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wir denn völlig im Dunkeln über Fräulein Rachel und über den Mondstein. In Betreff des Fräuleins war Mylady außer Stande, uns zu helfen. In Betreff des Mondsteins war Seegreaf, wie der Leser gleich sehen wird, sehr bald mit seinem Latein zu Ende.

      Nachdem unser erfahrener Beamter das ganze Boudoir durchstöbert hatte, ohne in oder an den Möbeln Etwas zu entdecken, wandte er sich an mich mit der Frage, ob die Dienstboten im Allgemeinen die Stelle kannten, an die der Diamant während der Nacht gelegt worden sei, oder nicht.

      »Um mit mir anzufangen,« antwortete ich, »so habe ich um den Platz gewußt, der Diener Samuel desgleichen; denn er war dabei, als die Herrschaften in der Halle darüber sprachen, wohin der Diamant während der Nacht gelegt werden solle. Meine Tochter ferner wußte ebenfalls darum, wie sie Ihnen bereits gesagt hat. Vielleicht daß Samuel der Sache gegen die anderen Dienstboten Erwähnung gethan hat, oder daß die übrigen Dienstboten das Gespräch durch die Seitenthür der Halle, welche nach der Hintertreppe führt und vielleicht offen stand, selbst mitangehört haben. Es ist also möglich, daß alle Leute im Hause um den Platz, auf dem der Diamant sich in dieser Nacht befand, gewußt haben.«

      Da meine Antwort für den Verdacht des Beamten ein weites Feld darzubieten schien, so suchte er dasselbe zunächst durch Erkundigungen über die Charaktere der Dienstboten zu begrenzen.

      Ich dachte auf der Stelle an Rosanna Spearman; aber es war weder meines Amtes, noch wünschte ich den Verdacht auf das arme Mädchen zu lenken, deren Rechtlichkeit, so lange ich sie gekannt hatte, über jeden Zweifel erhaben gewesen war. Die Hausmutter in der Besserungs-Anstalt hatte sie Mylady als ein Mädchen bezeichnet, daß ihr früheres Vergehen aufrichtig bereut habe und durchaus vertrauenswürdig sei. Es war die Sache des Beamten, selbst Verdachtsgründe gegen sie aufzufinden, und nur wenn er das gethan haben würde, aber auch nur dann würde es meine Pflicht sein, sagte ich mir, ihm mitzutheilen, wie sie in Mylady’s Dienste gekommen sei.

      »Gegen keinen unserer Leute liegt irgend etwas vor,« sagte ich, »und Alle verdienen das Vertrauen, das ihre Herrin zu ihnen zeigt.«

      Darauf gab es nur noch eine Sache für Herrn Seegreaf zu thun, nämlich sich selbst über die Persönlichkeiten der Dienstboten zu unterrichten. Einer nach dem Andern wurden sie inquirirt und Einer nach dem Andern hatten Nichts zu sagen und sagten dieses Nichts, sofern sie dem weiblichen Geschlecht angehörten, mit großer Ausführlichkeit und mit einem sehr entschiedenen Ausdruck der Entrüstung über das auf ihre Schlafzimmer gelegte Sequester.

      Nachdem die Uebrigen wieder in die Küchenräume hinuntergeschickt waren, wurde Penelope vorgefordert und allein zum zweiten Male inquirirt.

      Der kleine Zornausbruch meiner Tochter bei dem ersten Verhör in dem Boudoir, bei dem sie sich aus der Stelle beschuldigt geglaubt hatte, schien einen ungünstigen Eindruck auf unsern Polizeibeamten hervorgebracht zu haben. Ersichtlich beschäftigte ihn noch der Gedanke, daß sie die letzte Person gewesen war, welche den Diamanten am vorigen Abend gesehen hatte.

      Als das zweite Verhör vorüber war, kam meine Tochter ganz außer sich zu mir. Es war kein Zweifel mehr, der Beamte hatte ihr so gut wie gesagt, daß sie die Diebin sei. Ich konnte kaum glauben, daß er ein solcher Esel sei, selbst wenn ich mir Herrn Franklin’s Auffassung aneignete. Aber gewiß ist, daß er meine Tochter mit keinem freundlichen Auge ansah.

      Ich lachte über die Sache als über etwas, das zu abgeschmackt war, um ernsthaft behandelt zu werden. Innerlich aber war ich, glaube ich, närrisch genug, gleichfalls sehr aufgebracht darüber zu sein. Die Sache war in der That recht fatal. Meine Tochter setzte sich, ihr Gesicht mit der Schürze bedeckend, in eine Ecke und weinte bitterlich.

      Vielleicht finden meine Leser das närrisch und finden, sie hätte warten können, bis er sie offen anklagte. Nun ja. Als gerechter und unparteiischer Mensch gebe ich das zu. Der Beamte hätte billig bedenken müssen, – Ach, was! Hol’ ihn der Teufel!

      Der nächste und letzte Schritt in der Untersuchung brachte die Dinge, wie man es nennt, zu einer Krisis. Der Beamte hatte eine Besprechung mit Mylady, bei der ich zugegen war. Nachdem er ihr mitgetheilt, daß der Diamant nothwendig von Jemandem im Hause genommen sein müsse, erbat er für sich und seine Leute die Erlaubniß, die Zimmer und Sachen der Dienstboten auf der Stelle durchsuchen zu dürfen.

