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dafür. Wer weiß, was er ihr weisgemacht hat!«

      Ingrids Hand fuhr erregt in die Luft und preßte sich wieder um Michaels Arm.

      »Du, Michael, mir kommt da ein Gedanke. Vielleicht trägt die Hauptschuld gar nicht der Doktor? Sieh mal, wir Frauen sind sehr empfindlich, wenn wir uns betrogen fühlen. Du hast gespürt, daß sie dich liebt. Könnte nun zum Beispiel die Hauptschuld nicht der Boy im ›Kaiserhof‹ tragen, der ihr das Märchen von deiner Frau aufgetischt hat?«

      In Michaels Augen glühte es auf. Es war, als falle ein Schleier von seinen Augen.

      »Natürlich, Ingrid«, preßte er hervor. »Es kann ja gar nicht anders sein. Ich werde sie sofort zu sprechen suchen und alles erklären.«

      Ingrid hielt ihn fest und lächelte beinahe mütterlich-weise.

      »Nicht so stürmisch, Michael. Laß sie erst ein wenig zur Besinnung kommen. Sie soll sich erst an den Gedanken gewöhnen, mit dir auf dem gleichen Schiff zu sein.«

      Und Michael fügte sich, weil Gunhild ihm in den nächsten Tagen nicht entschlüpfen konnte. Er würde ganz einfach eine Aussprache erzwingen.

      *

      Auch an Doktor Murphys Tisch wurde das Mahl in bedrückter Schweigsamkeit eingenommen.

      Doktor Murphys Miene war nichts anzumerken, wie es in seinem Innern wühlte und bohrte, wie der Schreck über das unverhoffte Wiedersehen mit Doktor Mayring in ihm nachwirkte.

      Einer Eingebung folgend, neigte er sich zu dem weißen, verschlossenen Antlitz Gunhilds hinüber.

      »Kann ich Sie nach dem Essen in Ihrer Kabine sprechen? Mir scheint, es muß völlige Klarheit zwischen uns geschaffen werden.«

      Gunhild hob den Kopf. Er war betroffen von dem leeren Blick.

      »Klarheit?« wiederholte sie leise. »Völlige Klarheit?«

      Ihr Herz klopfte rasend schnell. Ja – die wollte sie ja auch. Aber nicht von ihm, dem sie blindlings gefolgt war, konnte diese Klarheit kommen.

      Jäh erhob sie sich, murmelte eine Entschuldigung und hastete davon.

      Doktor Murphys Hand lag zur Faust geballt neben dem Teller. In seinen Augen wetterleuchtete es.

      Gefahr war im Anzug. Er mußte rasch handeln, wenn durch Gunhild nicht alles verdorben werden sollte.

      Er brannte sich eine Zigarette an und verließ, die Schultern etwas nach vorn geneigt, den Raum.

      Wenige Minuten später klopfte er bei Gunhild Bruckner.

      Sekundenlange Stille, dann ein leichter Schritt. Gunhild öffnete. Wortlos ließ sie ihn eintreten.

      »Warum haben Sie mich belogen?« begann er ohne Einleitung, sie scharf musternd.

      Verständnislos sah sie ihn an.

      »Ich verstehe Sie nicht.«

      »Sie haben natürlich gewußt, daß Doktor Mayring die Fahrt mit uns macht. Womöglich haben Sie ihm die nötigen Instruktionen erteilt?«

      Diese rücksichtslose Frage erregte Gunhilds Trotz.

      »Sie haben wenig Vertrauen zu mir, dabei sind wir erst am Anfang unserer Reise. Wie soll das wohl später werden?«

      »Muß ich nicht zweifeln? Ihr ganzes Verhalten während der Reise, Ihre offensichtliche Zurückhaltung. Verstehen Sie doch, Gunhild. Es könnte zum Beispiel möglich sein, daß dieser Doktor Mayring Sie zu beeinflussen versuchte.«

      Gunhild sah das unruhige Flackern in seinen Augen.

      War das Furcht? Wovor fürchtete sich der Mann? Weshalb diese Anspielung auf Michael?

      Wollte er sie ausforschen?

      »Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, daß mich etwas stark beschäftigt, was nur mich allein angeht.«

      Enttäuscht drehte er sich um und stürmte wortlos aus der Kabine.

