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trat an das Fenster und sah vor sich das Haus der Lorenzens. Seine Gedanken irrten ab. Da hielt ein Wagen vor dem Haus. Ein gutaussehender junger Mann stieg aus. Annette Lorenzen trat gleich darauf aus der Haustür. Der Mann küßte ihr die Hand, und sie stieg zu ihm in den beigen Wagen.

      Sehr schön und sehr damenhaft sah sie aus. Magnus von Thalau preßte die Lippen aufeinander. Er erinnerte sich genau an jenen Empfang bei den Walthers, als er ihr vorgestellt wurde. Strahlender Mittelpunkt war sie gewesen, umschwärmt und vielbegehrt. Ein sehr verwöhntes junges Mädchen nach seinem Urteil, und eine charmante Gesellschafterin, von einer Selbstsicherheit, die bei ihrer Jugend verblüffte.

      Als der Wagen an seinem neuen Haus vorbeifuhr, hatte er den Eindruck, als blickte ihn Annette Lorenzen an, aber schnell schob er den Gedanken weit von sich. Welten trennten sie. Wenn er sich auf Gesellschaften zeigte, war es nur eine Pflichtübung, sie dagegen war in diesem Milieu zu Hause.

      Es würde sich zwar nicht vermeiden lassen, ihr zu begegnen, da sie nun Nachbarn wurden, aber er nahm sich vor, diese Begegnungen auf ein Mindestmaß zu beschränken.

      *

      Beschwingten Schritts ging Felicia durch die Straßen des Kurortes, während Frau Faller, den Vorschriften des Arztes folgend, ihre Mittagsruhe einhielt.

      Das Gefühl, einen Menschen restlos glücklich gemacht zu haben, erfüllte Felicia selbst mit inniger Freude.

      Anfangs hatte sie das Hotel nur in Begleitung von Frau Faller verlassen, aber nun drängte diese darauf, daß sie auch allein ausging. Sie wollte nicht, daß Felicia sich nur ihr widmete. In den Straßen herumzubummeln und Schaufenster zu betrachten, ermüdete die alte Dame überdies rasch. Wenigstens sagte sie das, damit Felicia nicht allzuviel Rücksicht auf sie nähme.

      Felicia dagegen gewann Spaß daran, die Schaufenster der eleganten Geschäfte zu betrachten, und sie entdeckte heute ein Kleid, das ihr ganz besonders gut gefiel.

      Sie mußte jedoch erst ihre Hemmungen überwinden, bevor sie das Geschäft betrat, und kaum war es geschehen, sah sie, wie eine Verkäuferin sich an dem Schaufenster zu schaffen machte und eben dieses, von ihr bewunderte Modell, herausnahm.

      Felicia wurde noch verlegener, als eine andere Verkäuferin sie nach ihren Wünschen fragte. Der abschätzende Blick, mit dem ihr einfaches Kostüm gemustert wurde, verwirrte sie.

      »Ich interessierte mich für dieses Kleid«, erklärte sie stockend. »Aber anscheinend hat es schon eine andere Interessentin gefunden.«

      Ein junges Mädchen, das ihr bisher den Rücken zugedreht hatte, wandte sich um. Fröhliche Augen blitzten in einem frischen, natürlichen Gesicht.

      »Streiten werden wir uns darum doch nicht«, schlug das Mädchen heiter vor. »Einigen wir uns. Wem es besser steht, der bekommt es.«

      So ungezwungen und selbstsicher möchte ich auch mal sein, dachte Felicia neiderfüllt. Dabei war das Mädchen ganz sicher jünger als sie.

      »Wir haben eine große Auswahl«, meinte die Verkäuferin. »Wenn Sie sich bitte umschauen möchten, gnädiges Fräulein.«

      Das fremde junge Mädchen lachte, als sie Felicias verlegene Miene bemerkte. »Ihnen geht es wohl auch so wie mir«, vermutete sie belustigt, »ich habe ganz bestimmte Vorstellungen. Aber ich glaube tatsächlich, daß Ihnen das Kleid besser passen wird. Mein Name ist übrigens Lis Mehring.«

      Man spürte, daß sie gern mit Felicia bekannt werden wollte, die sich nun ebenfalls vorstellte.

      Felicia wußte gar nicht, wie ihr geschah. Ehe sie es sich versah, hatte sie das Kleid an, und es paßte so gut, als wäre es für sie angefertigt worden.

      Schon war das Kleid gekauft, und gemeinsam verließen die beiden Mädchen den Modesalon.

      »Mutti wird froh sein, daß ich es nicht bekommen habe«, lachte Lis. »Sie hat gleich gesagt, daß es zu elegant für mich ist. Ich bin nämlich erst siebzehn. Wie alt sind Sie?«

      Den neugierigen Blicken der Verkäuferinnen entronnen, fiel die Verlegenheit zusehends von Felicia ab. Die Fröhlichkeit ihrer Begleiterin war ansteckend.

