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und Entführung.

      Viertes Kapitel

      Am nächsten Tage fanden wir uns um die verabredete Stunde in dem Bosket ein. Der Prinz wartete bereits. Kaum bemerkte er uns, als er sich auf die Kniee warf und Thränen vergoß, indem er seine Blicke und seine Hände zum Himmel emporhob.

      – Mademoiselle! Mademoiselle! rief er aus.

      – Ach, mein Prinz! entgegnete die Roquelaure, indem sie ihre Augen mit der Hand bedeckte, wie eine Iphigenia auf Aulis.

      – So kann es nicht gehen; man wird uns nicht trennen, und wir werden nicht das Opfer unserer Verwandten und ihres Geizes werden.

      – Sie werden davon zurückkommen, warf ich ein.

      – Nein, Mademoiselle, nein, sie werden nicht davon zurückkommen. Sie kennen sie wenig. Sie werden Fräulein von Roquelaure im Kloster vergehen lassen – und ich werde darüber sterben, das ist sicher!

      – Und doch sind sie es, die diese Heirath erdacht haben; sie haben es bewirkt, daß wir uns kennen und lieben gelernt. Erst fanden sie unsere Verbindung passend, und nun zerreißen sie sie. Ach, mein Gott, was soll daraus werden?

      – Mademoiselle, lassen wir uns nicht betrügen.

      – Mein Herr, was rathen Sie mir?

      – Mademoiselle, es bleibt uns nur eins zu thun.

      – Aber was, mein Prinz? Ich verstehe Sie nicht, ich will Sie nicht verstehen.

      Sie stützte sich auf meine Schulter, indem sie vermied, ihren Alcindor anzusehen, dessen Auge der Zorn weit aufgerissen hatte, was nicht eben verführerisch aussah.

      – Mademoiselle, ich kann Ihnen nicht genug wiederholen: es bleibt uns nur ein Ausweg, ein einziger. Haben Sie den Muth, ihn zu betreten, und es geht Alles gut. Erlauben Sie mir, Sie von hier zu entführen, Sie mit mir zu nehmen und Sie zum Altare zu geleiten.

      Sie stieß einen Schrei aus und verbarg ihren Kopf mehr als je hinter meinem Rücken.

      Ich bemerkte indeß, daß sie nicht mehr weinte, und daß sie aufmerksam zuhörte.

      – Ja, fuhr er fort, wir werden uns verheirathen, und so aufgebracht sie auch sein mögen, sie werden sich besänftigen. Ja, wir werden so fest verbunden sein, daß man uns nicht trennen kann, und so machen wir uns unabhängig von ihren Launen.

      – Mein Herr!

      – Mademoiselle, ich beschwöre Sie, lassen Sie sich erweichen!

      Der Form wegen ließ sie sich lange bitten; endlich entriß er ihr die Einwilligung, die zu ertheilen sie sicherlich vor Begierde brannte.

      Es handelte sich nun darum, wie man am zweckmäßigsten zu Werke ginge.

      Er forderte drei Tage um Alles vorzubereiten, und schwor ihr, daß sie dann für das ganze Leben glücklich sein würden.

      Man ließ auch mich schwören, daß ich schweigen wolle. Wir schworen Alle. Ich glaube, daß sie mich wer weiß wohin gewünscht hätten; aber sie bedurften einer dritten Person, und ich erschreckte sie weniger als die Gouvernante.

      Dies war das letzte Mal, und ich habe nie erfahren, auf welche Weise sie in der Folge ihre Correspondence unterhalten.

      Von diesem Augenblicke an forderte man von mir nichts mehr, als zu schweigen, und ich schwieg getreulich. Dies war nöthig,

      Wie man weiß, gingen die Fräulein von Roquelaure nur aus, um Frau von La Vieuville zu besuchen, die vertraute Freundin der Herzogin von Roquelaure. Mochten sie zusammen oder getrennt gehen, ihre Gouvernanten begleiteten sie. Herr de Leon war davon unterrichtet.

      Er ließ eine Karosse von derselben Form und mit derselben Ausschmückung anfertigen, als die der Frau von La Vieuville; er kleidete drei Lakaien in ihre Livree, machte einen Brief dieser Freundin nach, den er mit ihrem Wappen siegelte, und schickte diese ganze Equipage an einem schönen Maimorgen nach dem Kloster, wo sie nach Fräulein von Roquelaure der ältern fragen sollte. Diese war genau unterrichtet, sie trug den Brief zu der Superiorin, und erhielt ohne Schwierigkeit die gewöhnliche Erlaubniß.

      Ich sah meine Genossin fortgehen, und dabei fand ich in ihr so etwas von einem Eroberer, das mich in Erstaunen setzte; ich konnte es mir damals nicht erklären, aber ich begriff es nachher.

