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      Jetzt konnte Fee das Lachen nicht mehr zurückhalten. »Ihr habt heute wieder Sprüche drauf«, brachte sie prustend über die Lippen, und darüber mußten die Zwillinge lachen, die noch intensiv mit ihrem Eis beschäftigt waren.

      »Mami redet ulkig«, freuten sie sich. »Ich wollte doch noch was sagen«, meldete sich Felix wieder zu Wort.

      Fee verschluckte sich fast, als er sagte: »Der alte Humbert ist tot.«

      Sie starrte ihn an. »Das ist doch nicht wahr. Ich habe gestern noch mit ihm gesprochen. Er sah nicht krank aus.«

      »So schnell kann’s gehen«, sagte Danny ernst. »Das sagt Papi auch immer. Der Humbert muß doch schon uralt gewesen sein.«

      »Etwa achtzig, aber er war immer noch rüstig und…«, sie hielt inne. »Was wird jetzt mit seiner Frau, ich muß mich gleich darum kümmern.«

      »Siehst du, Felix, jetzt rennt Mami gleich wieder los, hättest auch noch ein bißchen warten können mit dieser Nachricht«, sagte Anneka.

      »Ich habe nicht gedacht, daß sie sich gleich aufregt«, sagte Felix kleinlaut.

      »Mami regt sich nicht auf, sie denkt an die arme Frau Humbert, die ist doch alt und krank«, meinte Danny.

      »Das ist schrecklich traurig, wenn sie jetzt allein ist«, sagte Anneka leise. Sie hatte ein weiches Herzchen, und ihr kamen gleich die Tränen.

      *

      Einsam war auch die Baronin Giebingerode, aber sie war nicht arm. Sie bekam in dem vornehmen Seniorenheim all die Hilfe, die sie brauchte. In persönlichen Angelegenheiten hatte sie nur Vertrauen zu Dr. Norden. Er war in alles eingeweiht, was sie und ihre Vermögensverhältnisse betraf, aber etwas aus ihrer Vergangenheit erfuhr er erst an diesem Tag. Das brachte ihn in einige Bedrängnis.

      »Sie wissen, daß mein Anwalt Dr. Grosse gestorben ist. Seinen Nachfolger kenne ich noch nicht so recht«, erklärte sie ihm ohne Umschweife. »Deshalb möchte ich Ihnen etwas anvertrauen, was ich gern noch zu Lebzeiten in Ordnung bringen will. Ich hoffe, daß Sie sozusagen mein Nachlaßverwalter sein werden, falls ich bald sterben sollte.«

      »Momentan kann ich Ihnen noch gute Gesundheit bescheinigen, liebe Baronin«, sagte Dr. Norden nachsichtig.

      »Ich höre es gern, aber in meinem Alter muß man auf das Ende vorbereitet sein. Ich möchte meinen letzten Atemzug in Frieden mit mir selbst tun. Es geht mir um eine sehr diffizile Angelegenheit. Sie wissen, daß mein einziger Sohn vor fünfundzwanzig Jahren tödlich verunglückt ist. Er war nicht verheiratet, aber viel später habe ich erfahren, daß er ein Verhältnis mit einer Französin hatte. Um es genau zu sagen, das habe ich erst im vorigen Jahr erfahren. Viktors Freund Jean Pierre Cossart ist verstorben, und sein Haushalt wurde aufgelöst. Da wurde auch ein Koffer von Viktor gefunden, den er dort zur Aufbewahrung gegeben hatte, das schrieb mir Jean Pierres Frau Eliette. Warum sie mir den Koffer nicht bereits nach Viktors Tod schickten, konnte sie nicht sagen. Jedenfalls fand ich in dem Koffer Briefe von einer Madeleine Rodier an Viktor. Daraus geht hervor, daß sie ein Kind erwartete und darüber sehr glücklich war.«

      Sie machte eine Pause, weil ihr die Stimme nicht mehr gehorchen wollte. Dr. Norden reichte ihr ein Glas Wasser.

      »Ich habe Zeit, Sie müssen nicht so hastig sprechen«, sagte er.

      »Ich bin Ihnen unendlich dankbar, daß Sie mir soviel Zeit widmen. Sie verstehen, daß es für mich eine sehr schwierige Situation ist. Ich weiß nicht, ob mein Sohn die Geburt des Kindes noch erlebt hat, oder ob er vor der Geburt verunglückte. Er stürzte mit einem Privatflugzeug ab. Ich weiß auch nicht, warum er Madeleine nicht geheiratet hat. Er war kein verantwortungsloser Mann. Ich habe mich bemüht, etwas über das Schicksal dieser Madeleine zu erfahren, aber ich hatte keinen Erfolg. Ich weiß bisher nur, daß sie früher in St. Raphael lebte, das geht aus ihren Briefen hervor, aber unter der Adresse ist sie nicht mehr bekannt.«

