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ich auch nur zu empfindlich geworden und in Wirklichkeit sieht dieser Arzt dem Taxler nur unglaublich ähnlich? Vielleicht stammt er aus Pakistan oder Afghanistan – und nicht aus dem kurdischen Teil der Türkei? Womöglich hat er aber auch einen Zwillingsbruder?«

      So genau hatte sie sich den Fahrer ja nun auch nicht angesehen! Wegen ihrer kranken Tante hatte sie ganz ­andere Dinge im Kopf gehabt, als sich die zweifellos markante Nase eines unbekannten Taxifahrers zu merken …

      Claudia überfiel den jungen Mann förmlich; gar nicht aufhören konnte sie mit Lobsprüchen über seine fachliche Kompetenz. Aber auch seine menschliche Zuwendung hob sie gebührend hervor. Sie habe sein Bemühen um ihre Gesundheit als überaus verdienstvoll, ja, beinahe als rührend empfunden! Das betonte sie mehrmals, so dass es dem jungen Doktor fast schon peinlich wurde.

      »Sie werden doch in Deutschland bleiben, Doktor Kurtuluz, und nicht etwa wieder nach Kurdistan, beziehungsweise in die Türkei zurückkehren?«, wollte Majas Tante beim Abschied noch wissen.

      Aha, er stammte also – genau wie der angebliche »Student« – aus einem kurdischen Dorf …

      »Aber was sagt das schon?«, überlegte Maja aufsässig. ‚Wahrscheinlich sehen alle jungen Kurden gleich aus!« Wohl wissend, dass das Unsinn war, würde sie es dabei bewenden lassen. Insgeheim hatte sie das unbestimmte Gefühl, es wäre besser für sie, nicht allzu viel über einen anderen Mann als Bernd nachzudenken – zumal wenn er so gut aussah wie dieser Mediziner. Sicher war es das Beste, sie vergaß den Typen gleich wieder.

      Betont kühl fiel ihr Abschiedsgruß aus. Aber ganz so einfach war es dann doch nicht. Drückte er ihr doch eine Visitenkarte, die er wie ein Taschenspieler aus der Brusttasche seines leichten Leinenjacketts hervor gezaubert hatte, in die Hand.

      »Falls Ihre Tante überraschenderweise noch einmal Probleme bekommen sollte, die eine Behandlung erforderlich machen sollten, rufen Sie mich, bitte, jederzeit an! Und ich meine auch tatsächlich: Zu jeder Tages- oder Nachtzeit.« Er schaute ihr eindringlich in die blauen Augen. »Sowohl meine Dienstnummer als auch meine private Handynummer stehen da drauf!«

      »Dadanke!«, stotterte Maja und ärgerte sich über sich selbst, weil sie spürte, wie verlegene Röte ihren Hals hinaufkroch und sich auf ihrem Gesicht ausbreitete. Es fehlte gerade noch, dass sie sich fühlte wie ein Teenager, dem es gelungen ist, seinem angebeteten Star nahe zu kommen. Claudias Anbetung genügte vollkommen; der Kerl musste ja sonst noch größenwahnsinnig werden.

      Als er um die nächste Biegung des Parkwegs in der entgegengesetzten Richtung verschwunden war – Tante Claudia hatte sich nämlich verstohlen umgedreht, um ihm nachzuschauen, getraute Maja sich, seine Karte genauer zu betrachten.

      »Dr. med. Mehmet Kurtuluz, Oberarzt

      Krankenhaus Rechts der Isar, München

      Arzt für Neurologie und Psychiatrie«

      stand darauf, dazu eine Mail-Adresse, sowie mehrere Telefonnummern, unter denen man ihn erreichen konnte.

      Der Vorname stimmte demnach ebenfalls mit dem des Taxifahrers überein …

      »Sag’ jetzt bitte nicht, alle jungen Kurden sehen genau gleich aus, heißen Mehmet Kurtuluz und haben einen Doktortitel«, ermahnte Maja sich selbst. ‚Dahinter muss etwas ganz anderes stecken! Ich verstehe es bloß noch nicht. Wahrscheinlich ist alles ein Riesenzufall – aber eigenartig ist es schon, dass ich, die ich zunehmend unter Halluzinationen leide, ausgerechnet die Bekanntschaft eines Psychiaters mache und sogar dessen Telefonnummer habe …’

      *

      Ohne weitere Verzögerungen gelangten Tante und Nichte zur Wohnung in der Elisabethstraße. Sogar die vier Stockwerke hoch meisterte Claudia Ritter aufs Beste. Bei jeder Etage legte sie zwar eine kleine Verschnaufpause ein, aber sie schaffte es ohne die kleinste Schwierigkeit.