      Meine großmüthige und edeldenkende Herrin weigerte sich, uns wie Diebe behandeln zu lassen.

      »Ja; ich werde niemals meine Zustimmung dazu geben,« sagte sie, »daß die treuen Leute, die in meinen Diensten stehen, so behandelt werden.«

      Der Herr Oberbeamte verneigte sich mit einem Blick auf mich, in dem deutlich zu lesen stand: »Warum haben Sie mich kommen lassen, wenn Sie mir die Hände binden wollen?«

      Als Chef der Dienerschaft fühlte ich auf der Stelle, daß es unsere Pflicht und Schuldigkeit gegen alle Betheiligten sei, bei dieser Gelegenheit von der Großmuth unserer Herrin keinen Gebrauch zu machen.

      »Wir sind Ihnen zu großem Dank verpflichtet, gnädige Frau,« sagte ich; »aber wir bitten Sie um die Erlaubniß, das zu thun, was bei dieser Gelegenheit das Richtigste ist, indem wir unsere Schlüssel abgeben. Wenn Gabriel Betteredge mit gutem Beispiel vorangeht,« sagte ich, den Oberbeamten Seegreaf an der Thür zurückhaltend, so werden die übrigen Dienstboten folgen; dafür stehe ich Ihnen. Hier übergebe ich Ihnen, um den Anfang zu machen, meine Schlüssel.«

      Mylady ergriff meine Hand und dankte mir mit Thränen in den Augen. Herr Gott! was hätte ich nicht in dem Augenblick darum gegeben, wenn ich den Herrn Seegreaf hätte zu Boden werfen können!

      Wie ich es vorhergesagt hatte, folgten die übrigen Dienstboten meinem Beispiel, natürlich mit Widerstreben, aber Alle in derselben Ueberzeugung in der ich gehandelt hatte. Es war der Mühe werth, die Frauenzimmer anzusehen. als die Polizeibeamten in ihren Sachen herumwühlten. Die Köchin sah aus, als ob sie den Herrn Oberbeamten lebendig auf dem Rost braten möchte, und die anderen Frauenzimmer, als ob sie ihn, wenn er gar wäre, gern verzehren würden.

      Nachdem die Durchsuchung vorüber war und kein Diamant, auch nicht die Spur eines Diamanten sich gefunden hatte, zog sich Herr Seegreaf in ein kleines Zimmer zurück, um mit sich zu Rathe zu gehen, was nun zunächst zu thun sei. Er und seine Leute waren jetzt schon viele Stunden in unserem Hause und hatten uns noch keinen Zoll breit in der Auffindung des Mondsteins oder der Person, auf die man einen begründeten Verdacht werfen könnte, gefördert.

      Während der Polizeibeamte noch so schweigend und nachdenklich da saß, wurde ich zu Herrn Franklin in die Bibliothek beordert. Zu meinem unaussprechlichen Erstaunen wurde die Thür des Bibliothekzimmers gerade in dem Augenblick, wo ich die Hand auf den Griff legte, plötzlich von innen geöffnet und heraus trat Rosanna Spearman. Nachdem die Bibliothek am Morgen gefegt und gereinigt war, hatte keines der Hausmädchen irgend etwas mehr im Zimmer zu thun. Ich hielt Rosanna Spearman an und machte ihr auf der Stelle Vorwürfe über ihren Verstoß gegen die häusliche Disciplin.

      »Was hast Du zu dieser Tagesstunde in der Bibliothek zu thun?« fragte ich.

      »Herr Franklin Blake hat einen seiner Ringe oben fallen lassen,« antwortete Rosanna, »und ich bin in die Bibliothek gegangen, um ihn ihm wieder zu bringen.»

      Ein tiefes Roth überflog das Gesicht des Mädchens, als sie mir diese Antwort gab, und sie ging, indem sie den Kopf in den Nacken warf und mir einen hochmüthigen Blick zuwarf, den ich mir auf keine Weise zu erklären wußte. Ohne Zweifel hatten die Vorgänge im Hause allen Frauenzimmern im Hause den Kopf verdreht, aber mit Keiner war eine solche Veränderung vorgegangen, wie allem Anscheine nach mit Rosanna.

      Ich fand Herrn Franklin am Bibliothektisch sitzend und schreibend. Er bat mich, sowie ich in’s Zimmer trat, ihm einen Wagen zu besorgen, um nach der Eisenbahnstation zu fahren. Der ernste Ton seiner Stimme überzeugte mich, daß die entschlossene Seite seines Wesens jetzt wieder entschieden die Oberhand gewonnen hatte. Der Wattenmann war verschwunden und der eiserne Mann saß wieder vor mir.

      »Wollen Sie nach London, Herr Franklin?« fragte ich.

      »Ich will nach London telegraphiren,« sagte er. »Meine Tante hat sich überzeugt, daß wir einen klareren Kopf, als den des Oberbeamten Seegreaf brauchen, um uns zu helfen, und sie hat mir erlaubt, an meinen Vater zu telegraphiren. Er kennt

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