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wird, ist die Darlegung seiner Voraussetzungen keine leichte Sache und der Dichter hat sehr darauf zu achten, daß er dieselben so viel als möglich vereinfache.

      Von dieser unentbehrlichen Einleitung muß sich aber der Anfang der bewegten Handlung kräftig abheben, wie eine beginnende Melodie von einleitenden Accorden. Dies erste Moment der Bewegung — das aufregende Moment — ist von großer Wichtigkeit für die Wirkung des Dramas; es wird weiter unten davon die Rede sein.

      Ebenso muß das Ende der Handlung als allgemein verständliches Ergebniß des Gesammtverlaufs erscheinen, gerade hier muß die innere Nothwendigkeit lebhaft empfunden werden; der Ausgang aber muß die vollständige Beendigung des Kampfes und der aufgeregten Conflicte darstellen.

      Innerhalb dieser Grenzen soll sich die Handlung in einheitlichem Zusammenhange fortbewegen. Dieser innere Zusammenhang wird im Drama dadurch hervorgebracht, daß jedes Folgende aus dem Vorhergehenden abgeleitet wird als Wirkung einer dargestellten Ursache. Mag das Veranlassende nun der folgerechte Zwang der Begebenheiten sein, und das neu Eintretende als wahrscheinliches und allgemein verständliches Ergebniß früherer Handlungen begriffen werden; oder mag das Bewirkende eine allgemein verständliche Eigenthümlichkeit des bereits dargelegten Charakters sein. Auch wenn unvermeidlich ist, daß im Verlauf neue Ereignisse hinzutreten, sogar solche, welche dem Hörer unerwartet und überraschend kommen, müssen diese unmerklich, aber vollständig durch Vorhergegangenes erklärt sein. Dies Begründen der Ereignisse im Drama heißt Motiviren. Durch die Motive werden die Einzelheiten der Handlung zu einem künstlerisch wohlgefügten Ganzen verbunden. Das Zusammenfesseln der Ereignisse durch das freie Schaffen einer ursächlichen Verbindung ist die unterscheidende Eigenthümlichkeit dieser Kunstgattung, durch dies Zusammenfesseln wird das dramatische Idealisiren des Stoffes bewirkt.

      Als Beispiel diene die Umwandlung einer Erzählung in eine dramatische Handlung. Die Erzählung berichtet Folgendes: Zu Verona lebten zwei edle Familien in alter Feindschaft und Fehde. Da will der Zufall, daß einst der Sohn des einen Geschlechts mit seinen Begleitern den übermüthigen Streich ausführt, verkleidet in ein Maskenfest einzudringen, das der Häuptling des anderen Geschlechtes veranstaltet. Auf diesem Maskenfest sieht der Eindringling die Tochter seines Feindes, in beiden entsteht eine rücksichtslose Leidenschaft, sie beschließen heimliche Vermählung und werden von dem Beichtvater des Mädchens getraut. Da will wieder der Zufall, daß der Neuvermählte mit einem Vetter seiner Braut in Streit geräth und, weil er diesen im Zweikampf getötet hat, von dem Fürsten des Landes bei Todesstrafe verbannt wird. Unterdeß hat ein vornehmer Freier bei den Eltern der Neuvermählten um sie angehalten, der Vater achtet nicht das verzweifelte Flehen der Tochter und setzt den Tag der Vermählung fest. Die junge Frau erhält in dieser schrecklichen Lage von ihrem Beichtvater einen Schlaftrunk, der ihr den Schein des Todes geben soll, der Beichtvater unternimmt, sie heimlich aus dem Sarge zu lösen und ihren entfernten Gatten von dem Sachverhältniß zu unterrichten. Aber wieder bewirkt ein unglücklicher Zufall, daß der Gatte in der Fremde, bevor ihn der Bote des Paters trifft, die Nachricht erhält, daß seine Geliebte gestorben sei. Er eilt heimlich in die Vaterstadt zurück und dringt bei Nacht in ihr Grabgewölbe; unglücklicher Weise trifft er dort mit dem von den Eltern bestimmten Bräutigam zusammen, er tötet ihn und trinkt an dem Sarge der Geliebten Gift. Die Geliebte erwacht, sieht den sterbenden Gemahl und ersticht sich mit seinem Dolche.[4]

      Diese Erzählung ist einfacher Bericht über ein auffallendes Ereigniß. Daß Alles so gekommen, wird gesagt; wie und warum es so gekommen, kümmert nicht. Die Reihenfolge der berichteten Ereignisse hat sehr lose Verbindung, Zufall, Laune des Schicksals, ein unberechenbares Zusammentreffen unglücklicher Momente veranlaßt Verlauf und Katastrophe. Ja, gerade das auffällige Spiel des Zufalls ist das Reizvolle. Ein solcher Stoff scheint vorzüglich ungünstig für das Drama. Und doch hat ein großer Dichter eines seiner schönsten Dramen daraus geschaffen.

