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grenzte.

      Monsieur Coumbes glaubte, er würde wahnsinnig, aber seine Thorheit erschien ihm so bezaubernd, daß er nicht dagegen protestierte.

      Als das Lied zu Ende war, schwieg Milette und Monsieur Coumbes öffnete seine Augen und entschloß sich, die ätherische Region zu verlassen um wieder auf die Erde herunterzusteigen. Ohne sich, Rechenschaft abzulegen, warum, richtete sich sein erster Blick auf die junge Frau.

      Milette hing am Ufer des Meeres Wäsche auf Leinen, bei welcher sehr prosaischen Beschäftigung Monsieur Coumbes sie so schön fand, wie die schönste der Feen, deren bezauberte Reiche er eben durchwandert. Sie trug das vollständige Kostüm einer Wäscherin, welches nur in einem Hemd und einem Unterrock bestand. Ihr Haar hing halb aufgelöst über ihren Rücken und der Seewind, der mit demselben spielte, machte einen Nimbus daraus. Ihre weißen und vollen Schultern traten aus der groben Leinwand hervor, wie ein Stück von den Fluthen polierten Marmors aus dem Felsen hervortritt; nicht weniger weiß war ihre Brust, die enthüllt wurde, wenn sie die Arme erhob, während sie, wenn sie sich auf ihre Füße stellte, die schöne Schweifung ihrer Taille und die herrliche Entwickelung ihrer Hüften hervortreten ließ.

      Als er sie so sah, vergoldet von dem rothen Widerschein der untergehenden Sonne gegen das dunkle Azurblau des Meeres abstechend, welches den Grund des Gemäldes bildete, glaubte Monsieur Coumbes einen jener feurigen Engel wiederzufinden, die ihm eben noch so schön erschienen waren. Er wollte Milette rufen, aber seine Stimme erlosch in seiner ausgetrockneten Kehle, und dann bemerkte er, daß seine Stirn in Schweißgebadet war, daß er schwer athmete, und daß sein Herz schlug, als wollte es eine Brust sprengen. In diesem Augenblick näherte sich Milette und rief, indem sie Monfieur Coumbes ansah:

      »Ei, mein Gott, Herr, wie roth Sie sind.«

      Monsieur Coumbes antwortete nicht; aber sei es, daß sein Blick, der gewöhnlich grau und matt war, an diesem Abend etwas Flammendes hatte, sei es, daß die magnetischen Ausströmungen, die von einer Person ausgingen, Milette in der Ferne erreicht hatten, diese erröthete ebenfalls und schlug die Augen nieder; ihre nervös zusammengezogenen Finger spielten mit dem Bande ihres Rockes; bald verließ sie ihren Herrn und trat wieder in die Cabane.

      Nach einigen Augenblicken des Zauderns folgte ihr Monsieur Coumbes dorthin.

      Der Herbst ist der Frühling der Melancholischen.

       Viertes Kapitel

      Cabane und Sennhütte

      Monsieur Coumbes besaß in ausgezeichnetem Grade das Gefühl einer socialen Stellung. Er war keiner von denjenigen Leuten, welche den Liebesgott mit einer Setzwage anstatt des Scepters darstellen und welche von der Hand ihrer Köchin geschmiedete Fesseln annehmen; ei! er würde es nicht gewollt haben, und wenn diese Hand die Hand der Grazien gewesen wäre. Er gehörte selbst nicht einmal zu denen, welche denken, wenn die Thüre geschlossen, wenn der Tisch gedeckt und der Wein aufgestellt ist, wer kümmert sich darum, wo Babette untergebracht ist?

      Er hegte eine allgemeine Abneigung gegen das ganze weibliche Geschlecht. Milette hatte die einzige Ausnahme von dieser Ansicht gebildet. Er erstaunte zu sehr darüber, um nicht seine Kaltblütigkeit zu behaupten, um nicht bei gesunder und vollständiger Vernunft zu bleiben, selbst in den Augenblicken, wo der König der Götter die einige verlor. Wenn der Gesang dieser Frau jene Einwirkung auf ihn äußerte, den die Frühlingssonne auf die Natur äußert, so ging sie nicht so weit, um ihn das Decorum, die Feierlichkeit der Geberden und der Sprache vergessen zu lassen, welche einem Herrn seiner Dienerin gegenüber zukommen. Und oft gerade in dem Augenblick, wenn die Glut der Sinne ihn vergessen lassen wollte, daß je zwischen ihnen ein Abstand geherrscht, protestierte die Würde des Monsieur Coumbes durch einige ernste Worte, durch einige stark motivierte Anweisungen hinsichtlich der Sorgen des Haushalts, welche die junge Frau erinnern mußten, daß ihr Herr, wie es auch scheinen möchte, sich niemals entschließen würde, in ihr etwas Anderes, als eine Dienerin zu sehen.

