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rief in diesem Moment eine tiefe Männerstimme hinter ihnen. Bestürzt wandte sich Felicia um, als ein Herr auf Lis’ Mutter zueilte und sie liebevoll in die Arrne schloß.

      »Annette?« wiederholte sie fragend.

      »Mutti heißt Annette«, erklärte Lis. »Und das ist Daddy. Daß wir ihn haben, verdanken wir auch dem Amulett. Und noch viel mehr.«

      So lernten Henny Faller und Felicia Dr. Schönhofer kennen, mit dem Lis’ Mutter verheiratet war. Sie ließen sich von Lis später erzählen, wie sie in den Besitz des Amuletts gekommen waren.

      »Meine Schwester heißt auch Annette«, erklärte Felicia, »und sie hat auch ein solches Amulett«, fügte sie leise hinzu.

      »Das gibt es doch gar nicht«, meinte Lis verblüfft. »Es muß eine Imitation sein.«

      Felicia nickte. »Das habe ich mir auch schon gedacht. Aber ich hatte bisher keinen Beweis dafür.

      Man hat sie ganz schön hereingelegt.«

      »Das mußt du mir noch genauer erzählen«, forderte Lis. »Weißt du, zuerst habe ich das alles für Unsinn gehalten, aber jetzt glaube ich ganz fest daran, daß es Wunder vollbringt. Es sollte eben auch so sein, daß wir uns kennenlernen, und daß Mutti und deine Schwester den gleichen Vornarnen haben, muß noch eine ganz besondere Bedeutung haben.«

      »Ja, Lis, es ist sehr merkwürdig, aber für meine Schwester wird es ein sehr ernüchternder Schock sein. Vielleicht sollte ich es lieber für mich behalten.«

      »Nein, das darfst du nicht«, widersprach Lis. »Wenn sie betrogen worden ist, muß sie es auch erfahren. Hat sie es etwa von einem Mann geschenkt bekommen?«

      »Geschenkt nicht. Sie hat teuer dafür bezahlt. Nun, das Geld kann sie verschmerzen, aber daß er ein Gauner ist, wird sie sehr treffen.«

      *

      Diesen harten Schlag hatte Annette Lorenzen schon überwunden. Bob Webster und Percy Renkins waren aus ihren Gedanken verbannt, die jetzt nur Magnus von Thalau und seiner Schwester galten.

      Sie waren im Nachbarhaus eingezogen, und oft ertappte sich Annette nun dabei, wie sie sehnsüchtig hinüberschaute, um den heimlich geliebten Mann wenigstens aus der Ferne zu sehen. Ob er ihr wohl einen Antrittsbesuch machen würde, überlegte sie voller Spannung.

      Die Fenster ihres Zimmers standen offen, und so hörte sie auch den leisen Aufschrei. Sie eilte ans Fenster und sah im Nachbargarten eine Gestalt am Fuß der Terrassentreppe liegen.

      Annette überlegte nicht lange, sondern rannte in den Garten, kletterte über den Zaun und kam gerade noch zurecht, um das kleine Mädchen aufzufangen, das in seiner Aufregung auch beinahe über die Stufen gefallen wäre.

      »Mami, meine Mami ist gestolpert«, schluchzte die Kleine aufgeregt, ohne sich in diesem Augenblick zu fragen, woher denn die fremde junge Dame käme.

      »Ich werde ihr helfen. Sei ganz ruhig«, tröstete Annette und beugte sich zu Almut von Thalau herab.

      »Haben Sie sich weh getan?« fragte sie besorgt. »Ich bin Annette Lorenzen.«

      »Danke für Ihre Hilfe«, stöhnte Almut. »Ich habe wohl die Stufe verfehlt.«

      Wie schlecht muß sie sehen können, überlegte Annette mitfühlend.

      »Gestatten Sie mir, daß ich Ihnen behilflich bin?« erbot sich Annette.

      »Es ist sehr liebenswürdig von Ihnen. Ich bin nämlich allein mit Jasmin. Wein doch nicht, mein Herzchen«, wandte sie sich dann an das Kind. »Es ist ja alles wieder gut. Ich muß irgendwo hängengeblieben sein.«

      Wie tapfer sie sich bemühte, ihre Schwäche zu verbergen. Annette war erschüttert. Fürsorglich geleitete sie Almut zu einem Sessel.

      »Mami blutet«, sagte Jasmin ängstlich.

