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      Stil der Über­le­gen­heit. – Stu­den­ten­deutsch, die Sprech­wei­se des deut­schen Stu­den­ten, hat ih­ren Ur­sprung un­ter den nicht-stu­die­ren­den Stu­den­ten, wel­che eine Art von Über­ge­wicht über ihre erns­te­ren Ge­nos­sen da­durch zu er­lan­gen wis­sen, daß sie an Bil­dung, Sitt­sam­keit, Ge­lehrt­heit, Ord­nung, Mä­ßi­gung al­les Mas­ke­ra­den­haf­te auf­de­cken und die Wor­te aus je­nen Be­rei­chen zwar fort­wäh­rend eben­so im Mun­de füh­ren, wie die Bes­se­ren, Ge­lehr­te­ren, aber mit ei­ner Bos­heit im Bli­cke und ei­ner be­glei­ten­den Gri­mas­se. In die­ser Spra­che der Über­le­gen­heit- der ein­zi­gen, die in Deutsch­land ori­gi­nal ist – re­den nun un­will­kür­lich auch die Staats­män­ner und die Zei­tungs-Kri­ti­ker: es ist ein be­stän­di­ges iro­ni­sches Zi­tie­ren, ein un­ru­hi­ges, un­fried­fer­ti­ges Schie­len des Au­ges nach Rechts und Links ein Gän­se­füß­chen- und Gri­mas­sen- Deutsch.

      Die Ver­gra­be­nen. – Wir zie­hen uns ins Ver­bor­ge­ne zu­rück: aber nicht aus ir­gend ei­nem per­sön­li­chen Miß­mu­te, als ob uns die po­li­ti­schen und so­zia­len Ver­hält­nis­se der Ge­gen­wart nicht ge­nug­tä­ten, son­dern weil wir durch un­se­re Zu­rück­zie­hung Kräf­te spa­ren und sam­meln wol­len, wel­che spä­ter ein­mal der Kul­tur ganz not tun wer­den, je mehr die­se Ge­gen­wart die­se Ge­gen­wart ist und als sol­che ih­re Auf­ga­be er­füllt. Wir bil­den ein Ka­pi­tal und su­chen es si­cher­zu­stel­len: aber, wie in ganz ge­fähr­li­chen Zei­ten, da­durch, daß wir es ver­gra­ben.

      Ty­ran­nen des Geis­tes. – In un­se­rer Zeit wür­de man je­den, der so streng der Aus­druck ei­nes mo­ra­li­schen Zu­ges wäre, wie die Per­so­nen Theo­phrasts und Mo­lie­res es sind, für krank hal­ten, und von "fi­xer Idee" bei ihm re­den. Das Athen des drit­ten Jahr­hun­derts wür­de uns, wenn wir dort einen Be­such ma­chen dürf­ten, wie von Nar­ren be­völ­kert er­schei­nen. Jetzt herrscht die De­mo­kra­tie der Be­grif­fe in je­dem Kop­fe, – vie­le zu­sam­men sind der Herr: ein ein­zel­ner Be­griff, der Herr sein woll­te, heißt jetzt, wie ge­sagt, "fixe Idee". Dies ist un­se­re Art, die Ty­ran­nen zu mor­den, – wir win­ken mach dem lr­ren­hau­se hin.

      Ge­fähr­lichs­te Aus­wan­de­rung – In Ruß­land gibt es eine Aus­wan­de­rung der In­tel­li­genz: man geht über die Gren­ze, um gute Bü­cher zu le­sen und zu schrei­ben. So wirkt man aber da­hin, das vom Geis­te ver­las­se­ne Va­ter­land im­mer mehr zum vor­ge­streck­ten Ra­chen Asi­ens zu ma­chen, der das klei­ne Eu­ro­pa ver­schlin­gen möch­te.

      Die Staats-Nar­ren. – Die fast re­li­gi­öse Lie­be zum Kö­ni­ge ging bei den Grie­chen auf die Po­lis über, als es mit dem Kö­nig­tum zu Ende war. Und weil ein Be­griff mehr Lie­be er­trägt als eine Per­son, und na­ment­lich dem Lie­ben­den nicht so oft vor den Kopf stößt, wie ge­lieb­te Men­schen es tun (- denn je mehr sie sich ge­liebt wis­sen, de­sto rück­sichts­lo­ser wer­den sie meis­tens, bis sie end­lich der Lie­be nicht mehr wür­dig sind, und wirk­lich ein Riß ent­steht), so war die Po­lis- und Staats-Ver­eh­rung grö­ßer, als ir­gend je vor­her die Fürs­ten-Ver­eh­rung. Die Grie­chen sind die Staats-Nar­ren der al­ten Ge­schich­te – in der neue­ren sind es an­de­re Völ­ker.

