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Über­häu­fung mit Ein­drücken tritt ein: der Mensch ver­lernt zu a­gi­ren; er rea­girt nur noch auf Er­re­gun­gen von Au­ßen her. Er giebt sei­ne Kraft aus theils in der A­n­eig­nung, theils in der Ver­tei­di­gung, theils in der Ent­geg­nung. Tie­fe Schwä­chung der Spon­ta­nei­tät: – der His­to­ri­ker, Kri­ti­ker, Ana­ly­ti­ker, der In­ter­pret, der Beo­b­ach­ter, der Samm­ler, der Le­ser, – al­les re­ak­ti­ve Ta­len­te, – al­le Wis­sen­schaft!

      Künst­li­che Zu­recht­ma­chung sei­ner Na­tur zum »Spie­gel«; in­ter­es­sirt, aber gleich­sam bloß epi­der­mal-in­ter­es­sirt; eine grund­sätz­li­che Küh­le, ein Gleich­ge­wicht, eine fest­ge­hal­te­ne nie­de­re Tem­pe­ra­tur dicht un­ter der dün­nen Flä­che, auf der es Wär­me, Be­we­gung, »Sturm«, Wel­len­spiel giebt.

      Ge­gen­satz der äu­ße­ren Be­weg­lich­keit zu ei­ner ge­wis­sen tie­fen Schwe­re und Mü­dig­keit.

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      72.

      Wo­hin ge­hört uns­re mo­der­ne Welt: in die Er­schöp­fung oder in den Auf­gang? – Ihre Viel­heit und Un­ru­he be­dingt durch die höchs­te Form des Be­wußt­wer­dens.

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      73.

      Über­ar­bei­tung, Neu­gier­de und Mit­ge­fühl – un­se­re mo­der­nen Las­ter.

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      74.

      Zur Cha­rak­te­ris­tik der »Mo­der­ni­tät«. – Ü­ber­reich­li­che Ent­wick­lung der Zwi­schen­ge­bil­de; Ver­küm­me­rung der Ty­pen; Ab­bruch der Tra­di­tio­nen, Schu­len; die Über­herr­schaft der In­stink­te (phi­lo­so­phisch vor­be­rei­tet: das Un­be­wuß­te mehr wert­h) nach ein­ge­tre­te­ner Schwä­chung der Wil­lens­kraft, des Wol­lens von Zweck un­d Mit­tel.

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      75.

      Ein tüch­ti­ger Hand­wer­ker oder Ge­lehr­ter nimmt sich gut aus, wenn er sei­nen Stolz bei sei­ner Kunst hat und ge­nüg­sam und zu­frie­den auf das Le­ben blickt. Nichts hin­ge­gen ist jäm­mer­li­cher an­zu­schau­en, als wenn ein Schus­ter oder Schul­meis­ter mit lei­den­der Mie­ne zu ver­ste­hen giebt, er sei ei­gent­lich für et­was Bes­se­res ge­bo­ren. Es giebt gar nichts Bes­se­res, als das Gute! und das ist: ir­gend eine Tüch­tig­keit ha­ben und aus ihr schaf­fen, vir­tù im ita­lie­ni­schen Sin­ne der Re­naissance.

      Heu­te, in der Zeit wo der Staat einen un­sin­nig di­cken Bauch hat, giebt es in al­len Fel­dern und Fä­chern, au­ßer den ei­gent­li­chen Ar­bei­tern, noch »Ver­tre­ter«: z. B. au­ßer den Ge­lehr­ten noch Lit­te­ra­ten, au­ßer den lei­den­den Volks­schich­ten noch schwät­zen­de prah­le­ri­sche Thu­nicht­gu­te, wel­che je­nes Lei­den »ver­tre­ten«, – gar nicht zu re­den von den Po­li­ti­kern von Be­rufs we­gen, wel­che sich wohl­be­fin­den und Noth­stän­de vor ei­nem Par­la­ment mit star­ken Lun­gen »ver­tre­ten«. Un­ser mo­der­nes Le­ben ist äu­ßerst kost­spie­lig durch die Men­ge Zwi­schen­per­so­nen; in ei­ner an­ti­ken Stadt da­ge­gen, und im Nach­klang dar­an noch in man­cher Stadt Spa­ni­ens und Ita­li­ens, trat man sel­ber auf und hat­te Nichts auf einen sol­chen mo­der­nen Ver­tre­ter und Zwi­schen­händ­ler ge­ge­ben – es sei denn einen Tritt!

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      76.

