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du aber früh dran«, stellte Dr. Stefan Daniel fest, als er seinem Vater in der Eingangshalle begegnete.

      Dr. Daniel lächelte. »Gelegentlich ist auch meine Sprechstunde einmal pünktlich zu Ende. Und du? Hast du noch lange Dienst?«

      Stefan seufzte und hob theatralisch beide Hände. »Du kennst Wolfgang, also weißt du auch, was er einem jungen und dynamischen Assistenzarzt so alles abverlangt.«

      »Da hör einer an«, meinte Dr. Daniel lachend. »So schlimm kann’s wohl nicht sein, wenn du noch solche Scherze auf Lager hast.«

      »Das ist nichts anderes als Galgenhumor«, stellte Stefan richtig. »Gerrit ist seit zwei Stunden im Labor, das heißt, daß mein lieber Herr Chefarzt nur mich hat, an dem er seine schlechte Laune auslassen kann. Wenn du vorhast, ihn jetzt noch aufzusuchen, dann warne ich dich lieber gleich: Mit Wolfgang ist heute nicht gut Kirschen essen.«

      Dr. Daniel erwiderte nichts darauf, denn er wollte dieses Thema mit seinem Sohn nicht weiter ausdiskutieren, schließlich war Stefan ja wohl doch nicht ganz objektiv, wenn es um Dr. Wolfgang Metzler ging. Als Assistenzarzt bekam er die Strenge seines Chefarztes nicht gerade selten zu spüren, aber zumindest bisher hatte Dr. Metzler seine Kompetenzen ihm gegenüber nicht überschritten.

      »Ich gehe jetzt erst mal zu Gerrit hinüber«, erklärte er schließlich, »und dann werde ich mal sehen, was an deinen Prophezeiungen über Wolfgang stimmt.«

      »Jedes Wort, Papa«, verwahrte sich Stefan, dann wurde er ernst. »Wolfgang ist zur Zeit wirklich unausstehlich, das sage nicht bloß ich.«

      Dr. Daniel nickte nur. Er hatte jetzt einfach nicht die Zeit, sich mit dem auseinanderzusetzen, was Stefan da andeutete. Im Augenblick mußte er sich erst mal dringend um Erikas Blutprobe kümmern, und er konnte nur hoffen, daß sich dabei nichts Schlimmes ergeben würde.

      »Robert, da sind Sie ja.« Dr. Scheibler kam ihm auf dem Flur entgegen und begrüßte ihn mit einem herzlichen Lächeln, dann wies er auf die blutgefüllten Röhrchen in Dr. Daniels Hand. »Ich nehme an, das ist die besagte Probe.«

      »Das ist doch selbstverständlich, Robert«, meinte Dr. Scheibler. »Ich bringe Ihnen das Ergebnis gleich nach Dienstschluß hinüber.«

      »Das ist nicht nötig«, wehrte Dr. Daniel ab. »Ich bin sicher noch eine Weile hier in der Klinik. Alena möchte in der Gynäkologie etwas mit mir besprechen, außerdem will ich Wolfgang noch aufsuchen.«

      »Viel Vergnügen.«

      Forschend sah Dr. Daniel ihn an. »Was soll das heißen, Gerrit?«

      »Das heißt nichts weiter, als daß sich mein werter Schwager allmählich in einen mittleren Tyrannen verwandelt hat«, erklärte Dr. Scheibler, dann seufzte er. »Sie wissen, daß ich Wolfgang wirklich gern mag. Seit er mir damals das Leben gerettet hat, sind wir gute Freunde geworden, aber für das, was er zur Zeit hier treibt, kann ich keinerlei Verständnis aufbringen. Bei mir traut er sich nicht so, aber was Stefan seit Wochen mitmachen muß…«

      »Und warum spricht dann niemand mit mir?« fiel Dr. Daniel ihm ins Wort. »Immerhin bin ich Direktor der Waldsee-Klinik und kann Wolfgang in seine Schranken verweisen, wenn es nötig sein sollte.«

      »Das ist genau der Punkt«, entgegnete Dr. Scheibler ernst. »Ich will erst herausfinden, was Wolfgang so unausstehlich macht. Es gibt da nämlich zwei Möglichkeiten: Entweder ist ihm der Chefarztposten zu Kopf gestiegen, oder er hat irgendwelche Probleme. Sollte sich ersteres herausstellen, dann werde ich Sie bitten, ihn ganz ordentlich zurechtzustutzen. Wenn er allerdings tatsächlich ernsthafte Probleme hat, dann braucht er keinen Anpfiff, sondern einen Freund, mit dem er darüber sprechen kann.«

      »Das klingt einleuchtend«, meinte Dr. Daniel. »also schön, Gerrit, ich werde mich in diese Angelegenheit noch nicht einmischen, sondern abwarten, bis Sie mir Bescheid geben.«

      »Danke, Robert.« Dr. Scheibler lächelte. »Auch wenn Sie es wahrscheinlich nicht hören wollen – Sie sind wirklich ein Klinikdirektor, wie man sich keinen besseren wünschen kann.«

      *

      Unmittelbar nach dem Gespräch mit Dr. Scheibler hatte sich Dr. Daniel auf den Weg in die Gynäkologie gemacht, doch hier mußte er von der Stationsschwester erfahren, daß Frau Dr. Alena Reintaler im Moment mitten in einer Untersuchung steckte.

