Скачать книгу

Zeit gewußt. Aber es ist schwer, es zu glauben.«

      Daniel vermeinte erstaunt, eine gewisse Erleichterung in ihrer Stimme zu hören, doch sie sprach sofort weiter. »Ich war spazieren am See, und er war ganz allein hier. Vielleicht hätte ich ihm helfen können.«

      »Nicht einmal ich hätte ihm helfen können. Es muß heute nacht passiert sein.«

      »Und ich lag neben ihm.«

      »Sie dürfen sich keine Vorwürfe machen, Frau von Steinert. Ich vermute, daß Ihr Mann ganz friedlich eingeschlafen ist. Vermutlich hat sein Herz einfach aufgehört zu schlagen.«

      »Kann das sein?«

      »Natürlich, wenn ein altes Herz müde und verbraucht ist.«

      »Er hat immer zuviel Kaffee getrunken und viel zuviel geraucht. Ich habe ihm so oft gesagt, daß er besser auf sich aufpassen soll, aber er hat nie auf mich gehört.« Das entsprach den Tatsachen und überzeugte Daniel davon, daß Paula unter Schock stand.

      Jetzt mischte sich Schwester Karin ein, die wortlos neben Daniel gestanden hatte. »Kommen Sie, Frau von Steinert, gehen wir eine Tasse Tee trinken. Dann können Sie reden, wenn Sie wollen«, bot sie verständnisvoll an. Es verstand sich von selbst, daß die Schwestern auf der Insel der Hoffnung auch für diesen Fall gerüstet und psychologisch geschult waren.

      »Ja, vielen Dank«, erklärte sich Paula sofort einverstanden und suchte nach ihrer Jacke. Sie machte einen leicht verwirrten Eindruck, doch Karin wich nicht von ihrer Seite.

      Daniel stand noch einen Augenblick unschlüssig im Zimmer. Dann warf er einen letzten Blick auf Eduard von Steinert, seufzte tief und machte sich dann auf den Weg, um seine traurigen Pflichten zu erfüllen. Nachdem alle Formalitäten erledigt waren, konnte er es kaum erwarten, wieder bei seiner Familie zu sein. Er entschuldigte sich bei seinem Schwiegervater Johannes Cornelius und versicherte, am Nachmittag wieder zur Verfügung zu stehen, bevor er das Büro verließ und eilig die Richtung zu seinem Familiendomizil einschlug.

      »Feelein, es tut mir so leid«, stieß er atemlos hervor und drückte seine Frau, die gerade in der Küche zu tun hatte, zärtlich an sich. »Kannst du mir verzeihen?«

      »Aber Daniel, natürlich verzeihe ich dir«, erklärte sie überrascht und schob ihn ein wenig von sich, um ihn aufmerksam zu mustern. Sie kannte ihn nun schon viele Jahre, um zu wissen, daß etwas geschehen sein mußte. »Was ist?«

      »Zuerst mußt du mir versprechen, daß wir uns nie mehr im Streit trennen werden«, stieß er hervor.

      »Aber ich war es doch nicht, die davongelaufen ist.« So aufgelöst hatte Fee ihren Mann schon lange nicht mehr gesehen.

      »Ich bin ganz durcheinander«, gestand er daraufhin.

      »Setz dich, und beruhige dich erst einmal!« Mit sanfter Gewalt drückte sie ihn auf einen Stuhl und setzte sich neben ihn. Er seufzte tief, bevor er erzählte, was geschehen war.

      »Wie traurig.« Tief betroffen senkte Fee den Blick.

      »Du mußt wissen, wie sehr ich dich liebe und immer lieben werde, egal, was zwischen uns passiert.«

      »Ich liebe dich auch, Daniel«, flüsterte sie, bevor er sie wieder in seine Arme schloß und festhielt, als wollte er sie nie mehr loslassen.

      *

      Ein paar Tage später mußte sich Daniel Norden schweren Herzens auf den Weg nach München machen, wo die Beerdigung von Eduard von Steinert stattfinden sollte. Johannes und seine Frau Anne waren auch dazu gebeten worden, doch diese entschuldigten sich mit gutem Grund.

      Das Haus war wie fast immer ausgebucht, und sie benötigten ihre ganze Kraft, um sich den Ruhebedürftigen widmen zu können. Paula von Steinert hatte dafür vollstes Verständnis und bedankte sich bei ihrer Abreise herzlich bei den beiden. Noch immer drang die Realität nicht ganz zu ihr durch, doch als sie von ihrer Tochter Katharina und deren Mann Joachim abgeholt wurde, schaute sie nicht zurück.

