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es leer, ein glühender Haß gegen die Anstifter dieser Revolution drang nach und nach in dasselbe ein.

      Dieser Haß war um so heftiger, da er sich zur Ohnmacht geführt sah. Bis zu diesem Augenblick war er heftig geblieben. Wie eine gewisse kriegführende Macht wendete Monsieur Coumbes alle seine Sorge an, seine Unglücksfälle seinen Leuten zu verbergen: er hatte sich wohl gehütet, Milette in die Ursachen seiner üblen Laune einzuweihen; als aber sein Aerger den Charakter der Verzweiflung annahm, begann diese üble Laune überzuschäumen, ans Licht zu treten, kurz, sich durch wüthende Ausrufungen Luft zu machen.

      Milette, welcher der Zustand ihres Herrn und Meisters eine unbestimmte Unruhe einflößte, vermuthete die Ursache davon nicht. Sie fürchtete, das Gehirn ihres Herrn möchte zerrüttet werden, sie bot ihm ihre Fürsorge an: Monsieur Coumbes wies sie zurück; sie flüchtete sich in ihre Küche.

      Allein geblieben, gab sich Monsieur Coumbes allen schmerzlichen Genüssen der eingebildeten Rache hin. Er träumte, daß er König sei, daß er seine Nachbarn ohne Weiteres hängen, und die Pflugschaar über diese unmoralische Sennhütte dahingehen lasse; dann in eine andere Gedankenreihe eingehend, dachte er, er wäre Robinson geworden und befinde sich mit seinem Feigenbaume, seinem Garten, seiner Cabane und Milette, in den Wilden Freitag verwandelt, auf einer wüsten Insel. Endlich kam er dahin, den üppigen Blüthenflor des Erbsenbeetes zu verwünschen, der ihm ohne allen Zweifel diese ärgerliche Nachbarschaft zugezogen hatte. Dies war das auffallendste Zeugniß von der Zerrüttung, welche so viele Ereignisse in seinen Ideen hervorgebracht.

      Während dieser Zeit hörte er in der Küche flüstern. Er öffnete leise die Thüre, völlig entschlossen, Milette tüchtig zu schelten, wenn sie sich erlaubt haben sollte, Jemand ohne seine Einwilligung einzulassen. Er erblickte auf einem Stuhle neben dem kleinen Lehnsessel, auf welchem Milette saß, Marius, welcher seine beiden Hände in denen seiner Mutter, zärtlich mit dieser sprach.

      Es war der Ausgangstag des Sohnes seiner Haushälterin. Monsieur Coumbes hatte selber diesen wöchentlichen Besuch des Marius herbeigeführt. Er hatte keine Veranlassung, ein wenig von der Galle, die ihn erfüllte, über sie auszuschütten.

      Monsieur Coumbes begriff es, und zugleich hatte er einen glänzenden Gedanken.

      Er streckte dem jungen Manne, der sich respektvoll näherte, die Arme entgegen, um ihn zu umarmen, und drückte ihn an sein Herz, indem ein Gesicht lächelnd wurde.

       Siebentes Kapitel

      Worin wir zu unserem großen Mißbehagen genöthigt sind, den alten Corneille zu plündern

      Das Lächeln zog nur augenblicklich über die Lippen des Monsieur Coumbes dahin. Nach diesem Blitz falteten sie sich so gut wie möglich zusammen; sein Gesicht wurde wieder ernst und sorgenvoll.

      Milette war tief gerührt von der Bewegung der Zärtlichkeit, womit der Herr der Cabane Marius empfangen hatte. Dieser war nicht weniger gerührt, als seine Mutter.

      »Was ist Ihnen denn?« fragte er.

      Das Schweigen des Monsieur Coumbes war voll Beredtsamkeit; seine Augenlider blinzelten, zitterten mit einer doppelten, sowohl horizontalen als perpendiculären Bewegung, um zu versuchen, durch den Druck einen Augen eine Thäne auszupressen.

      Wenn die Diplomatie eine Wissenschaft ist, so ist es die einzige, die man ohne voraufgehende Studien versteht. Der ehemalige Packträger hatte von selber begriffen, wenn er ein Opfer von seinen Untergebenen verlange, daß es sich vor allen Dingen darum handle, ihre Seelen lebhaft aufzuregen in der Hoffnung, einen Rächer zu finden; seine Eigenliebe beschloß sich zu demüthigen. Er ließ sich mit allen Zeichen einer wahrhaften Niedergeschlagenheit auf einen Stuhl sinken.

      »Meine Kinder,« sagte er zu ihnen, »wozu sollte es nützen, Euch zu erzählen, was mir ist, da Ihr mir nicht würdet helfen können? Alles, was ich Euch sagen kann, ist, daß, wenn dies so fortdauert, Ihr bald die Büßenden in diesem Hause leben werdet!«

      »Ah! mein Gott!« rief Milette, ihr Gesicht in Thränen gebadet, als hätte sie schon die Leiche des Monsieur Coumbes auf dem Schragen gesehen.

      »O! es ist nicht möglich,« sagte Marius dagegen, zugleich von dem Schmerze seiner Mutter und von dieser schrecklichen Prophezeiung dessen, den er als seinen Vater ansah und liebte, ergriffen.