      Die Leidenschaft spielt nicht immer in der Annäherung der beiden Geschlechter eine so wesentliche Rolle, wie es scheinen mag. Tausend verschiedene Gefühle können zu einem Verhältniß führen. Milette hatte Monsieur Coumbes nachgegeben, weil sie eine übergroße Dankbarkeit für die Dienste hegte, die er ihr geleistet; weil der Packträgermeister, rechtschaffen, geordnet und glücklich, mit einer seltenen Festigkeit der Ideen zum Vermögen gelangte fand er eine überzeugte Bewunderin. Der gewöhnliche Kopf des Besitzers der Cabane von Montredon war für ihre Augen mit einer Glorie umgeben; sie betrachtete ihn wie einen Halbgott, hörte ihn respektvoll an, theilte seine leidenschaftliche Vorliebe und war in seinem Gefolge dahin gekommen, eine armselige Hütte in wahrhaft olympischen Proportionen zu finden. Was Monsieur Coumbes auch von der Dienstfertigkeit der armen Frau verlangte, so hatte dieselbe doch keine Gelegenheit vorübergehen lassen, sich kund zu geben: die Ueberzeugung von ihrer Untergebenheit ließ sie jede Weigerung als unmöglich ansehen.

      Da sie sich nie übertriebenen Hoffnungen hingegeben hatte, so kannte sie auch die Täuschung nicht da sie keine Demüthigung fühlte; sie nahm ihre Stellung, wie ihr Herr sie ihr bereitete, mit einer zärtlichen und erkenntlichen Resignation an.

      So vergingen die Jahre, indem sich in dem starken Koffer des Packträgermeisters Thaler auf Thaler häuften, indem er Butten Erde auf Butten Dung in dem Gärtchen zu Montredon schüttete. Aber ihre Bestimmung war verschieden; während der Nordwestwind Erde und Dung wegschleuderte, blieben die Thaler zurück, rundeten sich ab und vermehrten sich.

      Sie vermehrten sich so gut, daß Monsieur Coumbes nach fünfzehn Jahren am Montag jeder Woche eine Schwäche empfand, wenn er Montredon, einen Feigenbaum, sein Gemüse und eine Beete verlassen mußte, um ein schmales Zimmer in der Rue de la Darfe wieder zu erreichen, und daß diese wöchentlichen Krisen von Woche zu Woche heftiger wurden. Die Liebe zu der Cabane und die Liebe zum Reichthum kämpften eine Weile mit einander in seinem Herzen. Gott selbst verweigerte es nicht, in der streitigen Sache auf Monsieur Coumbes zu wirken. Im Jahre des Heils 1845 fesselte er den besonderen Feind dieses Mannes in den Schluchten des Berges Ventoux, und schickte uns einen milden und feuchten Sommer. Der Sand von Montredon that zum erstenmal Wunder, seitdem der Packträgermeister seine Villa besaß. Der Salat vertrocknete nicht im Keim, die Bohnen schossen schnell auf, die schwachen Stengel der Goldäpfel bogen sich unter ihren gerippten Aepfeln; und an einem Sonnabend, als Monsieur Coumbes in seinem Garten ankam, zählte er, indem eine Ueberraschung seinem Glück gleich kam, zweihundertsiebenundsiebzig Blüthen auf einem Erbsenbeete. Er erwartete so wenig diesen ungehofften Erfolg, daß er sie aus der Ferne für Schmetterlinge gehalten hatte. Dieses Ereigniß besiegte allen seinen Widerstand. Sobald sich eine Blume in dem Garten des Monsieur Coumbes öffnete, würde es nicht zu viel gesagt sein, daß er bei ihrem Erblühen zugegen war. Er verkaufte seine Stelle, zog seine Gelder ein und brachte sie unter, vermiethete sein Zimmer anderweitig und ließ sich gänzlich in Montredon nieder.

      Milette sah diese Veränderung der Wohnung nicht gern.

      Während wir uns übermäßig über die Thaten und Handlungen des Besitzers der Cabane ausgelassen, haben wir eine Person ein wenig vernachlässigt, welche eine gewisse Rolle in dieser Erzählung spielen soll. Freilich hätte das Dasein dieser Person während der siebzehn Jahre, die wir eben überschritten haben, unseren Lesern nur ein mittelmäßiges Interesse eingeflößt. Wir wollen von dem Kinde Miletten's und Pierre Manas‘, reden.

      Er hieß Marius, wie viele Marseiller. So pflanzt die Erkenntlichkeit der Bewohner des alten Marseille die Erinnerung des Helden fort, der ihr Land vor den Einfällen der Cimbern schützte; ein rührendes Beispiel, welches sie noch der Bewunderung derjenigen empfiehlt, welche die die Franzosen nennt. Er hieß also Marius.

      Zu der Zeit, wohin wir gekommen sind, war er im vollen Sinne des Worts ein hübscher Knabe, einer von jenen jungen Leuten, welchen die Frauen nicht begegnen können, ohne den Kopf umzuwenden wie ein Pferd beim Blasen der Trompete.

      Wir wollen es unseren Leserinnen überlassen, sich nach ihrem Gefallen das Bild unseres jungen Marius auszumalen, indem sie ihren besonderen Geschmack befolgen, wobei wir sie voraus um Verzeihung bitten, wenn in der Folge dieser Erzählung die Wahrheit uns nöthigt, der Vorliebe zu widersprechen, welcher wir in diesem Augenblick zu Gefallen zu reden suchen.

      Die arme Milette liebte ihren

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