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Künste macht diese Leere doppelt peinlich.

      Neben den Hauptpersonen erhalten ihre Gehilfen, je nach dem Raum, welchen sie im Stück einnehmen, mehr oder weniger Antheil an diesem dramatischen Leben. Und völlig schwindet es auch in den kleinsten Rollen nicht, selbst bei den Personen, welche nur durch wenige Worte ihre Theilnahme erweisen können; bei dem Begleiter, dem Anmeldenden wird wenigstens der Schauspielkunst die Pflicht, durch Tracht, Sprechweise, Haltung, Geberde, Aufstellung der eintretenden Person den für das Stück zweckmäßigen Inhalt derselben äußerlich darzustellen, wenn auch knapp und bescheiden.

      Da aber die Darstellung derjenigen Seelenvorgänge, welche Vorrecht und Bedürfniß des Dramas sind, Zeit in Anspruch nimmt, und dem Dichter je nach der Gewohnheit seines Volkes auch das Zeitmaß für seine Wirkungen begrenzt ist, so folgt schon hieraus, daß die dargestellte Begebenheit die Hauptpersonen weit stärker hervorheben muß, als bei einem Ereigniß der Wirklichkeit, welches durch gemeinsame Thätigkeit mehrer Menschen hervorgebracht wird, nothwendig ist.

      Die Fähigkeit, dramatische Wirkungen durch die Kunst hervorzubringen, ist dem Menschengeschlecht nicht in jedem Zeitraum seines Daseins verliehen. Die dramatische Poesie erscheint später als Epos und Lyrik; ihre Blüthe in einem Volke hängt allerdings von dem glücklichen Zusammentreffen vieler hervortreibender Kräfte ab, zunächst aber davon, daß in dem wirklichen Leben der Volksgenossen die entsprechenden Seelenvorgänge bereits häufig und reichlich sichtbar werden. Und dies ist erst möglich, wenn das Volk eine gewisse Höhe der Entwickelung erreicht hat, wenn die Menschen gewöhnt sind, sich selbst und andere vor den Momenten einer That scharfsichtig zu beobachten, wenn die Sprache einen hohen Grad von Beweglichkeit und gewandter Dialektik ausgebildet hat, wenn der Einzelne nicht mehr durch den epischen Bann alter Ueberlieferung und äußerer Gewalt, durch hergebrachte Formel und volksgemäße Gewohnheit gefesselt wird, sondern sich freier das eigene Leben zu formen vermag. Wir unterscheiden zwei Zeiträume, in denen das Dramatische dem Geschlecht der Erde gekommen ist. Zum ersten Mal trat diese Vertiefung der Menschenseele in die antike Welt etwa um das Jahr 500 v. Chr., als sich das jugendliche Selbstgefühl der freien hellenischen Stadtgemeinden mit der Blüthe des Handels, der öffentlichen Reden und der Theilnahme des Bürgers am Staat erhob. Das zweite Mal trat das Dramatische in die neuere Völkerfamilie Europas nach der Reformation zugleich mit der Vertiefung des Gemüthes und Geistes, welche durch das sechzehnte Jahrhundert sowohl bei den Germanen als bei den Romanen — in sehr verschiedener Weise — hervorgebracht wurde. Allerdings hatten schon Jahrhunderte vor dem Eintritt dieser kräftigen Seelenarbeit sowohl die Hellenen als die Stämme der Völkerwanderung sich die ersten Anfänge einer Redeweise und Kunst des Geberdenspiels entwickelt, welche das Dramatische suchte. Dort wie hier hatten große Götterfeste einen Gesang in feierlicher Tracht und das Spiel volksthümlicher Masken veranlaßt. Aber das Eintreten der dramatischen Kraft in diese lyrischen oder epischen Schaustellungen war doch beide Male ein wunderbar schnelles, fast plötzliches. Beide Male entfaltete sich das Dramatische von dem Augenblick, in dem es lebendig wurde, mit großer Kraft zu einer Schönheit, welche durch die spätern Jahrhunderte nicht leicht erreicht wurde. Unmittelbar nach den Perserkriegen kamen Aeschylos, Sophokles, Euripides dicht hinter einander herauf. Kurz nach der Reformation erwuchs in der Völkerfamilie Europas zuerst bei den Engländern und Spaniern, dann bei den Franzosen, endlich bei den zurückgebliebenen Deutschen aus unbehilflicher Schwäche die höchste volksgemäße Blüthe der seltenen Kunst.

      Aber darin unterscheidet sich jener ältere Eintritt des Dramatischen in die alte Welt, daß das Drama des Alterthums aus lyrischem Chorgesang hervorwuchs, während das neuere auf der epischen Freude an Vorführung wichtiger Begebenheiten beruht. Dort war im ersten Anfange die leidenschaftliche Aufregung des Gefühls, hier das Schauen eines Ereignisses reizvoll gewesen. Diese Verschiedenheit des Ursprungs hat auch nach der kunstvollen Ausbildung Form und Inhalt des Dramas mächtig beeinflußt, und wie erhaben die besten Leistungen der Kunst in beiden Zeiträumen wurden, sie behielten etwas wesentlich Verschiedenes.