      »Meine Kinder,« fuhr Monsieur Coumbes fort, »ich habe so viel Kummer, daß ich fühle, der Tag wird nicht mehr fern sein, wo ich meinen Lohn erhalten werde und wo ich mich bei dem großen Patron dort oben verdingen muß.«

      »Diesen Kummer, wer verursacht ihn?« sagte Marius mit funkelnden Augen und bebenden Lippen.

      »Nun,« fügte Monsieur Coumbes hinzu, indem er es vermied, auf diese Unterbrechung zu antworten, »ehe ich wie eine Seeigelschale hinausgeworfen werde, will ich Euch meine letzten Wünsche mittheilen.«

      Milettens Schluchzen verdoppelte sich und machte die Worte des Besitzers der Cabane unhörbar. Die Stimme des jungen Marius übertäubte das Schluchzen und die ausgesprochenen Wünsche; er stürzte sich auf Monsieur Coumbes zu und sagte mit einem Eifer, der bei den Südländern immer etwas von Zorn an sich hat:

      »Sie dürfen mir Ihre Wünsche nicht erst aussprechen, mein Vater; wenn es der Rath ist, rechtschaffen und arbeitsam zu sein, so hat Ihr Beispiel seit langer Zeit schon hingereicht, mir zu zeigen, daß es die Pflicht eines ehrlichen Mannes ist. Wenn Sie mir sagen wollen, daß ich meine Mutter lieben soll, so könnte ich sie nicht mehr lieben. Wenn Sie mir anempfehlen wollen, Ihr Andenken zu bewahren, so rechnen Sie zu wenig auf meine Erkenntlichkeit. Wen sollte ich denn nach meiner Mutter lieben und verehren, als den, der für meine Kindheit gesorgt hat? Was Sie uns sagen müssen, das sind die Ursachen dieses Aergers, den wir nicht kennen, die Gründe dieser unheimlichen Ahnungen, die Nichts rechtfertigt. Warum rechnen Sie nicht mehr auf uns, Gevatter? Wenn Sie irgend ein Leiden betrübt, so sagen Sie es uns gefälligst! Müßte man auf den Knieen nach Sainte-Beaume gehen, um Gott zu bitten, daß er Ihnen die Gesundheit wiedergebe, so sind meine Mutter und ich dazu bereit.«

      Als Monsieur Coumbes Marius anhörte, fühlte er sich von einer Rührung ergriffen, die bei ihm selten war. Milettens Sohn begann über die Vorurtheile des guten Mannes hinsichtlich der plastischen Schönheit zu siegen.

      Nicht als ob der Adel der Gesinnungen, die er aussprach, ihn tief rührte, Monsieur Coumbes glaubte nur zur Hälfte daran; aber die Energie der Ausdrucksweise des jungen Mannes und die Ueberzeugung von seinem Zorn machten, daß der ehemalige Packträger fühlte, daß er in ihm den Paladin finden werde, den er suchte, ohne je von ihm gehört zu haben. Eine Minute schämte er sich ein wenig, eine so begeisterte Aufopferung für einen so elenden Gegenstand in Anspruch zu nehmen; aber ein Widerwille und sein Haß gegen seinen Nachbar waren stärker, als diese unmerkliche Bewegung der Vernunft, und zum zweitenmal an dem Tage umfaßte er Marius und drückte ihn an seine Brust.

      »Siehst Du, Sohn,« rief er, indem er Milette eine seiner Hände überließ, welche dieselbe mit ihren Küssen und Thränen bedeckte, »seit einiger Zeit ist diese Cabane eine Hölle für mich geworden; ich möchte sie verlassen, und ich fühle, daß ich sterben werde, wenn ich sie nicht wiedersehe.«

      »Aber warum denn das?« fiel Milette ein; »haben Sie denn dieses Jahr nicht. Alles nach Wunsche gehabt? Hat nicht die Hand des guten Gottes. Alles gesegnet, was Sie der Erde anvertraut? Warum denn das, da es kaum acht Monate sind, als ich Sie so glücklich sah, nicht mehr genöthigt zu sein, Ihren Zufluchtsort zu verlassen und in die Stadt zurückzukehren.«

      Mit einer schweigenden aber feierlichen Geberde deutete Monsieur Coumbes auf die benachbarte Sennhütte, deren rothe Dachziegel man bemerkte.

      Milette seufzte; als sie sich der Umstände erinnerte, begriff und errieth sie die Ursachen der üblen Laune ihres Herrn, dessen Jagdliebhaberei ihn um so viele Zeit gebracht hatte. Marius, der nicht mit allen diesen Umständen bekannt war, sah Monsieur Coumbes mit einer fragenden Ueberraschung an.

      »Ja,« versetzte Monsieur Coumbes, »das ist das Geheimniß meiner Traurigkeit; das ist die Ursache meines Lebensüberdrusses. Höre, Milette, ich habe Dir Nichts davon mitgetheilt, aber als ich zuerst die Arbeiter ihren Graben im Sande ziehen sah, schnürte mir ein geheimes Vorgefühl das Herz zusammen

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