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machst, was ich dir ohne weiteres zutraue, werde ich es für dich tun. Dann bleibt wenigstens einigermaßen die Form gewahrt.«

      *

      Also machte Georg Sander sich auf den Weg, der ihm so sauer fiel, wie noch keiner in seinem Leben zuvor. Da es Sonntag war, fand er die Familie Sölgerthurn vereint im Wohngemach vor.

      Es war nach fast drei Jahren wieder das erste Mal, daß er uneingeladen erschien wie zu alten Zeiten, da die befreundeten Familien in ihren Häusern zwanglos aus und ein gingen. Daher befremdete das unerwartete Erscheinen des Mannes, was man sich natürlich nicht anmerken ließ, sondern unter der Maske konventioneller Höflichkeit verbarg.

      Und da saß nun der Industrielle, der eine große Anzahl Untergebener befehligte, der eine Macht besaß, vor der alle Türen aufsprangen – die Macht des Geldes. Und dem diese Macht eine herrische Sicherheit gab.

      Aber jetzt fühlte er sich alles andere denn sicher. Kämpfte gegen Hemmungen an und wurde dabei immer verlegener unter dem Blick der drei Augenpaare, die abwartend an ihm hingen.

      »Es will mir fast scheinen, Georg, als hättest du etwas auf dem Herzen, das nur schwer heruntergeht, stimmt’s?« sagte die Gräfin lächelnd.

      »Ja – natürlich – so ist es –«, atmete er hörbar auf. »Es ist verflixt schwer, was ich zu eröffnen habe – denn es geht um Doro und – Edzard…

      Die sollen nämlich ein Paar werden«, platzte er jetzt verzweifelt heraus. »Damit möchte die Dörth die Schuld abtragen, die sie gegen euch hat.«

      Es war den drei Menschen gewiß nicht zu verdenken, daß sie erst einmal wie erstarrt verharrten. Doch dann war es der junge Graf, der amüsiert auflachte.

      »Ganz Doro, die Menschen als Marionetten zu betrachten. Na was, das ist doch so einfach. Man zieht am Strippchen, und schon hampeln sie.«

      »Leider kann ich dir da nicht widersprechen«, entgegnete Sander bedrückt. »Wenn ich etwas in meinem Leben zu bereuen habe, dann, daß ich in diesem Nichtsnutz einen Abgott sah und ihn förmlich anbetete. Ferner habe ich zu bereuen, daß ich diese ohnehin schon verschrobene kleine Person der Baronin Salte so völlig überließ.

      Aber was sollten Ruth und ich wohl machen, als Doro trotz bester Pflege und Betreuung langsam, aber sicher dahinsiechte, fast zwei Jahre lang? Nach Hause konnten wir sie nicht nehmen, davon rieten sämliche Ärzte ab. Der jähe Wechsel aus dem sonnigen Süden nach dem rauhen Norden wäre gar ihr Tod gewesen.

      Also kam Doro von einem Sanatorium ins andere, es waren im ganzen fünf Stück. Bis dann ein Psychiater uns riet, unsere arme Kleine nicht in einem Sanatorium vegetieren zu lassen, sondern sie aus ihrer Lethargie aufzurütteln, ihr Abwechslung zu bieten noch und noch. Sie möge reisen und an Vergnügungen teilnehmen. Dann würde sie begreifen, wie schön das Leben sei. Sie brauche einen Maître de plaisir. Und da Ruth und ich durch die ewige Sorge um Doro schon ganz zermürbt waren, griffen wir nach dem letzten Strohhalm – und der hieß Jo Salte. Eine Dame mittleren Alters, die, wie man so sagt, mit allen Wassern gewaschen ist – natürlich in gutem Sinne. Sie nahm lachend unser Miesepeterchen unter ihre charmanten Fittiche, und der Erfolg blieb dann auch nicht aus. Sie sorgte für ihren Schützling wie eine liebevolle Mutter und entfremdete uns damit das Kind immer mehr. Denn was wir sagen, ist für die Dörth einfach in den Wind gesprochen, aber was die Jo sagt, das ist Evangelium. Sie ist es sicher auch gewesen, die Doro zu dieser Heirat riet, obwohl diese es nicht direkt zugibt. Und nun sprich du, Edzard.«

      Danach herrschte zuerst einmal Stille. So eine Stille, die an Herz und Nerven zerrt. Gelassen stopfte der junge Graf die Pfeife, steckte sie mit einer Umständlichkeit in Brand, die andere fast rasend machen kann, nahm sie wieder aus dem Mund, stieß den Rauch durch die Zähne, klemmte die Pfeife wieder ein – und sah dann zu seinen Eltern hinüber mit kurzem scharfem Blick. Sah zwei Augenpaare auf sich gerichtet, die wie um Gnade flehten – dann erst sprach er langsam und betont:

