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Der Mondstein. Уилки Коллинз
Читать онлайн.Название Der Mondstein
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Уилки Коллинз
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
Ich wüßte kaum zu sagen, ob mich diese Worte mehr entsetzten oder mehr betrübten. Wäre ich jünger gewesen, so hätte ich mich über diesen Eindruck gegen Herrn Franklin ausgesprochen; aber wenn man älter wird, eignet man sich eine vortreffliche Gewohnheit an: nämlich in Fällen, wo man seiner Sache nicht ganz gewiß ist, lieber zu schweigen.
»Sie war eben hier, um mir einen Ring zu bringen, den ich in meinem Schlafzimmer hatte fallen lassen,« fuhr Herr Franklin fort. »Als ich ihr gedankt hatte, erwartete ich natürlich, daß sie wieder fortgehen würde. Statt dessen stellte sie sich mir gegenüber an den Tisch und sah mich in der sonderbarsten Weise, halb schüchtern und halb vertraulich an.«
»Das, ist eine komische Geschichte mit dem Diamanten, Herr Franklin!« fing sie plötzlich in einem ängstlich-hastigen Ton an.
Ich sagte: »Ja wohl!« und war begierig zu hören, was sie weiter vorzubringen hatte. Auf mein Ehrenwort, Betteredge, ich glaube, das Mädchen ist nicht richtig im Kopfe. Sie sagte: »Sie werden den Diamanten nie finden, nicht wahr, Herr? nein, so wenig wie den, der ihn genommen hat; dafür stehe ich!« Dabei nickte sie und lächelte mir zu; aber ehe ich sie noch fragen konnte, was sie damit meine, hörten wir Ihre Schritte vor der Thür.
Ich glaube, sie war bange, von Ihnen hier getroffen zu werden; jedenfalls wurde sie roth und ging rasch hinaus.«
Was in aller Welt hatte Das zu bedeuten? Selbst in diesem Augenblick konnte ich’s nicht über mich gewinnen, ihm die Geschichte des Mädchens zu erzählen. Das wäre beinahe so gut gewesen, als wenn ich ihm gesagt hätte, sie ist die Diebin. Und selbst wenn ich mich darüber ausgesprochen hätte, und selbst angenommen, sie wäre die Diebin gewesen, so war es doch damit um nichts klarer, warum sie gerade Herrn Franklin ihr Geheimniß hatte anvertrauen wollen.
»Ich kann den Gedanken nicht ertragen, das arme Mädchen unglücklich zu machen, nur weil ihre auffallenden Manieren und ihre sonderbare Sprache etwas Verdächtiges haben. Und doch, hätte sie dem Oberbeamten gesagt, was sie mir anvertraut hat, ich fürchte, trotz seiner Beschränktheit würde er —« hier hielt er inne —
»Das Beste wird sein,« sagte er, »wenn ich bei der ersten Gelegenheit Mylady zwei Worte über die Sache sage. Mylady nimmt sehr herzlichen Antheil an Rosanna, und am Ende ist das Mädchen doch nur voreilig und albern gewesen. Wenn irgend etwas im Hause begangen worden ist, so denken die weiblichen Dienstboten gern gleich das Schlimmste, sie meinen sich dadurch eine Art Wichtigkeit zu geben. Wenn Jemand im Hause krank ist, so werden sie sicher seinen Tod prophezeien, wenn ein Edelstein verloren ist, so werden sie ganz gewiß prophezeien, daß er nicht wiedergefunden werden wird.«
Diese Art, die Sache anzusehen, welche ich, offen gestanden, bei näherer Erwägung selbst für die richtige hielt, schien Herrn Franklin bedeutend zu erleichtern. Er legte sein Telegramm zusammen und ließ den Gegenstand fallen.
Auf meinem Wege nach dem Stall, wo ich den Ponywagen anspannen lassen wollte, warf ich im Vorbeigehen einen Blick in das Domestikenzimmer, wo die Leute gerade bei Tische saßen; Rosanna Spearman war nicht unter ihnen; als ich mich nach ihr erkundigte, erfuhr ich, daß sie plötzlich unwohl geworden und aus ihr Zimmer gegangen sei, um sich zu Bette zu legen.
»Sonderbar,« bemerkte ich, »sie schien vorhin noch ganz wohl.«
Penelope kam heraus, um mit mir zu gehen. »Bitte Vater,« sagte sie, »sprich nicht so vor den übrigen Leuten. Sie werden dadurch nur in ihrem Mißtrauen gegen Rosanna bestärkt. Das arme Ding härmt sich über Herrn Franklin Blake.«
Von dieser Seite hatte ich das Benehmen des Mädchens noch nicht angesehen. Wenn Penelope Recht hatte, so ließe sich Rosanna’s auffallendes Betragen und ihre sonderbare Sprache genügend dadurch erklären, daß sie in den Tag hineinredete, so lange sie nur Herrn Franklin dahin bringen konnte, sich mit ihr zu unterhalten. Wenn das die richtige Lösung des Räthsels war, so ließ sich damit auch vielleicht ihr übermüthiges Benehmen gegen mich, als sie mir in der Halle begegnete, erklären. Wenn er nur drei Worte mit ihr gesprochen, so hatte sie doch ihren Zweck erreicht – er hatte sich mit ihr unterhalten.