      »Es ist nur eine Schramme«, beruhigte Annette das Kind. »Zeigst du mir das Bad, Jasmin, damit ich das Blut abwaschen kann?«

      »Mein Bruder wird bald kommen. Er würde sich erschrecken«, wehrte Alrnut ab. Aber da ging schon die Tür auf, und gleich darauf erschien Magnus von Thalau. Verblüfft und bestürzt betrachtete er das Bild, das sich seinen Augen bot. Nur einen Moment sah er Annette an, dann beugte er sich liebevoll besorgt zu seiner Schwester hinab.

      »Mami ist gefallen, Onkel Magnus«, erklärte Jasmin, »aber die liebe Tante kam ganz rasch.«

      Annette errötete, als sie so genannt wurde. »Zufällig bemerkte ich es«, setzte sie verlegen hinzu.

      »Herzlichen Dank«, sagte er leise. »Verzeihen Sie, gnädiges Fräulein, daß ich Sie noch nicht begrüßt habe.«

      »Wenn es Ihnen recht ist, hole ich jetzt meine Hausapotheke«, schlug sie vor.

      »So was haben wir doch auch«, meinte er. »Hast du Schmerzen, Almut?«

      »Nein, nein«, wehrte sie ab. »Aber vielleicht dürfen wir Fräulein Lorenzen zum Tee bitten.«

      »Ja, du sonst dableiben«, mischte sich Jasmin ein. »Du warst so lieb. Wie heißt du?«

      »Annette.«

      Zutraulich griff das Kind nach ihrer Hand. »Jetzt zeig ich dir das Bad. Bist du Krankenschwester?«

      Ein unergründlicher Blick aus Magnus von Thalaus Augen tauchte Annettes Gesicht in dunkle Glut.

      »Ein wenig verstehe ich schon davon«, erwiderte sie befangen.

      Außer einer Schramme war der Sturz Almuts glücklicherweise glimpflich verlaufen. Eine halbe Stunde später konnten sie sich

      um den Teetisch setzen, und nun erst ließ Annette unauffällig den Blick durch den Raum schweifen, der außerordentlich geschmackvoll eingerichtet war. Alles strahlte Harmonie aus, auch das Verhältnis zwischen den Geschwistern, und daß Magnus von Thalau das Kind zärtlich liebte, blieb Annette ebenfalls nicht verborgen.

      Sie hatte schnell begriffen, daß Almut nicht bemitleidet werden wollte, und stellte sich darauf ein.

      »Ich werde mich jetzt verabschieden«, entschloß sich Annette. »Falls Sie Thilde brauchen, sagen Sie mir bitte Bescheid.«

      Magnus von Thalau begleitete sie hinaus. »Bleib du bei Mami«, sagte er zu Jasmin, die ihnen nachlief.

      Die Kleine machte ein enttäuschtes Gesicht. »Kommst du bald wieder, Annette?« fragte sie bittend.

      »Gern, wenn es deiner Mami recht ist«, erwiderte sie.

      »Das ist wirklich ein Kompliment«, sagte Magnus. »Jasmin ist sonst nicht so zutraulich. Ich möchte mich nochmals bei Ihnen bedanken, gnädiges Fräulein. Meine Schwester hat ein Augenleiden«, fügte er erklärend hinzu.

      »Kann man ihr denn nicht helfen?« fragte Annette beklommen.

      »Ich hoffe sehr, daß es möglich ist. Sie ist dadurch sehr scheu. Bitte, verstehen Sie das.«

      »Sie meinen, daß sie es falsch auffassen könnte, wenn ich mich ein wenig um sie kümmere?« meinte Annette enttäuscht. »Ich würde es sehr gern tun. Ich bin ja auch viel allein.«

      Sie mußte noch lange an seinen eigentümlichen Blick denken, den er ihr nach dieser Bemerkung zugeworfen hatte. War nun eine Brücke geschlagen, oder gab sie sich falschen Hoffnungen hin?

      *

      Zwei Tage vergingen, ohne daß sic den Mut hatte, zum Nachbarhaus hinüberzugehen. Es war wieder trübes, regnerisches Wetter. Sie war lustlos und unruhig und beschloß einen Brief an Felicia zu schreiben.

      Zuerst wußte sie nicht, wie sie anfangen sollte, aber dann flossen ihr die Worte plötzlich nur so aus der Feder.

      »Die Thalaus sind eingezogen. Welch ein bedauerliches Schicksal hat diese junge Frau zu tragen. Wußtest du übrigens, daß sie seine Schwester ist? Sie hat eine reizende kleine Tochter, und neulich hatten wir Gelegenheit, uns kennenzulernen.«

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