      »Was könnte ich für Sie tun, Baronin?«

      »Ich weiß, daß es viel verlangt ist, aber Sie haben doch auch Verbindung zu Ärzten in Frankreich und auch zu Kliniken. Vielleicht könnte man da erfahren, ob vor fünfundzwanzig Jahren eine Madeleine Rodier ein Kind zur Welt gebracht hat. St. Raphael ist ein kleiner Ort. Man könnte einen Detektiv beauftragen. Ich kenne aber keinen. Ich kann auch mit niemanden darüber sprechen, es ist von hier aus schwierig. Das Personal braucht davon auch nichts zu wissen. Ich stelle vorerst fünfzigtausend Euro für die Nachforschungen zur Verfügung, wenn Sie mir behilflich sein würden.«

      »Ich würde Ihnen ja gern helfen, und ich kenne auch einen Detektiv, aber es ist lange her. Die Spuren verwischen sich mit den Jahren. Vielleicht hat sie einen anderen Mann geheiratet, vielleicht lebt sie nicht mehr.«

      Die Baronin nickte. »Ich weiß, das ich mit allem rechnen muß, aber es kann doch auch sein, daß das Kind lebt. Es sollte wissen, daß es nicht um das betrogen werden soll, was ihm zusteht. Es ist eine unglückselige Verkettung unvorhersehbarer Umstände, daß Madeleine nicht zu ihrem Recht gekommen ist. Ich würde gern gutmachen, was es noch gutzumachen gibt.«

      Daniel Norden wollte nicht sagen, was ihm durch den Kopf ging, nämlich, daß alles ganz anders aussehen könnte, als sie meinte, daß ihr Sohn diese Frau ganz bewußt nicht heiraten wollte. Aber er wolle sie nicht kränken, sie sah so unglücklich aus.

      »Ich kann Herrn Henkel mit den Nachforschungen beauftragen«, erklärte er, »aber vielleicht wollen Sie lieber selbst mit ihm sprechen.«

      »Nein, es wäre mir lieber, Sie würden es für mich tun. Selbstverständlich bekommen Sie ein entsprechendes Honorar für Ihre Bemühungen und die Zeit, die Sie dafür aufwenden.«

      »Das ist nebensächlich, Baronin. Wir kennen uns schon so lange, und ich kann mir denken, wie nahe Ihnen diese Geschichte geht.«

      Sie nickte, und ihre Augen waren feucht. »Zu denken, daß Viktor ein Kind hatte, das Freude in mein einsames Leben hätte bringen können! Ich weiß ja nicht einmal, ob es ein Sohn oder eine Tochter ist.«

      Oder war, dachte Daniel. Es ging ihm schon nahe, diese Frau, die in jeder Lebenslage so große Selbstbeherrschung gezeigt hatte, weinen zu sehen.

      »Ich werde Ihnen das Geld auf Ihr Konto überweisen, lieber Dr. Norden«, sagte sie mit erstickter Stimme, »Sie brauchen keine Kosten zu scheuen.«

      »So teuer wird es sicher nicht kommen«, erwiderte er.

      »Ich werde Ihnen jedenfalls telefonisch Bericht erstatten, wenn Herr Henkel eine Spur gefunden hat.«

      »Ich danke Ihnen von Herzen, ich wußte, daß Sie mir helfen würden.«

      »Wenn es nur möglich sein wird«, sagte er.

      »Ich gebe Ihnen die beiden Briefe, die Hinweise geben könnten. Ich glaube, daß diese Frau meinen Sohn wirklich geliebt hat. Viktor war damals sehr jung, erst vierundzwanzig, und sie wird wohl noch jünger gewesen sein.«

      »Ein Foto haben Sie nicht?«

      »Nein, das wird Viktor wohl bei sich getragen haben, als das Unglück geschah. Von seinen Sachen ist kaum etwas übrig geblieben. Er konnte nur aufgrund seines Ringes und seiner Armbanduhr identifiziert werden. Es war eine schreckliche Zeit, damals kannte ich Sie noch nicht.«

      Schwere Gedanken bewegten Daniel, als er heimwärts fuhr, und es folgte gleich der nächste Schreck.

      Fee war noch nicht daheim. Die Kinder erzählten ihm, was geschehen war.

      »Woher weißt du überhaupt, daß Herr Humbert tot ist?« fragte Daniel seinen Sohn Felix.

      »Er ist auf der Straße zusammengebrochen, vom Fahrrad gefallen, gar nicht weit von der Schule entfernt. Ich hatte früher aus als Danny, sonst hätte er es auch gesehen.«

      »Ich werde schauen, wo Fee bleibt«, sagte Daniel besorgt.

      »Nun is Papi auch fott«, lispelte Dési betrübt, »warum denn bloß?«

      »Weil unsere Eltern eben Ärzte sind«, erklärte

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