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Ritter vier Portionen »Ente süß-sauer« mit Reis und Salat, sowie Nachtisch. Wobei es für Jens zwei Portionen gebackene Banane geben sollte …

      Flüchtig ging Maja der Gedanke durch den Kopf, dass es vielleicht ganz heilsam sein würde, wenn Claudia weiter weg zog, an den Starnberger See nämlich. Dann wäre auch ihr räumlicher Abstand zu Jens ein wenig größer und das große Kind wäre gezwungen, mehr Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit zu üben.

      Die Mahlzeit würde man auf der Dachterrasse einnehmen und dabei den herrlichen Blick über Schwabing genießen. Auch Maja freute sich über die Anwesenheit ihres jungen Verwandten; seit jeher fühlte sie sich wie seine ältere Schwester und würde immer für ihn da sein, falls er sie jemals brauchen sollte.

      »Wie oft habe ich den Knaben schon gegen Kritik von Bernd verteidigt?«, überlegte sie im Stillen. Auch, dass ihr Jens’ Angewohnheit, ständig mit seinem Handy herumzufuchteln und wie gebannt aufs Display zu starren – selbst wenn er sich mit ihr unterhielt – gewaltig auf die Nerven ging, hätte sie niemals zugegeben.

      Während man aufs Essen wartete, labten sie sich erst mal an einem Gläschen Prosecco. Dabei verkündete Tante Claudia, dass nicht etwa ihr Sohn auch noch die zweite Entenportion bekommen sollte, sondern dass diese für Rolf Fechner, ihren guten Freund und künftigen Lebensgefährten, bestimmt wäre.

      »Ich finde, das ist eine gute Gelegenheit, dass ihr ihn und er euch als meine engste Familie kennenlernen kann!«

      Maja stimmte ehrlichen Herzens zu. Aber der Blick, den sie Jens zuwarf, schien ihr davon zu künden, dass der alles andere als begeistert war von der Aussicht, in Zukunft nur die zweite Geige im Leben seiner Mutter spielen zu dürfen.

      Die junge Frau unterdrückte ein Lächeln. Wie alle ganz jungen Leute unterlag auch Jens dem Irrtum, ab fünfzig spielten Liebe und Leidenschaft im Dasein ihrer Eltern keine Rolle mehr. Ja, die Jugendlichen empfanden es als hochpeinlich, sich ihre »Alten« als verliebtes Pärchen vorzustellen …‚ Jens wird auch darüber hinweg kommen«, überlegte sie.

      *

      Bereits der folgende Tag sollte die große Wende in Majas gesundheitlichem Zustand einläuten.

      Schwester Hildegard Pleitgen, von Maja in ihren wenigen halbwachen Zuständen meistens für »die Frau aus dem Zug« gehalten, welche sie auf der Fahrt von Kufstein nach München mit ihrer Neugierde genervt hatte, hatte Veronika, die kleine Lernschwester dazu angehalten, während der Besuche der »Modepuppe« regelmäßig – unter irgendeinem Vorwand – das Zimmer der jungen Lehrerin zu betreten.

      »Einmal sollten Sie Fieber messen, das nächste Mal das leere Geschirr abräumen, die Urinflasche leeren oder ihren Blutdruck kontrollieren, dann das Blumenwasser wechseln. Ich werde zwischendurch ebenfalls nach der Patientin schauen, ihr das Kissen aufschütteln, den Verband am Oberarm erneuern oder ihr was zum Trinken bringen.«

      Als Veronika schüchtern nachfragte, wozu es gut sein sollte, dass man das alles ausgerechnet in der einen Stunde machte, in denen die, inzwischen wie ein bunter Hund in der gesamten Klinik bekannte Besucherin anwesend war, lächelte Hildegard nur geheimnisvoll.

      »Glauben Sie mir, ich habe meine Gründe, Schwester Hildegard! Ich will unbedingt vermeiden, dass diese Frau längere Zeit mit ihrer angeblichen Freundin alleine im Zimmer verbringt!«

      »Angeblichen? Das klingt ja, als trauten Sie der Dame nicht über den Weg?«

      Hildegard Pleitgen nickte. »So ist es, meine Liebe. Aber sprechen Sie bitte mit niemandem darüber. Wenn ich Recht habe, war’s gut, dass ich Vorsorge getroffen und ein Verbrechen verhindert habe – und falls ich mich irre, ist dadurch zumindest kein Schaden entstanden!«

      Lernschwester Veronika war neugierig geworden, denn sie hatte großes Vertrauen in die Klugheit und den Instinkt ihrer Vorgesetzten. Außerdem fühlte sie sich ungeheuer wichtig: Es war ein tolles Gefühl, dabei mitzuhelfen, eine Untat zu verhindern.

      *

      Geradezu wütend machte Tina das ständige Kommen und Gehen im Zimmer von Maja Steinmetz.

