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war.

      Ohne Abneigung gegen Marius zu empfinden, liebte ihn Monsieur Coumbes nicht. Er war völlig unfähig, die Mutterfreuden zu schätzen; aber er rechnete zu gut, um nicht die Kosten abzumessen.

      Milette opferte für die Erziehung ihres Kindes den bescheidenen Lohn, den Monsieur Coumbes ihr so pünktlich zahlte, als wenn ihr Gesang ihn nicht zuweilen begeistert hätte, und Monsieur Coumbes beklagte die arme Frau und bedauerte die Opfer, die sie sich aufzuerlegen genöthigt war, um diesem kleinen Burschen das Abc lernen zu lassen, und erleichterte dieselben gewöhnlich durch das sparsame Mitleid, welches er ihr bezeugte und welches er nicht nur durch Beileidsbezeugungen, sondern auch durch heftige Verweise, die er dem Knaben zu Theil werden ließ, kund gab.

      Als dieser Letztere herangewachsen war, gestaltete sich die Sache anders! Monsieur Coumbes hatte zu einem persönlichen Trost einen Grundsatz erfunden, den wir allen denjenigen empfehlen, welchen die Aufrichtigkeit ihres Spiegels unangenehme Wahrheiten sagt: er behauptete, daß ein hübscher Bursche nothwendigerweise ein schlechtes Subject sei; und Marius wurde entschieden ein hübscher Bursche. Die Stirn des Monsieur Coumbes wurde finsterer, wenn er ihn ansah. Er schalt Milette, daß sie eine thörichte Zärtlichkeit für ihr Kind zeige, indem er behauptete, daß ihre Liebe zu ihm sie von ihren häuslichen Pflichten ablenke. Er beklagte sich wiederholt über die Nachlässigkeit, die sie, wie er sagte, bei der Zubereitung irgend eines Gerichts gezeigt, und schrieb dieselbe der Zerstreuung zu, die dieser herbeiführe, den er zum voraus den Taugenichts nannte, und zu gleicher Zeit übte er vermöge seiner Folgerichtigkeit eine beständige Wachsamkeit über eine Börse aus; denn er hielt es bei den Augen, die der junge Mann besaß, für unmöglich, daß er sie ihm nicht einst rauben sollte.

      Die Folge dieser Stimmung des Monsieur Coumbes war, daß Milette sich genöthigt sah, sich zu verbergen, um ihr Kind zu umarmen. Dieser schien es nicht zu bemerken. Er besaß einen angebornen Adel der Seele, die erhabenen Gesinnungen, die seine Mutter auszeichneten.

      Milette hatte ihn mit der Vergangenheit unbekannt gelassen; sie hatte ihm Nichts von ihrer traurigen Geschichte erzählt, aber sie wiederholte ihm ohne Aufhören, daß er denjenigen lieben und verehren müsse, welchen sie niemals anders als seinen Wohlthäter nannte; und das Kind hatte sich gezwungen, die Erkenntlichkeit kund zu geben, wovon ein Herz überströmte, und die er empfunden haben würde, selbst wenn Monsieur Coumbes keinen weiteren Anspruch gehabt hätte, als die Zuneigung, die er einer Mutter einzuflößen gewußt hatte, welche Marius so zärtlich liebte.

      Wenn Marius, als er größer wurde, fortfuhr, Monsieur Coumbes viel Sorgfalt und Aufmerksamkeit zu erweisen, so fügte er noch eine Geduld ohne Grenzen und voll Respekt hinzu. Es war einleuchtend, daß der junge Mann bei einem Scharfblick errathen zu haben glaubte, daß festere Bande, als die der Wohlthat zwischen dem Packträgermeister und ihm herrschten.

      Was ihn in diesem Glauben bestärken konnte, war, daß Monsieur Coumbes, als er sich nach und nach gewöhnt hatte, ihn Vater zu nennen, Nichts dagegen hatte. Als Monsieur Coumbes Marseille verließ, um nach Montredon zu ziehen, war Milettens Sohn seit einem Jahre als subalterner Commis in ein Handlungshaus eingetreten, und jeden Abend machte er sich aus dem Staube, um seine Mutter zu umarmen. Es war dieser Abendkuß, den sie verlieren sollte, welcher Milette das Bedauern einflößte, welches ihr die Stadt zu verursachen schien. Sie wurde so traurig, daß Monsieur Coumbes es bemerkte. Er war so freudig über die ganze Linie zu siegen, alle Spötter zum Schweigen gebracht zu haben, welche behauptet hatten, um Bäume in einem Garten zu haben, würde er genöthigt sein, sich die Decorationen von dem großen Theater zu borgen, so daß er sein Glück nicht durch Miletten's Gesicht wollte stören lassen.

      Er erlaubte ihr folglich, ihren Sohn jeden Sonntag kommen zu lassen.