      Ge­gen die Ver­nach­läs­si­gung der Au­gen. – Ob man nicht bei den ge­bil­de­ten Klas­sen Eng­lands, wel­che die Ti­mes le­sen, alle zehn Jah­re eine Ab­nah­me der Seh­kraft nach­wei­sen könn­te?

      Gro­ße Wer­ke und großer Glau­be. – Je­ner hat­te die großen Wer­ke, sein Ge­nos­se aber hat­te den großen Glau­ben an die­se Wer­ke. Sie wa­ren un­zer­trenn­lich: aber er­sicht­lich hing der ers­te­re völ­lig vom zwei­ten ab.

      Der Ge­sel­li­ge. – "Ich be­kom­me mir nicht gut" sag­te je­mand, um sei­nen Hang zur Ge­sell­schaft zu er­klä­ren. "Der Ma­gen der Ge­sell­schaft ist stär­ker als der mei­ni­ge, er ver­trägt mich."

      Au­gen-Schlie­ßen des Geis­tes. – Ist man ge­übt und ge­wohnt, über das Han­deln nach­zu­den­ken, so muß man doch beim Han­deln sel­ber (sei die­ses selbst nur Brief­schrei­ben oder Es­sen und Trin­ken) das in­ne­re Auge schlie­ßen. Ja, im Ge­spräch mit Durch­schnitts­men­schen muß man es ver­ste­hen, mit ge­schlos­se­nen Den­ker-Au­gen zu den­ken, – um näm­lich das Durch­schnitts-Den­ken zu er­rei­chen und zu be­grei­fen. Die­ses Au­gen-Schlie­ßen ist ein fühl­ba­rer, mit Wil­len voll­zieh­ba­rer Akt.

      Die furcht­bars­te Ra­che. – Wenn man sich an ei­nem Geg­ner durch­aus rä­chen will, so soll man so lan­ge war­ten, bis man die gan­ze Hand voll Wahr­hei­ten und Ge­rech­tig­kei­ten hat und sie ge­gen ihn aus­spie­len kann, mit Ge­las­sen­heit: so daß Ra­che üben mit Ge­rech­tig­keit üben zu­sam­men­fällt. Es ist die furcht­bars­te Art der Ra­che: denn sie hat kei­ne In­stanz über sich, an die noch apel­liert wer­den könn­te. So räch­te sich Vol­taire an Pi­ron, mit fünf Zei­len, die über des­sen gan­zes Le­ben, Schaf­fen und Wol­len rich­ten: so­viel Wor­te, so­viel Wahr­hei­ten; so räch­te sich der­sel­be an Fried­rich dem Gro­ßen (in ei­nem Brie­fe an ihn, von Fer­ney aus).

      Lu­xus-Steu­er. – Man kauft in den Lä­den das Nö­ti­ge und Nächs­te und muß es teu­er be­zah­len, weil man mit­be­zahlt, was dort auch feil steht, aber nur sel­ten sei­ne Ab­neh­mer hat: das Lu­xus­haf­te und Ge­lüst­ar­ti­ge. So legt der Lu­xus dem Ein­fa­chen, der sei­ner ent­rät, doch eine fort­wäh­ren­de Steu­er auf.

      Wa­rum die Bett­ler noch le­ben. – Wenn alle Al­mo­sen nur aus Mit­lei­den ge­ge­ben wür­den, so wä­ren die Bett­ler al­le­samt ver­hun­gert.

      Wa­rum die Bett­ler noch le­ben. – Die größ­te Al­mo­sen­spen­de­rin ist die Feig­heit.

      Wie der Den­ker ein Ge­spräch be­nutzt. – Ohne Hor­cher zu sein, kann man viel hö­ren, wenn man ver­steht, gut zu se­hen, doch sich sel­ber für Zei­ten aus den Au­gen zu ver­lie­ren. Aber die Men­schen wis­sen ein Ge­spräch nicht zu be­nut­zen; sie ver­wen­den bei wei­tem zu­viel Auf­merk­sam­keit auf das, was sie sa­gen und ent­geg­nen wol­len, wäh­rend der wirk­li­che Hö­rer sich oft be­gnügt, vor­läu­fig zu ant­wor­ten und et­was als Ab­schlags­zah­lung der Höf­lich­keit über­haupt zu sa­gen, da­ge­gen mit sei­nem hin­ter­hal­ti­gen Ge­dächt­nis­se al­les da­von­trägt, was der an­de­re ge­äu­ßert hat, nebst der Art

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