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Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ðицше
Читать онлайн.Название Gesammelte Werke
Год выпуска 0
isbn 9783962815295
Автор произведения Фридрих Вильгельм Ðицше
Жанр Документальная литература
Серия Gesammelte Werke bei Null Papier
Издательство Bookwire
Künstliche Zurechtmachung seiner Natur zum »Spiegel«; interessirt, aber gleichsam bloß epidermal-interessirt; eine grundsätzliche Kühle, ein Gleichgewicht, eine festgehaltene niedere Temperatur dicht unter der dünnen Fläche, auf der es Wärme, Bewegung, »Sturm«, Wellenspiel giebt.
Gegensatz der äußeren Beweglichkeit zu einer gewissen tiefen Schwere und Müdigkeit.
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72.
Wohin gehört unsre moderne Welt: in die Erschöpfung oder in den Aufgang? – Ihre Vielheit und Unruhe bedingt durch die höchste Form des Bewußtwerdens.
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73.
Überarbeitung, Neugierde und Mitgefühl – unsere modernen Laster.
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74.
Zur Charakteristik der »Modernität«. – Überreichliche Entwicklung der Zwischengebilde; Verkümmerung der Typen; Abbruch der Traditionen, Schulen; die Überherrschaft der Instinkte (philosophisch vorbereitet: das Unbewußte mehr werth) nach eingetretener Schwächung der Willenskraft, des Wollens von Zweck und Mittel.
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75.
Ein tüchtiger Handwerker oder Gelehrter nimmt sich gut aus, wenn er seinen Stolz bei seiner Kunst hat und genügsam und zufrieden auf das Leben blickt. Nichts hingegen ist jämmerlicher anzuschauen, als wenn ein Schuster oder Schulmeister mit leidender Miene zu verstehen giebt, er sei eigentlich für etwas Besseres geboren. Es giebt gar nichts Besseres, als das Gute! und das ist: irgend eine Tüchtigkeit haben und aus ihr schaffen, virtù im italienischen Sinne der Renaissance.
Heute, in der Zeit wo der Staat einen unsinnig dicken Bauch hat, giebt es in allen Feldern und Fächern, außer den eigentlichen Arbeitern, noch »Vertreter«: z. B. außer den Gelehrten noch Litteraten, außer den leidenden Volksschichten noch schwätzende prahlerische Thunichtgute, welche jenes Leiden »vertreten«, – gar nicht zu reden von den Politikern von Berufs wegen, welche sich wohlbefinden und Nothstände vor einem Parlament mit starken Lungen »vertreten«. Unser modernes Leben ist äußerst kostspielig durch die Menge Zwischenpersonen; in einer antiken Stadt dagegen, und im Nachklang daran noch in mancher Stadt Spaniens und Italiens, trat man selber auf und hatte Nichts auf einen solchen modernen Vertreter und Zwischenhändler gegeben – es sei denn einen Tritt!
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76.
Das Übergewicht der Händler und Zwischenpersonen, auch im Geistigsten: der Litterat, der »Vertreter«, der Historiker (als Verquicker des Vergangenen und Gegenwärtigen), der Exotiker und Kosmopolit, die Zwischenpersonen zwischen Naturwissenschaft und Philosophie, die Semi-Theologen.
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77.
Den größten Ekel haben mir bisher die Schmarotzer des Geistes gemacht: man findet sie, in unserem ungesunden Europa, überall schon, und zwar mit dem besten Gewissen von der Welt. Vielleicht ein wenig trübe, ein wenig air pessimiste, in der Hauptsache aber gefräßig, schmutzig, beschmutzend, sich einschleichend, einschmiegend, diebisch, krätzig – und unschuldig wie alle kleinen Sünder und Mikroben. Sie leben davon, daß andere Leute Geist haben und mit vollen Händen ausgeben: sie wissen, wie es selbst zum Wesen des reichen Geistes gehört, unbekümmert, ohne kleinliche Vorsicht, auf den Tag hin und selbst verschwenderisch sich auszugeben. – Denn der Geist ist ein schlechter Haushalter und hat kein Augenmerk darauf, wie Alles von ihm lebt und zehrt.
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78.
Die Schauspielerei
Die Farbenbuntheit des modernen Menschen und ihr Reiz. Wesentlich Versteck und Überdruß.
Der Litterat.
Der Politiker (im »nationalen Schwindel«).
Die Schauspielerei in den Künsten:
Mangel an Probität der Vorbildung und Schulung (Fromentin);
die Romantiker (Mangel an Philosophie und Wissenschaft und Überfluß an Litteratur);
die Romanschreiber (Walter Scott, aber auch die Nibelungen-Ungeheuer mit der nervösesten Musik);
die Lyriker.
Die »Wissenschaftlichkeit«.
Virtuosen (Juden).
Die volksthümlichen Ideale als überwunden, aber noch nicht vor dem Volk:
der Heilige, der Weise, der Prophet.
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79.
Die Zuchtlosigkeit des modernen Geistes unter allerhand moralischem Aufputz. – Die Prunkworte sind: die Toleranz (für »Unfähigkeit zu Ja und Nein«); la largeur de sympathie (– ein Drittel Indifferenz, ein Drittel Neugierde, ein Drittel krankhafte Erregbarkeit); die »Objektivität« (– Mangel an Person, Mangel an Wille, Unfähigkeit zur »Liebe«); die »Freiheit« gegen die Regel (Romantik); die »Wahrheit« gegen die Fälscherei und Lügnerei (Naturalismus); die »Wissenschaftlichkeit« (das »document humain«: auf Deutsch der Colportage-Roman und die Addition – statt der Composition); die »Leidenschaft« an Stelle der Unordnung und der Unmäßigkeit; die »Tiefe« an Stelle der Verworrenheit, des Symbolen-Wirrwars.
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80.
Zur Kritik der großen Worte.– Ich bin voller Argwohn und Bosheit gegen Das, was man »Ideal« nennt: hier liegt mein Pessimismus, erkannt zu haben, wie die »höheren Gefühle« eine Quelle des Unheils, das heißt der Verkleinerung und Wertherniedrigung des Menschen sind.
Man täuscht sich jedesmal, wenn man einen »Fortschritt« von einem Ideal