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verlaufen und er nun in der Uni-Klinik sei.

      »Eine schwere Zeit für die nette Mary Ann«, meinte Fee. »Ob sie ihm treu bleibt, wenn er blind bleiben wird?«

      »Ganz bestimmt, sie ist keine Frau, die gleich das Handtuch wirft. Hoffentlich machen seine Schwiegereltern ihr nicht das Leben schwer.«

      »Er hat doch mit ihnen nichts mehr zu schaffen«, meinte Fee. »Frau Zander ist eine nicht gerade angenehme Person. Um sie macht manch einer einen großen Bogen. Sei froh, daß du nie mit ihnen zu tun hattest, mein Schatz.«

      »Das kannst du laut sagen, Feelein. Leider gibt es mehr von der Sorte. Man sollte nicht meinen, was manche Schwiegermütter so alles anrichten können. Frau Axmann hat mir heute auch wieder ihr Leid geklagt. Es ist zu jedem Kindergeburtstag dasselbe, wenn ihre Schwiegermutter aufkreuzt. Was würdest du wohl machen, wenn du solche Schwiegermutter hättest, Feelein?«

      »Ich würde deutlich meine Meinung sagen.«

      »Und wenn ich meiner Mutter die Stange halten würde?«

      »Würdest du nicht, weil dir der Ehefrieden wichtiger wäre. Aber warum sollten wir überhaupt darüber reden, es gibt keine solchen Probleme bei uns und wir verstehen uns sogar mit der sogenannten Stiefmutter bestens.«

      »Man soll sich auch nicht einmischen. Wie oft fragen mich andere Mütter um Rat, was sie tun sollen, wenn die Kinder von den Großeltern zu verwöhnt werden oder wenn der Vater zu streng ist. Wenn ich dann hin und wieder doch mal sage, wie ich mich in solchem Fall verhalten würde, machen sie große Augen und lenken gleich ein, daß sie es ja auch mit keinem verderben wollen. Es sind ganz wenige Mütter selbst konsequent in der Erziehung.«

      »Bist du doch auch nicht.«

      »Wieso denn nicht?«

      »Wie oft hast du schon Hosen und T-Shirts umgetauscht, weil sie unseren Trabanten nicht gefallen haben.«

      »Das ist doch was anderes, mein Schatz. Das ist der persönliche Geschmack, den man akzeptieren muß.«

      »Wenn du es so siehst«, meinte er lächelnd.

      »Da wir schon mal bei den Familienbanden sind, fahren wir Ostern zur Insel?«

      »Hatten wir das nicht bereits entschieden?«

      »Wenn nichts dazwischenkommt.«

      »Dann werden wir dafür sorgen, daß nichts dazwischenkommt.«

      Dafür bekam er einen besonders zärtlichen Kuß. Sie freuten sich, wenn sie mit den Eltern zusammen sein konnten. Und die konnten es immer kaum erwarten, ihre Enkelkinder um sich zu haben.

      *

      Ein neuer Tag brach an, Mary Ann war sehr früh wach, aber sie fühlte sich gut, da sie die ganze Nacht geschlafen hatte. Sie wollte zuversichtlich sein und verdrängte trübe Gedanken. Sie nahm sich auch Zeit für das Frühstück und fuhr danach gleich zu Dr. Nordens Praxis. Er war gerade erst gekommen, und Wendy ließ Mary Ann gleich ins Sprechzimmer. Sie erstattete ihm ausführlich Bericht, soweit ihr das möglich war, aber er konnte ihr die Sorge wegen der Blindheit von den Augen ablesen.

      »Sie dürfen zuversichtlich sein«, sagte er tröstend. »Ich habe schon mehrere Fälle mit traumatischer Blindheit nach schweren Unfällen erlebt, und Professor Leine ist eine wirkliche Kapazität.«

      »Ich bin optimistisch, aber ich kenne Simon, er wird sich am liebsten verkriechen wollen und meint, daß er mir das nicht zumuten kann.«

      »Machen Sie sich jetzt nicht schon Gedanken. Wie fühlen Sie sich überhaupt selbst gesundheitlich?« Er hatte sie forschend gemustert, aber nicht gesagt, daß sie erschöpft wirkte. Er kannte sie ja ganz anders, viel vitaler und ohne diese umschatteten Augen.

      »Ich bin tatsächlich schwanger«, sagte sie leise. »Ich glaube, jetzt ist schon der dritte Monat.«

      »Dann sollten Sie auf jeden Fall zur Kontrolluntersuchung zu Dr. Leitner gehen.«

      »Ich weiß nicht, wie Simon es aufnehmen wird«, fuhr sie stockend fort. »Jetzt brauche ich es ihm ja noch nicht zu sagen, aber wenn er wieder sehen kann, wird es ihm nicht entgehen, und dann könnte es ein Schock für ihn sein. Es war doch auch ein Schock für ihn, als Sabine bei der Geburt starb, und mir wurde auch eine Risikoschwangerschaft prophezeit.«

      Dr. Norden überlegte, wie sie wohl selbst darüber denken mochte. Er wagte die Frage, ob sie eine Schwangerschaftsunterbrechung in Betracht ziehe.