      »Na schön, machen wir einen Vertrag, in dem ich meine Bedingungen stellen darf. Die erste wäre, daß die wetterwendische junge Dame nicht etwa die Verlobung heute eingeht, um sie morgen zu widerrufen. Zweite Bedingung: Daß, wenn die Ehe zustande kommen sollte, sie diese nicht in einem Moment übler Laune abtut wie einen wertlosen Fetzen. Dritte Bedingung: Daß, wenn eine Scheidung unausbleiblich ist, Doro uns nicht von Rautenau jagen darf…«

      »Um Gottes willen, Junge, hör bloß auf!« stöhnte Sander dazwischen. »Es ist ja fürchterlich, wie du meine Tochter einschätzt. Ich werde ihr deine Bedenken Wort für Wort wiederholen, was sie hoffentlich abschrecken wird. Wenn nicht, dann sollst du einen Vertrag haben, der dir und den Deinen Rautenau sichert – und wenn es zur Scheidung kommen sollte. Denn darum geht es dir ja wohl, nicht wahr?«

      »Ganz recht. Denn wenn ich schon mein Leben verpfusche, geschieht es um meiner Eltern und Rautenaus willen.«

      Da sprang der gepeinigte Mann auf.

      »Ist gut, Edzard. Ich werde mit Doro ein deutliches Wort reden und dir heute noch fernmündlichen Bescheid geben, wie sie sich entschieden hat.«

      *

      Es war am nächsten Vormittag, als der junge Graf Sölgerthurn in der Villa des Industriellen Sander erschien – im schwarzen Rock, in der Hand einen Strauß rosa Nelken. Der Diener nahm den Gast in Empfang und geleitete ihn in ein Zimmer, wo die Tochter des Hauses ihm lachend entgegensah. Die platzte mit ihrer Bemerkung erst heraus, nachdem der Diener die Tür von draußen geschlossen hatte.

      »Himmel, Edzard, wie feierlich! Na ja, bist eben noch vom alten Zopf.«

      »Wohl doch nicht ganz«, kam es ironisch zurück. »Dann müßte ich ja dem gnädigen Fräulein einen Heiratsantrag machen, mit heißen Liebesschwüren, Kniefall und anderem mehr. Aber dazu fehlt mir nun wirklich die Lust.«

      »Du bist ja recht deutlich, mein Lieber. Aber macht nichts, den Ton wollen wir beibehalten. Sollen die Blumen für mich sein?«

      »Bitte sehr.«

      »Nelken – aber Edzard!«

      »Na, was denn sonst?«

      »Flammend rote Rosen.«

      »Auch das noch. Der Illusion gib dich nur nicht hin, mein Kind.«

      »Na schön. Sind wir uns nun einig?«

      »Von mir aus – ja.«

      »Hast du dir etwa noch mehr Bedingungen ausgedacht als die, welche mir durch meinen Vater schon bekannt sind?«

      »Nur noch eine, meine liebe Doro: daß du mich nicht als dein unumschränktes Eigentum betrachtest, sondern mir meine Freiheit läßt, soweit sie nicht die Ehegesetze verletzt. Dasselbe sei auch dir zugesichert.«

      »Puh, wie korrekt! Aber laß man, wir beide werden uns schon ganz gut vertragen.«

      Da mußte er denn doch lachen, und lustig fiel sie ein, worauf sich ein dunkler Lockenkopf durch den Türspalt steckte.

      »Ihr seid ja so vergnügt. Darf man nähertreten und gratulieren?«

      »Man darf, geliebte Ma. Die Festung ist gestürmt.«

      »Ist doch ein schreckliches Gör«, seufzte die Dame, während sie dem Mann die Hand reichte, über die er sich artig neigte. »Nichts nimmt sie ernst, muß alles glossieren. Komm her, du Tunichtgut, laß dir Glück wünschen. Und mach dem armen Edzard nicht gar so viel zu schaffen.«

      »Na du, der versteht sich ganz gut zu wehren. Ah, da ist ja auch unser Paps. Kommst gerade zurecht, um zu gratulieren.«

      Doch der Vater ging auf den munteren Ton nicht ein. Er war ernst und blaß. Und als er später mit dem jungen Grafen allein war, sagte er resigniert:

      »Ich habe Doro gestern nicht geschont, das kannst du mir schon glauben. Habe ihr klipp und klar gesagt, daß sie sich dir aufgedrängt hat. Aber sie blieb bei ihrem Willen, dem ich trotzdem nicht nachgegeben hätte, wenn ich nicht selbst für diese Verbindung wäre. Mag dem sein wie es wolle, bei dir weiß ich Doro dennoch gut aufgehoben. Hier ist nun der Vertrag, in

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