      Aber selbst nachdem das dramatische Leben in dem Volke aufgegangen war, blieben die höchsten Kunstwirkungen der Poesie ein Vorrecht Weniger, auch seit dieser Zeit wird die dramatische Kraft nicht jedem Dichter zu Theil; ja sie füllt nicht jedes Werk, auch der größten Dichter, mit genügender Gewalt. Wir dürfen schließen, daß schon zur Zeit des Aristoteles jene prunkvollen Schaustücke mit einfacher Handlung, ohne charakteristisches Begehren der Hauptfiguren, mit lose eingehängten Chören, wie er sie beschreibt, vielleicht lyrische Schönheiten hatten, aber keine dramatischen. Und unter den geschichtlichen Dramen, welche jetzt in Deutschland jährlich geschrieben werden, enthält die größere Hälfte wenig mehr als dialogisirte und verstümmelte Geschichte, etwa epischen Stoff in scenischer Form, ebenfalls nicht dramatischen Inhalt. Ja auch einzelne Werke großer Dichter kranken an demselben Mangel. Nur zwei berühmte Dramen seien hier genannt. Die Hekabe des Euripides zeigt bis gegen das Ende nur kleine durchaus ungenügende Fortschritte aus der bewegten Stimmung zu einem Thun: erst im Schlußkampf gegen Polymestor erweist Hekabe eine Leidenschaft, die zum Willen wird, erst da beginnt eine dramatische Spannung, bis dahin floß aus kurz skizzirten leidenvollen Zuständen der Hauptpersonen nur lyrische Klage. Und wieder in Shakespeare's Heinrich V., in dem der Dichter ein vaterländisches Volksstück nach den alten epischen Gewohnheiten seiner Bühne dichten wollte, mit kriegerischen Aufzügen, Gefechten, kleinen Episoden, ist weder an dem Hauptcharakter noch den Nebenfiguren eine tiefe Begründung ihres Thuns aus dramatisch darstellbaren Motiven sichtbar. In kurzen Wellen kräuselt sich Wunsch und Forderung, die Handlungen selbst sind die Hauptsache. Die Vaterlandsliebe muß warme Theilnahme an der Handlung aufregen, was sie allerdings in Shakespeare's Zeit und Volk reichlich gethan hat. Für uns ist das Drama weniger darstellbar, als die Theile Heinrich's VI. — Dagegen enthält, um nur einige Stücke desselben Dichters zu nennen, Macbeth bis zur Banketscene, der ganze Coriolan, Othello, Romeo und Julie, Julius Cäsar, Lear bis zur Hüttenscene, Richard III. das machtvollste Dramatische, welches je von einem Germanen geschaffen worden.

      Nach der starken Spannung der Hauptpersonen aber schätzt in der Regel schon die Mitwelt, in jedem Fall die Folgezeit die Bedeutung eines Dramas. Wo dies Leben fehlt, vermag keine Kunst der Behandlung, kein günstiger Stoff das Werk lebendig zu erhalten. Wo dies dramatische Leben vorhanden ist, betrachtet auch noch späte Folgezeit ein Dichterwerk mit lebhafter Achtung und übersieht ihm gern große Mängel.

       Einheit der Handlung.

       Inhaltsverzeichnis

      Die Handlung des Dramas ist die nach einer Idee angeordnete Begebenheit, deren Inhalt durch die Charaktere vorgeführt wird.

      Sie ist aus vielen Einzelheiten zusammengesetzt und besteht aus einer Anzahl dramatischer Momente, welche nach einander in gesetzlicher Gliederung wirksam werden.

      Die Handlung des ernsten Dramas muß folgende Eigenschaften haben:

       Sie muß eine festgeschlossene Einheit bilden.

      Dies berühmte Gesetz hat bei Griechen und Römern, bei Spaniern und Franzosen, bei Shakespeare und den Deutschen sehr verschiedene Anwendung erfahren, welche zum Theil durch die Kunstgelehrten, zum Theil durch die Beschaffenheit der Bühnen veranlaßt wurde. Das Verengen seiner Forderung durch die französischen Classiker und der gegen die drei Einheiten von Ort, Zeit, Begebenheit geführte Kampf der Deutschen haben für uns nur noch ein literarhistorisches Interesse.[3]

      Kein Stoff ist ohne Voraussetzungen, wie vollständig er aus dem Zusammenhange mit andern Ereignissen herausgelöst werde. Diese unentbehrlichen Voraussetzungen müssen dem Hörer in den Eröffnungsscenen so weit dargestellt werden, daß er die Grundlagen des Stückes übersieht, nicht weitläufiger, damit nicht der Raum für die Handlung selbst beengt werde. Also zunächst Zeit, Volk, Ort, Stellung der auftretenden Hauptpersonen zu einander, dabei die unvermeidlichen Fäden, welche von Allem, was außerhalb der Handlung geblieben ist, sich in diese selbst hineinziehen. Wenn z. B. in Kabale und Liebe ein bestehendes Liebesverhältniß zu Grunde liegt, so muß dem Hörer sogleich ein scharf beleuchtender Einblick in diese Beziehung der beiden Hauptpersonen und in das Familienleben gewährt

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