       Fünftes Kapitel

      Worin man sieht, daß es zuweilen unangenehm ist, schöne Erbsen in seinem Garten zu haben

      Um die Mitte des Sommers des Jahres 1845 geschah ein Ereigniß, welches auf seltsame Weise auf das Leben des Monsieur Coumbes einwirkte. Eines Abends, als er sich des Schattens seines Feigenbaums, vereint mit dem seines Hauses erfreute und halb zurückgelehnt auf seinem Stuhle saß, den Kopf auf die letzte Querstange gelehnt, folgte er mit dem Auge nicht den vergoldeten Wolken, die nach Westen hinzogen, sondern dem Fortschritte der Feigen, die sich abkundeten, am Stiel jedes der Blätter eines Baumes, und die er bereits zum voraus kostete, als er das Geräusch der Stimmen von zwei Personen vernahm, die an dem Gitterzaun von Rohr, welcher seinen Garten nach der Straße hin einschloß, vorübergingen. Die eine Stimme sagte zu der anderen:

      »Wahrhaftig, Sie sollen sogleich über die Beschaffenheit des Sandes urtheilen; weder in Bonneveine, noch in Aygalades, noch in Blancarde, weder für Gold noch für Silber könnten. Sie finden, was Sie hier sehen werden. Der König von Frankreich, mein Herr, der König von Frankreich hat nichts Aehnliches in seinem Garten!«

      In demselben Augenblick, und während Monsieur Coumbes mit klopfendem Herzen darüber nachdachte, an wen diese Lobeserhebungen möchten gerichtet sein, blieben die Personen vor dem kleinen hölzernen Gitterthore stehen, welches seine Wohnung einschloß. Der Eine von ihnen war ein Grundbesitzer aus der Nachbarschaft, der Andere ein junger Mann, den Monsieur Coumbes zum ersten Mal in Montredon sah.

      Der Erstere blieb stehen, deutete auf den Garten, der in seiner ganzen Fülle von Grün prangte, und vorzüglich auf das Erbsenbeet, welches sich bei dem Hauche des Seewindes wellenförmig bewegte, und rief mit einer Geberde, die seinem Ausdruck. Feierlichkeit verlieh:

      »Sehen Sie!«

      Monsieur Coumbes wurde roth wie ein junges Mädchen, dem man zum ersten Mal ein Compliment wegen ihrer Schönheit macht, und er war fast im Begriff, die Augen niederzuschlagen.

      Der junge Mann betrachtete den Garten mit geringerer Begeisterung, als der Andere, aber dennoch mit anhaltender Aufmerksamkeit; dann entfernten sich beide, und Monsieur Coumbes konnte nicht schlafen. – Die ganze Nacht träumte er von den Complimenten, die er an die höfliche Person richten wollte, sobald er ihr begegnen würde.

      Am folgenden Tage begoß er seine Lieblingspflanzen und Milette war ihm dabei behilflich, als er wieder ein Geräusch hörte, welches diesmal nicht von der Straße herkam, sondern von der Seite, wo ein langer Raum von Dünen seine Wohnung von einem halben Dutzend Häusern trennte, die man das Dorf Madrague nannte, welcher Raum bis dahin wüst gelegen und nur Schilfgras, Imortellen und wilde Nelken getragen, die sie je nach der Jahreszeit mit ihren weißen, gelben oder rosenfarbigen Blumen tapezierten.

      »Wer zum Henker kommt da?« sagte Monsieur Coumbes, von dem Honig angelockt, den er am Abend gekostet hatte. Dann, ohne Milette Zeit zu lassen, ihm zu antworten, trug er einen Stuhl an einer Einfassung von Rohr dahin, und es leise aus einander schiebend begann er, sich in den Stand zu setzen, eine Neugierde zu befriedigen.

      Diese Stimmen waren nichts mehr oder weniger, als die von drei oder vier Arbeitern; aber diese Arbeiter trugen Taue, Pfähle und Meßstangen; sie zogen Winkel auf dem wüsten Terrain, welches die Cabane des Monsieur Coumbes begrenzte, und dieser war kein Mann, der nicht gefragt hätte, was dies bedeuten solle?

      Man sagte ihm, daß ein Bewohner von Marseille, angelockt vielleicht von der glänzenden Aussicht, welche die Wohnung des Monsieur Coumbes den Vorübergehenden darbot, diese Strecke Land gekauft habe und dort eine Villa nach dem Muster der einigen erbauen lassen wolle.

      Monsieur Coumbes war ziemlich gleichgültig bei dieser Nachricht. Er war nicht Menschenhafter aus Grundsatz. – Er hatte die Einsamkeit mehr angenommen, als sie aufgesucht; die Gesellschaft seiner Mitmenschen hatte. Nichts, was ihn anzog, obgleich er nicht dahin gekommen war, sie zu fliehen.

      Dennoch empfand er bald die Unbequemlichkeiten davon. Am folgenden Tage gruben die Maurer einen Graben längs dem leichten Zaun, der die beiden Wohnungen trennte. Monsieur Coumbes erneuerte seine Fragen und es wurde ihm geantwortet, daß sein künftiger Nachbar das Rohr nicht für eine genügende Einfassung halte und beabsichtige, so weit es ihn selber angehe, es durch ein mächtiges Viereck von Steinen zu ersetzen.

      Die Gleichgültigkeit des Monsieur Coumbes ging bei diesen Worten in das Gegentheil über. Er bedachte, daß diese unnützen Befestigungen machen würden, daß er die Aussicht auf das Meer und das Cap Croisette

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