      »Nicht so schlimm«, meinte Dr. Daniel. »Dann gehe ich erst mal zum Chefarzt hinüber und komme danach wieder her.«

      »Ich werde es Frau Dr. Reintaler ausrichten«, versprach Schwester Bianca.

      Dr. Daniel bedankte sich, dann ging er in den anderen Flügel der Klinik und klopfte kurz darauf am Büro des Chefarztes an.

      Dr. Wolfgang Metzler blickte bei seinem Eintreten auf, dann kam er um den Schreibtisch herum und reichte Dr. Daniel die Hand.

      »Robert, ich bin froh, daß du hier bist«, erklärte er, und Dr. Daniel fiel der ausgesprochen ernste Gesichtsausdruck seines Freundes sofort auf. Allerdings konnte er sich bereits denken, was die Ursache dafür war, und auch die Bemerkungen von Stefan und Dr. Scheibler erschienen jetzt in einem völlig anderen Licht. Dr. Metzler war weder schlecht gelaunt, noch hatte er sich charakterlich verändert – er war einfach äußerst besorgt.

      »Ich mache mir Sorgen um Erika«, fuhr er in diesem Moment auch schon fort, was Dr. Daniel in seiner Ahnung bestätigte. »Sie ist in letzter Zeit so blaß und scheint ständig müde zu sein.«

      Dr. Daniel kämpfte einen Moment mit sich, dann entschloß er sich zur Wahrheit.

      »Erika war heute bei mir«, gab er offen zu, blockte weitere Fragen aber gleich ab. »Mehr kann ich dir nicht sagen, Wolfgang, das wäre sonst eine Verletzung meiner Schweigepflicht – obwohl du Erikas Mann und darüber hinaus auch noch Arzt bist.«

      Dr. Metzler nickte ergeben. »Du hast natürlich recht.« Dann sah er Dr. Daniel nahezu flehend an. »Es ist doch nichts Ernstes, oder?«

      »Ich weiß es noch nicht, Wolfgang, und wenn ich es wüßte, dürfte ich es dir nicht sagen.«

      Dr. Metzler seufzte tief auf. »Ich glaube, ich würde völlig verzweifeln, wenn Erika etwas zustoßen würde… wenn sie schwerkrank wäre, womöglich sogar…«

      Impulsiv legte Dr. Daniel einen Arm um seine Schultern. »Wolfgang, an so etwas darfst du gar nicht denken. Und es wäre auch viel zu früh, um derartige Prognosen aufzustellen.«

      Dr. Metzler nickte nur, dann zwang er seine Gedanken in eine andere Richtung.

      »Du bist aber sicher nicht nur deswegen gekommen«, vermutete er.

      »Richtig«, stimmte Dr. Daniel zu. »Karina hat mich heute angerufen. Sie möchte in den Semesterferien ein bißchen Klinikluft schnuppern. Wärst du damit einverstanden, wenn sie für ein paar Wochen hier mitarbeiten würde – soweit es ihre Fähigkeiten bereits zulassen?«

      Dr. Metzler zögerte. Er erinnerte sich noch zu genau daran, wie verliebt Dr. Daniels dreiundzwanzigjährige Tochter in ihn gewesen war. Mittlerweile war sie zwar mit dem Schweizer Pianisten Jean Jacques, der mit bürgerlichem Namen Jean Veltli hieß, verlobt, doch zumindest während ihrer letzten Besuche hatte Dr. Metzler jedesmal gemerkt, daß sie ihm noch immer nicht ganz unbefangen gegenüberstand.

      »Glaubst du wirklich, daß das gut wäre?« fragte er schließlich langsam. »Du weißt selbst am besten, was damals bei der Klinikeröffnung geschehen ist.«

      Dr. Daniel nickte. »Und ob ich das weiß. Karinas Autounfall wird mir ewig in Erinnerung bleiben.«

      »Sie hatte diesen Unfall, weil sie an diesem Tag von mir erfahren hatte, daß ihre Liebe zu mir immer aussichtslos bleiben würde.«

      »Auch das weiß ich.« Dr. Daniel schwieg kurz. »Wolfgang, seitdem ist viel Zeit vergangen. Du bist inzwischen verheiratet, und Karina ist verlobt. Wenn sie ihr Medizinstudium abgeschlossen hat, wird sie Jean heiraten. Ich glaube nicht, daß sie die Liebe zu dir noch immer im Herzen trägt.« Aber noch während er das sagte, spürte er, daß er sich seiner Worte gar nicht

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