Ich ließ das Pony anschirren. In der Stimmung, in die mich das höllische Netz von Geheimnissen und Ungewißheiten versetzte, in das wir verstrickt waren, empfand ich es als eine Wohlthat, zu beobachten, wie vortrefflich sich die Riemen und Schnallen des Pferdegeschirrs ineinanderfügten. Wenn man das Pony zwischen die Deichsel gespannt sah, so hatte man einen vollkommen klaren und sicheren Anblick vor sich und das war, wie ich den Leser versichern kann, in unserem Hause nachgerade einer der seltensten Genüsse geworden.
Als ich den Wagen vor die Hauptthür führte, fand ich nicht nur Herrn Franklin, sondern auch Herrn Godfrey und den Oberbeamten Seegreaf auf den Stufen der Treppe meiner wartend. Weiteres Nachdenken hatte den Herrn Oberbeamten, nachdem er in den Zimmern und Sachen der Domestiken vergeblich nach dem Diamanten gesucht, allem Anschein nach zu einem neuen Beschluß geführt. Indem er immer noch bei seiner Ansicht, daß Jemand im Hause den Edelstein gestohlen habe, beharrte, war unser erfahrener Beamter jetzt weiter zu dem Schluß gelangt, daß der Dieb (er hütete sich wohl, Penelope zu nennen, wenn er auch vielleicht an sie dachte) im Einverständniß mit den Indiern gehandelt habe, und proponirte demgemäß seine Untersuchungen jetzt auf die Jongleurs im Gefängniß von Frizinghall zu erstrecken. Als Herr Franklin von dieser neuen Wendung der Angelegenheit gehört, hatte er sich erboten, den Beamten nach der Stadt zu fahren, von wo aus er ebenso leicht wie von der Station nach London telegraphiren konnte. Herr Godfrey, der noch ebenso fest wie früher an Herrn Seegreaf glaubte und lebhaft wünschte, dem Verhör der Indier beizuwohnen, hatte um Erlaubniß gebeten, den Beamten nach Frizinghall begleiten zu dürfen.
Einer der beiden unteren Polizeibeamten sollte für den Fall, daß sich inzwischen irgend etwas ereignete, bei uns bleiben, der andere sollte mit dem Oberbeamten nach der Stadt zurückkehren. So waren also die vier Plätze im Ponywagen gerade besetzt. Bevor er die Zügel ergriff, um wegzufahren, nahm Herr Franklin mich noch einen Augenblick bei Seite.
»Ich werde mit dem Telegraphiren nach London warten,« sagte er, »bis ich sehe, was das Verhör der Indier ergiebt. Nach meiner festen Ueberzeugung tappt dieser dickköpfige Lokal-Polizeibeamte noch eben so sehr im Dunkeln wie früher und will nur Zeit gewinnen. Die Idee, daß irgend Jemand von unseren Domestiken mit den Indiern im Bunde sei, ist meiner Ansicht nach eine unerhörte Albernheit. Halten Sie sich zu Hause, Betteredge, bis ich zurückkomme, und sehen Sie zu, ob Sie über Rosanna Spearman in’s Klare kommen können. Ich verlange von Ihnen nichts, was Sie in Ihrer eigenen Achtung herabsetzen oder das arme Mädchen schwer kränken müßte. Ich bitte Sie nur, sie schärfer als gewöhnlich zu beobachten. Wir wollen die Sache vor meiner Tante so leicht wie möglich nehmen, aber sie ist von größerer Bedeutung, als Sie denken.«
»Ich weiß,« sagte ich, in der Meinung, daß er von dem Werth des Diamanten rede, »daß es sich um 20,000 Pfund handelt.«
»Es handelt sich vielmehr darum, Rachels Gemüth zu beruhigen,« erwiderte Herr Franklin, »ich bin sehr besorgt um sie.«
Mit diesen Worten ließ er mich plötzlich stehen, wie wenn er jede weitere Unterhaltung zwischen uns abschneiden wollte. Ich glaubte seine Gründe zu verstehen. Eine Fortsetzung unseres Gesprächs hätte mir vielleicht Das offenbaren können, was Fräulein Rachel ihm auf der Terrasse anvertraut hatte. Und so fuhren sie ab nach Frizinghall.
Ich wünschte in Rosanna’s eigenem Interesse ein Paar Worte im Vertrauen mit ihr zu reden, aber die passende Gelegenheit wollte sich nicht darbieten. Sie kam erst zur Theestunde wieder hinunter; sie war unruhig und aufgeregt bekam, wie sie es nennen, einen hysterischen Anfall, mußte auf Mylady’s Ordre etwas flüchtiges Salz nehmen und ward wieder zu Bett geschickt. Der Tag schleppte sich trübselig hin; Fräulein Rachel blieb auf ihrem Zimmer und erklärte, sie sei zu krank, um zum Essen herunter zu kommen. Mylady war so bekümmert über ihre Tochter, daß ich es nicht über mich gewinnen konnte, ihre Besorgniß noch durch den Bericht über das zu steigern, was Rosanna zu Herrn Franklin gesagt hatte. Penelope beharrte bei dem festen Glauben, daß ihr