      Die Thatsachen sind sämmtlich unverändert geblieben, nur ihre Verbindung ist eine andere geworden. Denn die Aufgabe des Dichters war nicht, uns die Thatsachen auf der Bühne vorzuführen, sondern dieselben aus dem Empfinden, Begehren, Handeln seiner Personen herzuleiten, zu erklären, glaublich und vernunftgemäß zu entwickeln. Er hatte im Anfang die Voraussetzungen der Handlung darzulegen: die Händel in einer italienischen Stadt zur Zeit, wo Schwerter getragen wurden und die Rauflust schnell mit der Hand an die Waffen griff, die Führer beider Parteien, die regierende Macht, welche mit Mühe die Unruhigen im Zaum hält. Dann den Entschluß des Capulet ein Gastmahl zu geben. Darauf mußte die Darstellung des lustigen Einfalls kommen, welcher Romeo und seine Begleiter in das Haus des Capulet bringt. Dies erregende Moment, der Anfang der Handlung durfte aber nicht als ein Zufall auftreten, es mußte aus den Charakteren erklärt werden. Daher war nöthig vorher die Genossenschaft des Romeo einzuführen, übermüthig, frisch, in ungebändigter Jugendkraft mit dem Leben spielend. Diesem Bedürfniß der Begründung verdankt Mercutio sein Dasein. Im Gegensatz zu den tollen Genossen wurde der schwermüthige Held Romeo geformt, dessen Wesen schon vor seinem Eintritt in die bewegte Handlung die liebesuchende Leidenschaftlichkeit auszudrücken hat. Daher die Träumerei um Rosalinde. Darauf galt es die entstehende Zuneigung der Liebenden glaublich zu machen. Dafür die Masken- und Balkonscene. Aller Zauber der Poesie ist hier höchst zweckvoll verwendet, um als begreiflich und selbstverständlich zu zeigen, daß die süße Leidenschaft beiden Liebenden fortan das Leben bestimmt.

      Die Nebenfigur, welche von da in das Stück eintrat, sollte durch ihren Charakter die Verwickelung und den traurigen Ausgang motiviren helfen. Für die Erzählung war die Thatsache genügend, daß ein Priester traute und die unglückliche Intrigue leitete, es haben sich immer solche Helfer gefunden. Sobald er aber selbst auftrat und in die Handlung hineinsprach, mußte er eine Persönlichkeit erhalten, welche alles Folgende erklärte, er mußte gutherzig und theilnehmend sein und durch sein Herz so großes Vertrauen verdienen, er mußte unpraktisch und zu stillen Ränken geneigt sein, wie nicht selten die besseren Priester der italienischen Kirche sind, um später für sein Beichtkind das verwegene Spiel mit dem Tode zu wagen. So entstand Lorenzo.

      Nach der Vermählung fiel in die Erzählung der unglückliche Zufall mit Tybalt. Hier hatte der dramatische Dichter besondere Veranlassung, dem plötzlich Eintretenden das Zufällige zu nehmen. Ihm konnte nicht genügen, den Tybalt als hitzköpfigen Raufer einzuführen, er mußte, ohne daß der Zuschauer die Absicht merkte, schon im Vorhergehenden den besonderen Haß gegen Romeo und seine Genossen begründen. Daher die kleine Zwischenscene beim Maskenfest, in welcher Tybalt's Zorn über das Eindringen des Romeo aufbrennt. Und in der Scene selbst hatte der Dichter die stärksten Motive aufzuspannen, um Romeo zum Zweikampf zu zwingen. Deshalb mußte vorher Mercutio fallen. Auch deshalb, um das Gewicht dieser tragischen Scene zu steigern und den Zorn des Fürsten zu erklären.

      Romeo sofort in die Verbannung zu senden, wie die Erzählung thut, war dem Drama unmöglich. Ihm war zwingende Nothwendigkeit, der aufgeregten Leidenschaft ihre höchste Steigerung zu geben, dem Zuschauer die Untrennbarkeit der beiden Liebenden zu beweisen. Wie das dem Dichter gelungen, weiß jeder. Die Scene der Brautnacht ist der höchste Punkt der Handlung und auch durch die poetische Ausführung, die uns hier nicht kümmert, in höchster Schönheit herausgehoben. Aber auch aus anderen Gründen war diese Scene nothwendig. Der Charakter Julia's macht eine Steigerung in das Edle nöthig; daß das liebevolle Mädchen auch großartiger Bewegungen, der kräftigsten Leidenschaft fähig ist, das muß gelehrt werden, damit man ihren späteren verzweifelten Entschluß ihrem Wesen angemessen finde. Der wundervolle Kampf in ihr um Tybalt's Tod und Romeo's Verbannung muß der Brautnacht vorausgehen, um der bräutlichen Sehnsucht die schön pathetische Zugabe zu ertheilen, welche die Theilnahme an der immerhin delikaten Scene steigert. Aber auch die Möglichkeit dieser Scene mußte erklärt werden, die kleinen Hilfsmotive derselben, Pater Lorenzo und die Amme als Vermittler, sind wieder bedeutsam. Der Charakter der Amme, eine der unübertrefflichen Erfindungen Shakespeare's, ist ebenfalls nicht zufällig so gebildet, gerade wie sie ist, paßt sie als Helferin und macht sie die innere Trennung Julia's von ihr und die Katastrophe erklärlich.

      Unmittelbar nach der Brautnacht kommt an Julia der Befehl, sich dem Paris zu vermählen. Daß die schöne Tochter des reichen Capulet einen vornehmen Freier findet, und daß der Vater — dessen rauhe Hitze schon vorher genügend motivirt ist — dabei harten Zwang ausübt, würde auch ohne weitere

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