      Das Über­ge­wicht der Händ­ler und Zwi­schen­per­so­nen, auch im Geis­tigs­ten: der Lit­te­rat, der »Ver­tre­ter«, der His­to­ri­ker (als Ver­qui­cker des Ver­gan­ge­nen und Ge­gen­wär­ti­gen), der Exo­ti­ker und Kos­mo­po­lit, die Zwi­schen­per­so­nen zwi­schen Na­tur­wis­sen­schaft und Phi­lo­so­phie, die Semi-Theo­lo­gen.

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      77.

      Den größ­ten Ekel ha­ben mir bis­her die Schma­rot­zer des Geis­tes ge­macht: man fin­det sie, in un­se­rem un­ge­sun­den Eu­ro­pa, über­all schon, und zwar mit dem bes­ten Ge­wis­sen von der Welt. Vi­el­leicht ein we­nig trü­be, ein we­nig air pes­si­mis­te, in der Haupt­sa­che aber ge­frä­ßig, schmut­zig, be­schmut­zend, sich ein­schlei­chend, ein­schmie­gend, die­bisch, krät­zig – und un­schul­dig wie alle klei­nen Sün­der und Mi­kro­ben. Sie le­ben da­von, daß an­de­re Leu­te Geist ha­ben und mit vol­len Hän­den aus­ge­ben: sie wis­sen, wie es selbst zum We­sen des rei­chen Geis­tes ge­hört, un­be­küm­mert, ohne klein­li­che Vor­sicht, auf den Tag hin und selbst ver­schwen­de­risch sich aus­zu­ge­ben. – Denn der Geist ist ein schlech­ter Haus­hal­ter und hat kein Au­gen­merk dar­auf, wie Al­les von ihm lebt und zehrt.

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      78.

      Die Schau­spie­le­rei

      Die Far­ben­bunt­heit des mo­der­nen Men­schen und ihr Reiz. We­sent­lich Ver­steck und Über­druß.

      Der Lit­te­rat.

      Der Po­li­ti­ker (im »na­tio­na­len Schwin­del«).

      Die Schau­spie­le­rei in den Küns­ten:

      Man­gel an Pro­bi­tät der Vor­bil­dung und Schu­lung (Fro­men­tin);

      die Ro­man­ti­ker (Man­gel an Phi­lo­so­phie und Wis­sen­schaft und Über­fluß an Lit­te­ra­tur);

      die Ro­man­schrei­ber (Wal­ter Scott, aber auch die Ni­be­lun­gen-Un­ge­heu­er mit der ner­vö­ses­ten Mu­sik);

      die Ly­ri­ker.

      Die »Wis­sen­schaft­lich­keit«.

      Vir­tuo­sen (Ju­den).

      Die volks­thüm­li­chen Idea­le als über­wun­den, aber noch nicht vor dem Vol­k:

      der Hei­li­ge, der Wei­se, der Pro­phet.

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      79.

      Die Zucht­lo­sig­keit des mo­der­nen Geis­tes un­ter al­ler­hand mo­ra­li­schem Auf­putz. – Die Prunk­wor­te sind: die To­le­ranz (für »Un­fä­hig­keit zu Ja und Nein«); la lar­geur de sym­pa­thie (– ein Drit­tel In­dif­fe­renz, ein Drit­tel Neu­gier­de, ein Drit­tel krank­haf­te Er­reg­bar­keit); die »Ob­jek­ti­vi­tät« (– Man­gel an Per­son, Man­gel an Wil­le, Un­fä­hig­keit zur »Lie­be«); die »Frei­heit« ge­gen die Re­gel (Ro­man­tik); die »Wahr­heit« ge­gen die Fäl­sche­rei und Lüg­ne­rei (Na­tu­ra­lis­mus); die »Wis­sen­schaft­lich­keit« (das »do­cu­ment hu­main«: auf Deutsch der Col­por­ta­ge-Ro­man und die Ad­di­ti­on – statt der Com­po­si­ti­on); die »Lei­den­schaft« an Stel­le der Un­ord­nung und der Un­mä­ßig­keit; die »Tie­fe« an Stel­le der Ver­wor­ren­heit, des Sym­bo­len-Wirr­wars.

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      80.

      Zur Kri­tik der großen Wor­te.– Ich bin vol­ler Arg­wohn und Bos­heit ge­gen Das, was man »Ide­al« nennt: hier liegt mein Pes­si­mis­mus, er­kannt zu ha­ben, wie die »hö­he­ren Ge­füh­le« eine Quel­le des Un­heils, das heißt der Ver­klei­ne­rung und Wer­ther­nied­ri­gung des Men­schen sind.

      Man täuscht sich je­des­mal, wenn man einen »Fort­schritt« von ei­nem Ide­al

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