      Fräulein und Gouvernante stiegen in die Karosse, die an der Biegung der ersten Straße hielt.

      Der Prinz von Leon wartete. Er ließ den Schlag öffnen, und sprang zu seiner Schönen, die sich beeilte ihm Platz zu machen, wahrend die Gouvernante verblüfft sitzen blieb.

      Der Kutscher schwang die Peitsche. Man fuhr ab, und Madame Paulier, die Gouvernante, begann aus Leibeskräften zu schreien. Der Liebhaber ließ sich dadurch nicht aus der Fassung bringen, er bemächtigte sich ihrer Hände, und mit Hilfe der Schülerin steckte er der Schreienden ein Schnupftuch in den Mund. Fräulein Roquelaure suchte ihr in dieser Zeit begreiflich zu machen, daß es in ihrem Interesse sei, ihnen zu dienen.

      Sie reisten direct nach Brüyères, dem Landhause des Herzogs von Lorges, unweit Mesnilmontant. Der Herzog und der Graf von Rieux, beide intime Freunde des Prinzen von Leon, erwarteten sie hier.

      Man hatte einen bretanischen abgesetzten Priester, ein sehr schlechtes Subject, herbeigeholt, der sie, obgleich er dies war, in Gegenwart der beiden großen Herren nicht weniger verheirathete. Nach der Trauung führte man sie in ein Zimmer, wo das Bett und die Toilette vorbereitet waren. Man ließ die Vermählten zwei oder drei Stunden allein, dann setzte man sich zu Tische, und nahm fröhlich ein Mal ein, ausgenommen die Gouvernante, deren Augen nicht trocken wurden, und die sich verloren sah.

      Die Braut war die fröhlichste Person von der Welt. Sie sang, sprach tolles Zeug, pries begeistert ihr Glück, schwor, daß sie sich jetzt, wo sie eine Fürstin von Leon sei, nicht mehr leiten lassen wolle, und daß sie es denen schon begreiflich machen würde, die daran zweifelten

      Dann bestiegen sie die Karosse wieder, die sie nach dem Kloster Madeleine du Traisnel zurückbrachte.

      Die Frau Fürstin ging geraden Wegs zu der Superiorin. Stolz den Kopf erhoben und gefolgt von der Gouvernante, die sich kaum noch aufrecht erhalten konnte, trat sie ein. Indem sie die Thür öffnete, sagte sie ohne Umstande:

      – Madame, ich habe Ihnen mitzutheilen, daß ich verheirathet bin, und daß ich nicht mehr hierher zurückkehre.

      – Jesus Maria! Was sagen Sie da? Verheiratet? Das ist unmöglich!

      – Es ist gewiß! Fragen Sie nur Madame Paulier, die weint und Alles gesehen hat.

      – Es ist leider nur zu wahr!

      Die Gouvernante bestätigte es durch ihr Schluchzen, und die gute Frau schrie im Vereine mit der Priorin so laut, daß sie das ganze Kloster zusammenriefen – Nonnen und Pensionärinnen stimmten in das Geschrei mit ein.

      Frau von Leon ging ruhig auf und ab, sie rieb sich die Hände und sah uns eine nach der andern an.

      – Nun, warum schreien Sie denn? Wozu soll das führen? Ich bin verheirathet, ich weiß es, und damit abgemacht! Lassen Sie mich gehen, ich will an meine Mutter schreiben, ihr die That gestehen und sie um Verzeihung bitten, wenn sie mir nämlich verzeihen will.

      Stolz und entzückt entfernte sie sich. Sie schrieb ihren Brief, während die Gouvernante an die Herzogin schrieb, und ihr die Gewaltthätigkeiten meldete, die sie hatte ertragen müssen, ihre Verzweiflung, ihre Rechtfertigung und die ganze Geschichte von der falschen Frau von La Vieuville.

      Die Herzogin wollte schier vor Zorn bersten. Im ersten Augenblicke klagte sie ihre Freundin an und bereitete ihr eine schreckliche Scene, von der diese nichts verstand. Sie hatte Mühe ihr begreiflich zu machen, daß sie keinen Verrath begangen habe, und daß sie von der ganzen Sache nichts wisse.

      Frau von Roquelaure war wie eine Löwin, sie wußte nicht, was sie beginnen sollte. Sie wandte ihren Zorn gegen Herrn von Leon, der sie seit dem Bruche so gut amüsirt hatte, daß er von ihr das Versprechen einer ewigen Freundschaft erhalten. Sie sah ganz einfach, daß er sich über ihre Artigkeit lustig machte, und hätte ihn mit eigenen Händen zerrissen.

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