      »Nein, nein«, widersprach sie heftig, »ich will das Kind, aber ich muß jetzt auch Rücksicht auf Simons körperliche und seelische Verfassung nehmen. Er wird noch mehr als vorher mich allein für sich haben wollen.«

      »Es wird so manches nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird«, sagte Dr. Norden aufmunternd. »Es ist auch für einen Mann schön, in einem Kind weiterleben zu dürfen, und er war jetzt dem Tod doch sehr nahe. Das verändert den Menschen auch. Sabines Tod hat ihn auch ins Grübeln gebracht, nicht nur deshalb, weil sein Schwiegervater unbedingt seinen Willen durchsetzen mußte und sich Sabine mehr nach ihm richtete als nach ihm. Sie blieb auch in der Ehe die verwöhnte Tochter. Ich kannte sie zwar nur flüchtig, aber mir wurde soviel erzählt von Patientinnen, daß ich mir ein Bild von ihr machen konnte, und ich glaube auch nicht, daß sie sich ihrem Mann zuliebe geändert hatte. Sie sind eine andere Frau und für ihn wohl die Richtige.«

      »Wenn man das nur immer ganz genau wüßte«, sagte Mary Ann leise. »Es ist soviel geschehen in diesen wenigen Wochen, womit man nicht rechnen konnte, und ich hätte niemals gedacht, daß wir durch solchen Schicksalsschlag plötzlich getrennt werden könnten. Mir vorzustellen, daß es ein Abschied für immer sein könnte, als ich nach Atlanta flog, quält mich heute noch, und weil ich so dankbar bin, daß wir wieder zusammen sein können, ist mir schon ziemlich bange, daß ausgerechnet das Baby eine Krise auslösen könnte.«

      »Ich kann ja verstehen, daß Simon sich um Sie sorgt, aber er wird sich auch klarwerden darüber, wie sehr Sie sich um ihn sorgen mußten und auch jetzt noch müssen. Es wird ihm doch sicher helfen, daß Sie auch bei ihm bleiben, wenn er sein Augenlicht vielleicht für immer verliert.«

      »Ich glaube eher, daß er meint, es sei ein zu großes Opfer für mich, das er nicht annehmen will. Dann ist da auch noch Frau Zander, mich friert es bei dem Gedanken an ihren Blick.«

      »Sie sind ihr begegnet, Mary Ann?«

      Sie erzählte ihm von dem Zwischenfall, und er nickte gedankenvoll. »Das sieht ihr ähnlich. Sie verändert sich nicht, oder höchstens noch mehr zum Nachteil. Sie sollten sich nicht zu sehr von solchen Nebensächlichkeiten beeinflussen lassen. Sie werden bestimmt noch öfter mit ihr konfrontiert werden, mit ihrem Mann auch. Das sind Menschen, die sich Geltung verschaffen wollen. Es wurmt sie, daß Simon nicht zu Kreuze vor ihnen gekrochen ist. Warten Sie ab, wie sich bei Simon alles entwickelt.«

      »Werden Sie sich auch um ihn kümmern? Für diese Ärzte im Klinikum ist er doch nur ein Patient wie alle anderen.«

      »An dem sie aber bedeutend mehr verdienen«, sagte Daniel ironisch, »das verschafft ihm schon eine Sonderbehandlung. Aber Haberland wie auch Leine handeln nach ethischen Grundsätzen. Sie werden ihr Bestes tun.«

      Und Mary Ann konnte sich auch nicht beklagen, als sie dann in der Klinik eintraf. Sie wurde äußerst zuvorkommend behandelt. Allerdings mußte Professor Leine ihr sagen, daß noch Tage vergehen würden, bis er eine endgültige Prognose stellen konnte.

      Die Kopfverletzung mußte erst ausheilen, und die Gehirntätigkeit mußte genau kontrolliert werden.

      »Es könnte mehr schaden als nützen, wenn man den Patienten jetzt mit belastenden Untersuchungen quälen würde«, erklärte er. »Es wird ihm auch helfen, wenn seine Psyche wieder ins Gleichgewicht kommt. Ihre Nähe wird ihm bestimmt sehr helfen.«

      Mary Ann seufzte in sich hinein. Sie hoffte es ja so sehr, aber sie wurde den Gedanken doch nicht los, daß Simon anders reagieren könnte, als sie es sich sehnlichst wünschte. Sie saß an seinem Bett, streichelte seine Hände und sagte ihm, was sie fühlte.

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