nen die­se Af­fä­re so gut ich konn­te aus­ein­an­der­ge­setzt. Sa­gen Sie mir nur, wie Sie dar­über den­ken. Schüt­ten Sie vor mir Ihr gan­zes Herz­chen aus.« Das freund­li­che Ge­sicht, mit dem er die­se Wor­te be­glei­ten woll­te, fiel ein we­nig ver­zerrt aus, denn Lip­pen und Wan­gen wa­ren steif vor Käl­te.

      Rosa lehn­te sich mit dem Rücken ge­gen das Fluss­ge­län­der, ließ ihre Arme er­schöpft sin­ken und hob zu Klappe­kahl ihr blei­ches, kum­mer­vol­les Ant­litz auf, aus dem die Au­gen angst­voll her­vor­schau­ten. Mit lei­ser, tiefer Stim­me sag­te sie: »Bit­te – sa­gen Sie Am­bro­si­us Tel­le­r­at, dass ich nichts von ihm mag.« – Der Apo­the­ker räus­per­te sich. Er hat­te nicht er­war­tet, ei­nem so großen Schmerz ge­gen­über­zu­ste­hen. »Nun – warum denn? Ich fin­de, wenn man die Sa­che vom rich­ti­gen Stand­punk­te aus be­trach­tet« – er brach ab, denn er fühl­te, dass sei­ne ge­wöhn­li­che Be­red­sam­keit die­sem bit­ter­erns­ten

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