      »Fahr vorsichtig, Liebster!« verabschiedete sich Fee liebevoll von Daniel, und die Kinder winkten lange, bis sein Wagen verschwunden war. Gott sei Dank herrschte nicht viel Verkehr, und er kam zügig voran, so daß er überpünktlich ankam, um der Zeremonie beizuwohnen.

      »Vielen Dank, daß Sie gekommen sind!« Paula bedankte sich herzlich, als er ihr später die Hand reichte, um ihr sein Beileid auszudrücken. Sie machte einen erstaunlich gefaßten Eindruck, was er ihr auch sagte.

      »Sie dürfen mich nicht für herzlos halten, Herr Dr. Norden«, erklärte sie leise. »Aber in meinem Alter hat der Tod seinen Schrecken verloren.« Sie verstummte und blickte zu Boden. Das war zwar die Wahrheit, doch Daniel bemerkte sofort, daß das nicht alles war. Paula von Steinert verschwieg etwas, doch dies war nicht der richtige Augenblick, um Vertraulichkeiten auszutauschen.

      »Ich habe immer ein offenes Ohr für Sie«, versicherte er ihr statt dessen, und sie sah ihn dankbar an, bevor er sich verabschiedete.

      »Was hast du denn mit dem Arzt besprochen?« erkundigte sich Katharina kurz darauf argwöhnisch. Schon seit ihrer Rückkehr kam ihr ihre Mutter sehr seltsam vor. Das mochte an der Trauer liegen, obwohl Paula offenbar noch keine einzige Träne um ihren Mann vergossen hatte.

      »Nur das übliche, mein Kind«, gab Paula indes lapidar zur Antwort. Sie hatte den Unmut ihrer Tochter bemerkt und wollte sich auf keinen Fall in eine Diskussion verstricken lassen.

      Beleidigt wandte sich Katharina ab.

      »Das sieht Mutter wieder ähnlich«, beschwerte sie sich kurz darauf bei ihrem Mann Joachim.

      »Was meinst du?« Verständnislos blickte er seine Frau an. Er wußte, daß es um das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter nicht zum Besten stand und hatte auch oft etwas an Paulas Eigenheiten auszusetzen. Doch diesmal sah er keinen Grund zur Aufregung.

      »Dieses Getuschel mit dem Arzt! Daniel Norden heißt er. Sie ist sogar rot geworden.«

      »Na und? Er wird ihr sein Beileid ausgedrückt haben.«

      »Na, ich weiß nicht«, bezweifelte Katharina argwöhnisch. »Außerdem finde ich es seltsam, daß Mutter Vater offenbar keine Träne nachweint«, fügte sie bissig hinzu.

      »Wahrscheinlich hat sie es noch gar nicht richtig erfaßt, was geschehen ist. Wenn sie erst einmal zur Ruhe gekommen ist, wird auch die Trauer kommen. Außerdem scheinst du auch nicht gerade sehr ergriffen zu sein. Und er war immerhin dein Vater!« Prüfend blickte er seine Frau an, doch diese machte wutschnaubend auf dem Absatz kehrt und schenkte ihm für den Rest des Tages keine Beachtung mehr.

      Auch Katja Petzold, die neunzehnjährige Tochter Katharinas und Joachims, beobachtete Paula sehr genau. Dies geschah allerdings aus einem ganz anderen Grund. Im Gegensatz zu Katharina und ihrer Mutter verstanden sich Oma und Enkeltochter um so besser, was dieser zusätzlichen Grund zur Eifersucht gab.

      »Kann ich dich einmal sprechen, Oma?« erkundigte sich Katja in einem unbeobachteten Moment. Es war inzwischen später Nachmittag, und die Trauergäste verabschiedeten sich allmählich.

      »Natürlich, Kind, was gibt es denn?« Wie immer freute sich Paula, wenn Katja ihre Nähe suchte und blickte sie liebevoll an.

      »Geht es dir gut?« Forschend blickte sie der Oma in die Augen. Doch vor Katja hatte Paula keine Geheimnisse. Verschwörerisch blinzelte sie ihr zu.

      »Es ist alles sehr anstrengend, und ich bin ein bißchen erschöpft. Ansonsten fühle ich mich nach dem ersten Schock wie befreit.«

      Katja nickte verständig. »Ich kann es dir nachfühlen«, flüsterte sie, nachdem sie sich vorsichtig umgeschaut hatte.

      »Wenn du morgen zu mir kommst, erzähle ich dir eine Geschichte.«

      In Katjas Augen blitzte es auf. Sie liebte die Erzählungen ihrer Großmutter über alles. »Eine neue Geschichte?«

      »Ja! Und eine wahre dazu!« Paula lächelte geheimnisvoll, doch als sie über die Köpfe der verbliebenen Gäste hinweg den Blick ihrer

Скачать книгу