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ich mit Fräulein von Chamrond nach Paris kam, begrüßten wir zunächst unsere Verwandten bei Hofe. Dies übte einen großen Eindruck auf mich aus. Wir sahen die Herzogin von Luynes, die Choiseuls und noch viel Andere, die eine ganze Litaney machten, um die ich mich nicht mehr kümmere.

      Die Pracht und die Gewohnheiten von Versailles blendeten mich; ich glaubte mich durch eine gute Fee, die meine Tante war, in eine unbekannte Welt versetzt, wo ich nur Prinzen und Prinzessinnen, die einen schöner als die andern, mit Gold und Diamanten bedeckt, sah, und alle schienen geneigt zu sein, mich mit Wohlthaten zu überschütten.

      Ich bildete mir nun sehr häufig Chimären in meinem Kopfe. Diese werde ich Herrn Walpole nach meinem Tode lesen lassen, ihn, der mich stets anklagte, daß ich mit sechzehn Jahren romantisch gewesen sei, er würde sie als ein sehr schlagendes Argument benutzen, und ich werde mich hüten, ihn damit zu versehen.

      Ich war in meiner Kindheit, nicht in meiner Jugend, wirklich romantisch, die Regentschaft gab dazu gute Anleitung, denn um diese Zeit ereignete sich Alles thatsächlich und nicht in Träumen; aber bis zu meinem Austritte aus dem Kloster waren dies Romane aller Gattungen in meiner Einbildung. Zuerst waren es Feenmärchen, dann wunderbare fromme Geschichten, und endlich Liebesgeschichten, ehe ich einmal wußte, so zu sagen, daß die Liebe existirte.

      Ich muß hinzufügen, daß diese Zeit der Träume und Chimären die glücklichste meines Lebens war. Später habe ich nur zu viel Dinge gesehen, und zu viel Reelles, um gegen die Menschen nicht einen Widerwillen zu empfinden. Wenn ich sage die Menschen, so verstehe ich darunter eine Art, Männer und Frauen, denn wir sind Einer nicht mehr werth als der Andere. Ich gehöre jetzt keinem Geschlechte mehr an, und urtheile völlig unpartheiisch.

      Was hätte ich, außer einer kleinen Zahl geliebter Freunde in dieser großen Menge mir gleichgültiger Geschöpfe, auf dieser Welt zu schonen, die ich nicht einmal mehr sehen kann?

      Wir verwendeten vierzehn Tage zu unsern Ausflügen.

      Man zeigte mir den König Ludwig wie er durch die Gallerie zur Messe ging. Ich sehe ihn noch: er war.noch nicht gebeugt, wie er von jener Zeit an erschien, er trug sein Haupt erhoben, und war sehr einfach gekleidet. Seine Blicke richteten sich auf mich.

      Damals war ich schön, man weiß es, und sehr geputzt. Dies fiel ihm ohne Zweifel auf. Er fragte nach meinem Namen, und man sagte ihm denselben. Er grüßte durch ein kaum merkliches Zeichen, auf das mich meine Tante durch eine tiefe Verbeugung danken ließ. Dann ging er vorüber.

      Ich sah auch die Prinzen und Prinzessinnen, deren ich mich nicht mehr erinnere; auch Frau von Maintenon, die ich nie vergessen werde.

      Ihr Blick durchbohrte mich wie ein Degenstoß und machte mich erstarren. Ich ward ihr durch die Luynes vorgestellt. Sie empfing mich gut, aber mit jener gefühllosen, kalten Frömmelei, die umsonst ihres Gleichen sucht.

      Ich habe immer gewünscht, fromm zu werden, aber nicht auf diese Weise. Diese Leute sind nach Berechnung und System fromm, sie lieben Gott mit ganzem Geiste, aber nicht mit ganzem Herzen, und deshalb sind sie für mich besondere Wesen, die ich mit den andern nicht in gleiche Gattung bringe. Ich bin deren vielen in meinem Leben begegnet, aber keinem von dieser Allgewalt.

      Frau von Maintenon war eine Person, die man als eine Ausnahme betrachten muß; man würde ihr nicht volle Gerechtigkeit widerfahren lassen, da man sie nicht lieben kann. Vom Gesichtspunkte des Egoismus aus, hatte sie eben so große und ausgedehnte Pläne als der erste Politiker Europa's; während vieler Jahre leitete sie das Königreich zwar nicht auf eine untadelhafte, aber auf eine gleiche, feste Weise, und dies ist seltener als man wohl glauben möchte. Die Leute, die sich ein Ziel stecken, und von der Erreichung desselben nicht ablassen, sind nicht so gewöhnlich, als daß man an ihnen vorüber gehen könnte, ohne sie im Gedächtnisse zu behalten.

      Nachdem die Besuche und Spaziergänge abgemacht, übergab mich meine Tante den Händen der Klosterfrauen. Sie sagte mir schluchzend Lebewohl und verließ kummervoll die Straße Charonne.

