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      »Ihrem Freund?« Ungläubig zuckte Gunhild mit den Achseln. »Ich kenne mich in Ihrem Freundeskreis wenig aus.«

      Harry hatte das Gefühl, als stünde eine ganz andere Gunhild vor ihm. Alles an ihr war Mißtrauen und Abwehr, während er sie sonst nur als heiteres Menschenkind kennengelernt hatte. Machte sich schon der Einfluß Doktor Murphys geltend?

      »Warum starren Sie mich so an?« fragte sie gereizt.

      »Ich glaube, mein Freund kriegt ein schweres Stück Arbeit mit Ihnen.«

      Gunhild stampfte mit dem Fuß auf. Sie war nervös bis in die Fingerspitzen, dabei war ihr zumute, als müßte sie losheulen. Und sie hätte doch so gern ihre Freude darüber gezeigt, daß sie die Zeit in Zukunft nicht mehr allein in Murphys Gesellschaft zu verbringen brauchte.

      War Harry nicht eng mit alten Erinnerungen verbunden?

      Harry neigte sich dicht an Gunhilds Ohr und raunte ihr zu:

      »Jawohl, Fräulein Gunhild, ich muß es Ihnen noch einmal sagen: Sie haben meinem Freund Doktor Michael Mayring bitter unrecht getan.«

      Er verschwand, Gunhild lief hinterher.

      »Harry!«

      Harry nickte zurück.

      »Auf Wiedersehen an Bord der ›Manuela‹!«

      Gunhild lehnte ratlos an der Tür und sah, wie Harry eben am Treppenaufgang verschwand.

      Was wußte er von ihr und Doktor Mayring? Er sprach von seinem Freund? Weshalb suchte er sie hier auf? War Michael vielleicht auch mit hier?

      Sie sank auf einen Stuhl und blickte aus müden Augen zu Boden.

      Da gingen ihr Harrys letzte Worte durch den Sinn. Was hatte er ihr zugerufen? Auf Wiedersehen an Bord der ›Manuela‹?

      Das brachte ihr klares Denken zu­rück.

      Gütiger Himmel. Jetzt konnte sie sich auch seine ersten rätselhaften Worte erklären: Weshalb wohnen Sie hier? Was machen Sie hier?

      Sie sprang auf, lief hinaus und begann eine fieberhafte Suche nach Doktor Murphy.

      Endlich fand sie ihn. Er saß in der Bar.

      Schwer atmend stand Gunhild vor ihm.

      »Herr Doktor, wann sticht die ›Manuela‹ in See?« fragte sie geradeheraus.

      Hart setzte Doktor Murphy das Glas auf den Bartisch. Schlagartig wechselte der Ausdruck seines Gesichtes, wurde kalt und gespannt.

      »Was ist denn los mit Ihnen?«

      »Bitte, keine Ablenkung«, sagte sie eisig. »Wann sticht die ›Manuela‹ in See?«

      »Wie kann ich das wissen?« gab er kurz zur Antwort.

      Der Wortwechsel war laut genug geführt worden, wenigstens hatte der Mixer Gunhilds Fragen vernommen. Aus des Doktors Geste ahnte er, daß dieser eine unbefriedigende Antwort gegeben hatte.

      Er mischte sich höflich ein:

      »In einer Stunde verläßt die ›Manuela‹ den Hafen. Ich weiß es zufällig ganz genau, denn es war einer von den Offizieren hier.«

      Doktor Murphys Gesicht verfinsterte sich. Sein Dank klang wie ein Knurren.

      Gunhilds Augen flammten auf.

      »Warum haben wir das Schiff nicht benutzt?«

      »Was Sie nur mit der ›Manuela‹ haben?« stieß er ärgerlich hervor. »Ich habe doch schon im Zug davon gesprochen, daß wir die ›Pernambuco‹ zur Überfahrt benutzen werden.«

      Gunhild hatte eine scharfe Erwiderung auf der Zunge, aber sie unterdrückte sie. Sie hatte ja Harry versprochen zu schweigen.

      Kurz drehte sie sich um und stürzte davon. Langsam folgte ihr Doktor Murphy, mißtrauisch und beunruhigt.