      »Hier geht es ja zu wie in einem Taubenschlag, Schwester!«, beschwerte sie sich, als Veronika zum dritten Mal kurz nacheinander die Tür aufriss, um dann irgendwelche »Belanglosigkeiten« zu erledigen. »Den Blutdruck meiner Freundin können sie doch auch später messen, wenn ich wieder weg bin! Ich würde es begrüßen, wenn ich die kurze Zeit, welche ich mit Maja verbringen kann, alleine mit ihr sein könnte, um in meiner Meditation nicht gestört zu werden«, erklärte sie mit hochtrabender Miene.

      »Soso, Meditation!« Veronika unterdrückte ein Grinsen. »Tut mir aufrichtig Leid, aber ich handle auf Anordnung von Herrn Professor persönlich. Er dringt auf schnelle Ergebnisse – und die liefere ich ihm natürlich!«

      Keine Frage, die Lernschwester erledigte gewissenhaft, was die Oberschwester ihr aufgetragen hatte. Tina schwieg zähneknirschend.

      Kaum war Veronika draußen, wollte Tina endlich aktiv werden. Es musste ihr gelingen, ihre schädlichen Kräfte erneut zum Einsatz zu bringen, sonst wäre alle ihre bisherige Mühe umsonst gewesen! Maja, von Natur aus kräftig – auch mental – machte Anstalten, sich jeden Tag mehr zu erholen. Die Phasen des Wachseins verlängerten sich bereits dramatisch und ihre Aufmerksamkeit verbesserte sich Besorgnis erregend!

      Die Besucherin erhob sich, machte zwei Schritte zum Bett, indem Maja sich bereits wieder anschickte, aus ihren verrückten Träumen aufzuwachen, beugte sich über ihr Opfer und legte ihm ihre beiden Handflächen wie üblich seitlich ans Gesicht, dabei Schläfen, Ohren und einen Teil der Wangen bedeckend und begann ihren eigenartigen Singsang in einer Sprache, die vermutlich niemand außer Tina verstehen konnte.

      Was sie nicht hörte, war die Tatsache, dass es dieses Mal die Stationsschwester selbst war, die auf den leisen Sohlen ihrer weißen Gesundheitsschuhe den Raum betrat. Mit schnellem Blick erfasste die ältere Frau die Situation – vor allem das fremdartige Gemurmel gab ihr zu denken.

      Mit einem lauten Knall ließ sie die Zimmertür ins Schloss fallen. Ein Geräusch, das Tina Maurer vor Schreck zusammenfahren und leise aufschreien ließ. Aber die kaltblütige Person fasste sich erstaunlich rasch.

      »Was erlauben Sie sich?«, herrschte sie die Krankenschwester an. »Sie kommen hier herein und …«

      Hildegard Pleitgen ließ sie allerdings nicht ausreden.

      »Lassen Sie das Theater, Sie Möchtegern-Hexe! Ich hatte Sie schon längere Zeit im Verdacht, dass Sie mit irgendwelchen dubiosen Tricks versuchen, die Maßnahmen unserer Ärzte zu unterlaufen, indem Sie irgendeinen Hokuspokus veranstalten, der Frau Steinmetz in ihrem geschwächten Zustand jedoch schadet.

      Das wollten Sie auch erreichen, nicht wahr? Kaum ging es der Patientin besser, war ihr Zustand nach jedem Ihrer Besuche erneut wegen Ihrer Sabotageversuche schlechter. Verlassen Sie umgehend die Klinik und lassen Sie sich nie wieder bei uns blicken!«

      Tina holte tief Luft – aber sie sagte nur noch wenig. Zur kräftigen Gegenwehr fehlten ihr offenbar die richtigen Argumente. Stattdessen verlegte sie sich auf einen Nebenkriegsschauplatz, indem sie sich beklagte, man könne sie nicht einfach der Klinik verweisen. Sie sei schließlich eine Besucherin und …

      Aber Schwester Hildegard ließ sich darauf überhaupt nicht ein:

      »Ich habe Sie nicht gebeten, zu gehen, sondern ich verlange, dass Sie sich augenblicklich aus dem Staub machen! Andernfalls sähe ich mich gezwungen, weiteren Beistand zu holen, der Sie hinausbegleitet, sowie die Polizei zu informieren!«

      »Hah! Was wollen Sie der Polizei denn über mich erzählen?«, versuchte Tina aufzutrumpfen. »Die Beamten würden Sie doch nur auslachen, wenn Sie denen mit Ihrem Gefasel kommen würden über Hexensprüche und Magie!«

      Aber Schwester Hildegard war auch jetzt um eine Antwort nicht verlegen.

      »Ich kenne mich in Hexenpraktiken aus und weiß definitiv, dass Sie versucht haben, dieser Patientin zu schaden, indem Sie sie unter Hypnose zu beeinflussen suchten, was Ihnen ja auch eine ganze Zeit lang – viel zu lange – gelungen

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