      Draußen stieß er auf Doktor Mayring.

      Die beiden Männer maßen sich mit einem langen, feindseligen Blick. In Murphys Augen glomm abgründiger Haß auf, in Michaels Augen wilder Zorn darüber, daß der Mann in Gunhilds Kabine ein und aus ging.

      Mit weitgeöffneten Augen lehnte Gunhild am Tisch und starrte fassungslos Michael Mayring entgegen, der eben bei ihr eintrat.

      »Was wünschen Sie von mir?« Sie zwang sich zur Ruhe.

      Langsam kam Michael näher.

      Er lächelte weich.

      »Ich weiß, daß Sie das liebenswerteste Geschöpf sind, dem ich je begegnet bin, und daß ich Sie wirklich liebe.«

      Flammende Röte ergoß sich in Gunhilds Wangen.

      »Schweigen Sie!« rief sie empört und richtete den schmalen Körper straff auf. »Ich habe keine Lust, mir Ihre Beleidigungen anzuhören. Ich glaube Ihnen außerdem kein einziges Wort, seit…«

      Sie strich sich mit beiden Händen das wirre Haar aus der Stirn.

      Michael Mayring trat einen Schritt auf sie zu, fing die zitternden Finger ein und hielt sie ganz fest.

      »Seit…«, drängte er ernst.

      »Seitdem mir so grausam über Sie die Augen geöffnet wurden.«

      Gunhild zitterte vor Erregung am ganzen Körper.

      Michael spürte es. Schritt um Schritt mußte er ihr Vertrauen erkämpfen.

      »Sie sollen mir nicht von Liebe sprechen, Sie beleidigen mich damit. Denken Sie an Ihre Frau. Haben Sie denn kein Gewissen?«

      »Soso, also meine Frau«, sagte er, halb ernst, halb belustigt. »Wer hat Ihnen nur dieses Märchen aufgetischt? Etwa dieser saubere Herr Murphy?«

      Gunhild funkelte ihn an, etwas wie Haß glaubte er in diesem Blick zu lesen.

      »Bitte, lassen Sie Doktor Murphy aus dem Spiel!«

      »Gut, lassen wir diesen Burschen vorläufig aus dem Spiel«, sagte er hart. »Erst müssen wir unsere Angelegenheit in Ordnung bringen.«

      »Aber ich habe doch gar nichts mit Ihnen zu schaffen«, fuhr sie auf, verzweifelt und unglücklich.

      »Sie weichen mir aus«, entgegnete er unerbittlich. »Dann haben Sie also unsere Bekanntschaft als nette Abwechslung aufgefaßt? Was ich zwischen uns gefühlt habe und was zu schön war, als daß ich jemals daran zweifeln konnte, das war für Sie nur ein Spiel?«

      Er umfaßte ihre Schulter.

      »Du weißt es genau, du liebst mich! Du willst mich nur quälen. Du willst dich rächen. Ich schwöre dir, Gunhild, daß ich dich mit keinem Wort belogen habe. Hier sind meine Papiere. Daraus wirst du alles Wissenswerte lesen können.

      Wenn du ruhiger geworden bist und wenn du mir wahrheitsgetreu die eine Frage beantworten kannst, dann komme ich wieder.«

      Gunhild saß in sich zusammengesunken. Sie lauschte seinen Worten. Sie hörte, wie er die Brieftasche auf den Tisch legte und mit festen Schritten zur Tür ging.

      Sie stand auf, unschlüssig und zögernd.

      Zaghaft griff sie nach der Brieftasche. Der herbe Geruch, der immer um Michael war, entschwebte auch der Ledertasche.

      Dann blätterte sie mit bebenden Fingern in den Papieren.

      Als sie alles gelesen hatte, sank sie, abermals überwältigt von der Gedankenflut, die sie bestürmte, auf den Stuhl zurück.

      Hätte sie ihm nicht einfach die Tasche zurückgeben müssen, ohne einen Blick hineinzuwerfen? Sie hatte ihm kein Zutrauen bewiesen, sie hatte sich im Glauben an ihn und seine Liebe erschüttern lassen. Und er – würde er ihr diese Wankelmütigkeit verzeihen können?

      Sie raffte die Papiere vom Tisch und barg sie wieder sorgfältig in der Ledertasche.

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