      Gunhild rannte in die Hotelhalle.

      Doktor Murphy trat schnell hinter eine Palmengruppe. Er konnte jedes Wort der zwischen Gunhild und dem Pförtner gewechselten Rede verstehen.

      »Können Sie mir Auskunft geben, ob ich bis zur Ausfahrt der ›Manuela‹ noch zum Hafen komme?«

      Der Mann schüttelte den Kopf und maß das schöne, erregte Mädchengesicht recht erstaunt.

      In Gunhilds Augen traten Tränen, Tränen der Verzweiflung.

      »Bitte, raten Sie mir. Ich möchte einen Menschen von Bord der ›Manuela‹ zurückrufen. Was soll ich tun?«

      »Das wird sehr schwer halten. Sie könnte höchstens telegraphieren.«

      Blitzschnell jagten sich die Gedanken hinter Gunhilds Stirn.

      »Gut!« Gunhild kämpfte tapfer mit Tränen der Verzweiflung.

      »Also bitte: Harry Ohnesorg, an Bord der ›Manuela‹. – Umkehren, wenn möglich – benutzen die ›Pernambuco‹.

      Das geben Sie bitte sofort auf. Vielen Dank.«

      Der Pförtner sah hinter der schmalen Mädchengestalt her.

      Nur widerwillig reichte sie ihm die Hand, dann stieg sie die Stufen hinan.

      Auch Doktor Murphy sah hinter Gunhild her, bis sie verschwunden war, dann grub er nachdenklich die Zähne in die Unterlippe.

      Gleichmütig trat er zu dem Portier, der schon den Hörer zur Aufgabe des Telegramms in der Hand hielt.

      »Einen Augenblick bitte.«

      Der Hörer wurde mit leisem Knack auf die Gabel zurückgelegt.

      »Meine Braut hat mir eben von dem Telegramm erzählt.«

      Er beobachtete dabei scharf die Mienen des Pförtners.

      Er konnte nichts als Zuvorkommenheit und Hilfsbereitschaft darin entdecken, und das machte ihn kühn. »Ich möchte eine kleine Änderung vornehmen.«

      »Bitte sehr.« Der Pförtner reichte Doktor Murphy das Papier mit den wenigen Worten.

      Einige Sekunden zögerte Murphy und starrte mit großer Beherrschung auf die Mitteilung.

      Umständlich holte er seinen Drehbleistift aus der Tasche und änderte den Text, dann reichte er das Papier über den Tisch zurück.

      »Geben Sie es bitte in dieser Form weiter. Guten Abend.«

      Mit dem Gefühl des Siegers suchte Murphy die Bar wieder auf.

      *

      Harry Ohnesorg stand in Deckung in der Nähe des Laufsteges; nicht einer der Passagiere konnte vorüber, ohne von ihm gesehen zu werden.

      Nirgends konnte er Gunhild oder den Doktor entdecken. Er wurde von Minute zu Minute unruhiger. Weshalb kamen sie nicht?

      Von der Uhr weg blickte er den Laufsteg hinab. Nun mußten sie bald kommen.

      Es wurden schon die nötigen Vorbereitungen zur Abfahrt getroffen.

      »Ein Telegramm für Harry Ohnesorg! Ein Telegramm für Harry Ohnesorg!« tönte eine näherkommende Stimme.

      Harry hörte wohl, daß man seinen Namen rief, aber er war wie gelähmt, konnte keinen Laut hervorbringen.

      Endlich hatte er wieder Gewalt über sich. Er riß sich herum und rief:

      »Hier!«

      Dann hielt er das Telegramm in Händen.

      Das Papier flatterte förmlich in seinen Fingern. Mit Mühe entzifferte er:

      »Wünsche gute vergnügliche Überfahrt, Murphy.«

      »Das ist infam!« stieß Harry zwischen den Zähnen hervor. »Das ist eine Gemeinheit! Oh, Gunhild!«

      Gunhild Bruckner! Sie hatte ihn verraten, und dieser Schurke weidete sich nun daran, ihn, Harry Ohnesorg,

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