      »Ehrlich gesagt, Tantchen, reicht es mir auch und ich verfluche insgeheim die vielen Stufen! Bis zum zweiten Stock lasse ich es mir ja noch eingehen, alles Weitere ist echt von Übel! Früher müssen die Menschen anders gebaut gewesen sein!«

      »Obwohl niemand – im Gegensatz zu heute – andauernd von Fitness und Ausdauersport geredet hat! Wenn man die modernen Leute so reden hört, könnte man denken, jeder von denen joggt, treibt Yoga oder macht sonst irgendwas »Gesundes«.«

      Maja grinste. »Das kann schon deshalb nicht stimmen, weil es niemals so viele dicke Menschen gegeben hat!«

      »Vielleicht betrachten sie ja Essen als sportliche Betätigung und sind deshalb so übergewichtig?«

      Diese Stimme kam von oben. Jemand kam ihnen entgegen und dem sonoren Klang nach handelte es sich um einen Mann.

      »Herr Fechner, guten Abend!« Maja begrüßte Claudias Nachbarn freundlich. Mit ihm durfte man es sich nicht verderben; er schien ein überaus freundlicher und hilfsbereiter Zeitgenosse zu sein.

      »Ach so? Sehr schön! Ihr beide kennt euch demnach schon?«

      Maja beobachtete verblüfft, mit welch strahlendem Lächeln ihre Tante dem Mieter von gegenüber entgegensah. Auch er schien ihr tiefer in die Augen zu blicken, als unbedingt nötig war. Während der Begrüßung hielt er Claudias beide Hände in den seinen.

      Claudia verharrte sogar auf der Treppe, um ein Schwätzchen mit ihm zu halten – und Rolf Fechner hielt dabei immer noch die Hände ihrer Tante …

      Maja, die zwar gar zu gerne gehört hätte, was die beiden sich zu sagen hatten, beschloss aus Gründen der Diskretion, weiter die Treppe hinauf zu gehen. Es ging sie schließlich nichts an, was die beiden zu bereden hatten. Die Wohnungstüre würde sie allerdings offenstehen lassen …

      Für ihren Geschmack dauerte es allerdings viel zu lange, ehe ihre Tante sich von diesem charmanten Herrn loszureißen vermochte. Sie war nahe daran, zurück zu gehen und nachzuschauen, wo sie blieb. Kurz vor der Tür kam ihr Claudia jedoch beschwingt entgegen, immer noch mit einem gewissen Lächeln auf den Lippen. Maja schluckte die Frage, die ihr auf der Zunge lag, jedoch hinunter.

      Zwar schweren Herzens, aber es war genauso, wie sie sich vorhin schon vorgesagt hatte: Es ging sie einen feuchten Kehricht an!

      »Falls mir meine Lieblingsverwandte etwas mitzuteilen hat, wird sie es mir im Laufe der nächsten Tage und Wochen bestimmt anvertrauen! Und wenn nicht? Dann lässt sie es eben bleiben, weil sie es so möchte! Und ich werde damit zufrieden sein müssen.«

      *

      »Oh, mein Gott! Du kannst es mir glauben, wie froh ich bin, mich wieder gemütlich hinsetzen zu können!«

      Mit diesem abgrundtiefen Seufzer ließ Claudia Ritter sich auf ihre moderne schwarze Ledercouch sinken.

      »Ich geb’s ja zu, es war höllisch anstrengend, aber wunderschön! Und ich habe es unheimlich genossen, wieder wie ein normaler Mensch durch die Gegend zu tigern! Ich danke dir tausendmal dafür, dass du bereit warst, dich mit mir auf das Abenteuer einzulassen.«

      Ehe Maja widersprechen und ihr zum wiederholten Male erklären konnte, das sei doch selbstverständlich und dazu sei sie schließlich her gekommen, winkte Claudia ab. Da sie ihre bequemen Straßenschuhe bereits im Flur abgestreift hatte, zog sie jetzt ihre Beine unter sich und nahm eine ganz relaxte Haltung ein.

      »Hör zu, mein Schatz, ich möchte dir etwas sagen – und damit gleichzeitig deine Neugier stillen! Du brauchst es nicht abzustreiten, dass du neugierig bist, welcher Mann es ist, dem ich meine Sympathie, ja, sogar mehr als das, geschenkt habe! Ich weiß, du hast ein Recht darauf, es zu erfahren. Es handelt sich um …«

      »Rolf Fechner?«

      Maja platzte regelrecht mit ihrer Vermutung heraus. Claudias und sein Verhalten eben im Treppenhaus war zu eindeutig gewesen …

      »Woher weißt du …?«

      Claudia zog eine Schnute. Mit gespielter Verärgerung behauptete sie: »Jetzt hast du mir meine ganze schöne Überraschung kaputt gemacht. Spielverderberin!«

      Maja lachte herzlich. »Aber Tantchen!

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