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fand die Magistratsperson in dem einzigen Kaffeehause des Ortes bei einer Partie Piquet, womit er sich die Zeit vertrieb, die seine Untergebenen ihm ließen.

      Als Monsieur Coumbes mit seinen durchnäßten und mit einer dicken Lage Sand bedeckten Kleidern in den durchräucherten Saal trat und ein blasses Gesicht und seine verstörten Augen zeigte, wurde er mit einem homerischen Lachen empfangen. Dieses Lachen verdoppelte sich, als er erzählte, was er gesehen und was ihm eben begegnet war.

      Der Maire konnte dem ehemaligen Packträgermeister nur mit Mühe begreiflich machen, daß er das Opfer eines schlechten Spaßes gewesen; daß diese jungen Leute seine Neugierde entdeckt und ihn dafür hätten bestrafen wollen, und daß er kein Recht habe, sich darüber zu beklagen. Er rieth ihm darüber zu lachen, doch er konnte sich durchaus nicht dazu entschließen.

      Monsieur Coumbes verließ wüthend das Kaffeehaus. Nach Hause zurückgekehrt, ließen ihn der Aerger und Zorn keinen Augenblick Ruhe finden. Wäre er auch nicht von diesen Gefühlen gequält worden, hätte er doch nicht mehr geschlafen.

      Monsieur Riouffe und seine Freunde hielten während dieser ganzen Nacht einen Hexensabbath. Er hörte ein beständiges Klirren mit Gläsern und Tellern, ein Krachen von zerbrochenen Flaschen und ein Lachen, welches nichts Menschliches hatte. Zwanzig Stimmen sangen zwanzig Lieder, die nur das unter sich gemein hatten, daß sie alle von dem entlehnt waren, was die Marine in dieser Art von Unanständigkeiten bietet, und daß sie alle von einem Geklimper mit Schaufeln, Kasserolen und Kesseln begleitet waren.

      Es war Zeit, daß der Tag kam, sonst wäre die Wuth des Monsieur Coumbes in ein hitziges Fieber übergegangen. Aber der Tag verbesserte seine Lage nicht vollständig. Seine verwünschten Nachbarn schienen nicht entschlossen, Ruhe zu suchen, und wenn der Teufelslärm auch nachließ, so hörte er doch nicht ganz auf; wenn die Gesänge verstummten und das Geklimper schwächer wurde, so dauerte doch das Schreien und Lachen dennoch fort.

      Als Monsieur Coumbes sein Gesicht der Fensterscheibe näherte, schien es ihm, als ob eine Schildwache auf dem Balkon den Augenblick ausspähe, wo er aus dem Hause gehen werde. Die Folge davon war, daß er, um sich nicht der Belästigung der Bande auszusetzen, ungeachtet er eine herrliche Fischerpartie in Carri vor hatte, den ganzen Tag in seiner Wohnung blieb, ohne zu wagen vor der Thüre Luft zu schöpfen oder das Fenster zu öffnen.

      Am Abend begann das wilde Leben wieder, und es war wieder eine schlaflose Nacht für Monsieur Coumbes. Jetzt begriff er, was ihm der Maire von Bonneveine zu verstehen gegeben, nämlich, daß er mit einer Anzahl lustiger Burschen zu thun hatte, die sich über ihn lustig machen wollten.

      Er begriff es um so besser, da er, hinter seinem Vorhange stehend, unter einem Trupp von hübschen Grisetten, welche die Cabane mit spöttischer Miene ansahen, die Unglückliche wieder erkannte, deren Todesstrafe ihm am Abend vorher eine so tiefe Gemüthsbewegung verursacht hatte.

      Aber wären diese Männer die Nachfolger Gaspards de Besse oder Mandrin's gewesen, so würde Monsieur Coumbes nicht den vierten Theil des Hasses empfunden haben, den er in diesem Augenblick hegte.

      Wir haben gesagt, wie vollständig und unbegrenzt sein Glück war, und das überhebt uns der Mühe, eine Schilderung seiner Verzweiflung zu entwerfen, als er es von dieser Höhe herunterfallen sah. Man begreift es leicht. Die Promenaden, die er während dieses ganzen Tages in seiner Cabane auf und ab machte, verdoppelten seine Aufregung. Er brachte die ganze Nacht damit zu, über wilde Rachepläne nachzudenken und ging dem Besitzer der Sennhütte nach Marseille voraus, da derselbe nach der unabänderlichen Gewohnheit derjenigen Marseiller, welche sich nicht völlig auf dem Lande niedergelassen, am Montag in die Stadt zurückkehren mußte.

      Er kam am Abend mit einer guten Doppelflinte, die er bei Zaoué gekauft hatte, in seine Wohnung zurück und am folgenden Tage erhielt Monsieur Riouffe von einem Gerichtsdiener die Weisung, die Cypressen, die nicht in der vorgeschriebenen Entfernung gestellt wären, von den Mauern seines Nachbarn zu entfernen.