      »Neunzehn«, erwiderte sie, »aber ich werde bald zwanzig.«

      »Darf ich Sie zu einem Kaffee einladen?« fragte Felicia, um auch von ihrer Seite aus etwas zur Verständigung beizutragen.

      »Aber nicht ›Sie‹ sagen«, verlangte Lis.

      Die gegenseitige Sympathie vertiefte sich rasch. Sie unterhielten sich angeregt, aßen Eis und dann auch noch mit dem gesunden Appetit ihrer Jugend Torte mit Schlagsahne und freuten sich, daß sie einige Wochen Gelegenheit hatten, die schnell geschlossene Freundschaft zu vertiefen.

      »Mutti muß eine Kur machen«, erzählte Lis, »und weil mich die Grippe so erwischt hatte, hat sie mich gleich mitgenommen. Ich bin nicht böse um ein paar Wochen zusätzliche Ferien. Jetzt erst recht nicht. Ein bißchen langweilig wäre es schon geworden, wenn ich immer allein hätte herumbummeln müssen. Ist die nette alte Dame Ihre Großmama?« erkundigte sie sich dann.

      »Nur eine Bekannte«, gestand Felicia verlegen. Näher wollte sie sich über ihr Verhältnis zu Henny Faller doch nicht äußern. »Aber wenn ich schon nicht Sie sagen soll, darfst du es auch nicht.«

      »Fein«, willigte Lis vergnügt ein. »Du hast mir gleich so gut gefallen. Ich finde es blöd, wenn man sich erst so lange beschnuppert. Hinterher tut es einem dann leid, wenn man viel Zeit versäumt hat.«

      Ob es Annette auch leid tut, daß sie viel Zeit mit Holger versäumt hat? ging es Felicia durch den Kopf. Lis Mehring deutete ihre nachdenkliche Miene falsch.

      »Ich bin wohl zu impulsiv«, meinte sie verlegen. »Nicht böse sein, Felicia. Sonst bin ich gar nicht so kontaktfreudig, aber manchmal mag man einen Menschen einfach.«

      »Es ist schön«, entgegnete Felicia leise. »Ich hatte noch nie eine richtige Freundin.«

      Henny Faller merkte sofort, daß Felicia etwas Nettes erlebt haben mußte. Sie freute sich, als das Mädchen ihr Erlebnis erzählte und ihr das entzückende Kleid zeigte.

      »So ist es recht, kleine Fee«, sagte sie herzlich. »Du mußt jung sein mit jungen Menschen. Die Jugend ist ja so kurz.«

      »Ich bin aber auch sehr, sehr gern mit dir beisammen, Tante Henny«, versicherte Felicia rasch. Auch sie drückte ihre herzliche Zuneigung längst durch die vertraute Anrede aus. Frau Faller war besonders glücklich gewesen, als Felicia sie gebeten hatte, sie »Tante Henny« nennen zu dürfen. So wurde ihr im Alter etwas davon zuruckgegeben, was sie viel zu früh verloren hatte, ihr Kind und ihren Mann.

      »Lis ist reizend. Sie wird dir gefallen, Tante Henny«, erzähite Felicia weiter.

      »Du bist auch reizend«, versicherte ihr Frau Faller. »Du dürftest dir dessen ruhig etwas mehr bewußt werden.«

      Bisher hatte sie sich mit solchen Bemerkungen vorsichtig zurückgehalten, aber nun faßte sie Mut. Sie hatte die versteckten Reize dieses Mädchens längst erkannt und bedauerte es, daß Felicia sie nicht mehr betonte. Doch nun, mit diesem Kleid, schien der Anfang gemacht zu sein, und die Begegnung mit Lis Mehring konnte auch nur von Vorteil sein. Davon war Henny Faller erst recht überzeugt, als sie Lis und deren Mutter kennenlernte.

      Felicia blickte die schöne Frau fast bestürzt an. Es raubte ihr fast den Atem, als sie an ihrem Hals jenes Amulett sah, das sich vor ihrer Abreise im Besitz ihrer Schwester befunden hatte. Aber nein, dieses hier mußte das echte Amulett sein. Wie es schimmerte, wie faszinierend seine Ausstrahlung war. Sie betrachtete es andächtig. Doch dann wurde ihr jäh bewußt, daß Annette dem nach Opfer eines Betrugs geworden war.

      Lis lachte, und Felicia schreckte aus ihren Gedanken empor. »Du bist natürlich auch hingerissen von dem Amulett«, stellte Lis heiter fest. »Wir haben ihn eine Menge zu verdanken, nicht wahr, Mutti?«

      »Ich kenne die Geschichte«, erklärte Felicia rasch. »Du sagst ja gar nichts mehr, Tante Henny. Durch sie habe ich nämlich von diesem Amulett erst

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