      Dies war der erste Act der Feindseligkeit, wozu der Zorn Monsieur Coumbes getrieben. Das Recht war für ihn; er gewann seinen Proceß. Aber der Sachwalt eines Gegners setzte ihn verbindlich in Kenntniß, daß sein Client appelliere und entschlossen sei, die Procedur so weit zu führen, daß, wenn Monsieur Coumbes endlich Recht bekommen sollte, die Cypressen so alt sein würden, daß das Comité zur Erhaltung der Monumente sie unfehlbar unter seinen Schutz nehmen würde.

      Während die Sache verhandelt wurde, führten die Bewohner und die Gäste der Sennhütte einen kleinen Krieg gegen ihren Nachbar.

      Keine Chikane, die in solchen Fällen gewöhnlich ist, wurde ihm erspart. Jeden Tag fügte Monsieur Riouffe durch irgend einen Schülerstreich eine Wunde zu denen hinzu, woran das Herz des Monsieur Coumbes bereits blutete, welcher seit der Zeit in beständiger Erbitterung lebte und ganz laut Denen, die es hören wollten, ankündigte, daß er in diesem Kampfe nicht weichen und sich für die Vertheidigung seines Heerdes tödten lassen wolle. Um seine Absichten deutlich kund zu geben, gab er sich öffentlich der Uebung in den Feuerwaffen hin, und von seinem Zimmer aus, wie von einem Posten, erspähte er mit der Geduld eines Wilden die Vögel, die sich auf die Stangen niederließen, die er in der Mitte seines Gartens aufgestellt hatte.

      Da aber nur selten Vögel kamen, so durchlöcherte er die Baumblätter mit seinem Blei. Seine Verfolger erschracken nicht über das Geräusch, wie Monsieur Coumbes es vermuthet hatte, und sehr oft, wenn ein kühner Sperling seinem Geschosse entging und mit aller Anstrengung einer Flügel davonflog, kam ein kräftiges Pfeifen aus dem benachbarten Hause und beleidigte den Jäger wegen seiner Ungeschicklichkeit.

      Eines Morgens hätte Monsieur Coumbes beinahe einen glänzenden Sieg errungen. Bei Anbruch des Tages hatte er sein Bett verlassen und ohne sich Zeit zu nehmen, seine Kleider anzulegen, hatte er seine Stangen befragt.

      Da erblickte er eine ungeheure Gestalt, die gegen den Himmel abstach, den die Morgenröthe nur matt färbte, und von Hoffnung erbebend, ergriff er seine Flinte.

      Was war es für ein ungeheurer Vogel? Ein Sperber, eine Nachteule oder vielleicht ein Fasan? Aber was es auch war, Monsieur Coumbes kostete zum voraus seinen Triumph und die Bestürzung seiner Feinde.

      Er öffnete leise das Fenster ein wenig, kniete nieder, legte seine Waffe auf den Fensterrand, zielte lange und drückte endlich ab.

      Welches Glück! nach dem Knall hörte er das dumpfe und matte Geräusch eines schweren Körpers, der auf den Boden fiel. In seiner Aufregung, und ohne an sein ungenügendes Kostüm zu denken, stürzte er sich die Treppe hinunter und lief zu einem Baume. Eine herrliche Elster lag am Boden. Monsieur Coumbes stürzte sich darauf zu, ohne die Erstarrung des Thieres zu bemerken, welches er für die Steifheit des Todes hielt.

      Sie war ausgestopft und trug an der Klaue den Namen des Ausstopfers. Das Datum ging zwei Jahre zurück und der Ausstopfer war Monsieur Riouffe. Uebrigens um besser zu beweisen, daß es eine Nachbaren waren, welche seiner Jagdliebhaberei diese seltsame Entwickelung gaben, erschienen sie an allen Thüren der Sennhütte und brachen in ein stürmisches Bravo aus.

      Monsieur Coumbes gerieth in Versuchung, seinen letzten Schuß auf die Bande abzufeuern, aber seine gewöhnliche Klugheit siegte über die Heftigkeit eines Charakters, und er trat ganz bestürzt seinen Rückzug an.

      Es war an einem Sonntag Morgen, als dies geschah, und um einen neuen Unglimpf zu vermeiden, schloß sich Monsieur Coumbes den ganzen Tag in seine Cabane ein.

      Die Zeit war sehr fern, wo die Genugthuung des Stolzes, der seine Wünsche erfüllt sieht, sein Herz schwellte; ein auf ganz andere Weise schreckliches Ungewitter, als das, welches der Nordwestwind erhob, war über sein Leben dahingegangen; eine gewohnten Vergnügungen, eine so lieblichen Beschäftigungen hatten allen ihren Reiz verloren, zu gleicher Zeit, als das hohe Vertrauen, welches er ehemals zu sich selber empfunden hatte, verschwunden war; er hatte einen Thunfisch an seiner Angel zappeln gefühlt, und doch hatte sein Herz nicht so geschlagen; er sah sich so verkleinert in seinen eigenen Augen, daß er nicht den Muth gehabt hatte, sich eines Ruhmes wegen der wunderbaren Erfolge seiner Gartenkultur im vergangenen Jahre wieder zu erfreuen.

      Niemand kann den Rauminhalt des menschlichen Herzens bestimmen; ein Hirsekorn reicht hin, es auszufüllen, und ein Berg befindet sich ungehindert darin;

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