      Sie hatte um die Erlaubniß nachgesucht, zwei Tage in einem Zimmer des Klosters verbleiben zu dürfen, um mich zu gewöhnen, wie sie sagte. Dies hatte sie nicht nöthig, denn ich fand mich sogleich in meine neue Lage.

      Das Ordenshaus war reizend; es galt für ein streng nach der Ordensregel eingerichtetes. Von den Zeiten der Regentschaft an ward es erst übel berüchtigt, woran Herr von Argenson die Schuld trug. Voltaire hat Recht.

      »Dieser gute Regent, der Alles verwöhnte in Frankreich,« denn er verwöhnte selbst das Kloster Madeleine du Traisnel!

      Die Frau Aebtissin, eine vortreffliche Person, und zwei oder drei Nonnen, von denen die Schwester Engel-Marie ein Wunder von Schönheit war, wurden meine Freundinnen. Die Äbtissin wollte, daß ich in ihrem Zimmer schliefe; dies machte die Mißgunst meiner Freundinnen rege, die mich Alle um dieses Glück beneideten.

      Man pflegte und verzärtelte mich, man überfütterte mich mit Naschwerk, ohne der feinen Mahlzeiten und der Leckereien von Geflügel und Wildpret zu gedenken, deren sich die Nonnen nicht gern berauben. Man muß ihnen diese unschuldigen Vergnügungen hingehen lassen, um sie zu verhindern, andere zu suchen.

      Ich fand diese Lebensordnung sehr angenehm. Meine weißen Kleider gefielen mir; aber so waren auch die der Nonnen, vorzüglich ihre Chorröcke, ganz vortrefflich.

      Der Garten war mit den schönsten Blumen und Früchten angefüllt. Man ließ mich eine reichliche Erndte machen. In dem Sprechzimmer wurden täglich Gesellschaften abgehalten, zu denen eine Menge Damen und Herren kamen.

      Die Frau Aebtissin war sehr liebenswürdig in ihrer Unterhaltung. Sie nahm Besuche in ihrem besondern Sprechzimmer an, ohne Gitter, und zwar zu allen Stunden, selbst des Abends. Die Pensionärinnen hatten keinen Zutritt zu diesem Zimmer, es sei denn, daß sie besonders dazu geladen waren. Dieser Gunst erfreuten sie sich nie vor dem sechzehnten oder siebzehnten Lebensjahre.

      Das Sprechzimmer der Nonnen bot den gewöhnlichen Anblick der in den Klöstern üblichen. Es war durch ein Gitter in zwei Hälften getheilt, hinter dem sich die Nonnen und die ihrer Sorge anvertrauten Kinder befanden. Zuweilen ward uns erlaubt, die Grenzen des Gitters zu überschreiten; aber unsern Lehrerinnen niemals.

      Auf der andern Seite sahen sich Damen in Toilette, junge lebhafte Männer, Militairs, Abbés und große Herren. Financier's traf man wenig, sie nahmen nicht Theil an dieser ausgezeichneten Gesellschaft. Alles schwatzte und kokettirte wie in dem königlichen Palaste zu Trianon. Man lachte laut auf, man erzählte Anekdoten, man las Verse. Das Gitter war durchaus nicht lästig, man überging es, wenn nicht in der That, so doch im Sinne, und ich habe einige Male zu dem Marquis La Fare sagen hören:

      – Seit der Hof fromm geworden ist, schwatzt man nirgends mehr, als in den Sprechzimmern der Klöster.

      In den Winkeln flüsterte man, das Gesicht in dem Schiebfensterchen. Dies waren stets junge Nonnen und junge Damen, mitunter auch junge Herren. Sie liefen einem Schatten nach, wenn sie die Beute nicht haben konnten.

      Außerdem aß man Zuckerwerk und Orangenkuchen, wegen deren das Kloster eine gewisse Berühmtheit erlangt hatte. Ueberall herrschte Fröhlichkeit und gute Laune; nirgends sah man eine Thräne, gewahrte man Kummer. War ja einmal eine Unruhe vorhanden, so ward sie durch den Schleier und die Clausur verheimlicht. Dieses mit weltlichen Zerstreuungen geschmückte zurückgezogene Leben floß wie ein Bach zwischen zwei blumigen Ufern dahin; die Dornen verbargen sich, und der Duft allein stieg empor.

      Ich möchte eine Nonne sein, und zwanzig Jahre zählen. In diesem Alter bildet sich in der Seele und in dem Dasein eine Mischung von Lebensschwierigkeiten und Klosterzänkereien, die, wenn man Beide wie die Oberfläche eines Korbes betrachtet, einen ungemeinen Reiz gewähren. Später ändern sich die Ansichten; das Gleichgewicht verliert sich, der Ueberdruß wird stärker, die Frömmigkeit läßt nach und formt sich nach der Gewohnheit; man murmelt Gebete her, dreht den Rosenkranz zwischen den Fingern und geräth nicht mehr in Entzückung: man sorgt für den Beichtvater, stickt ihm Bilderchen und bereitet ihm Leckereien, aber man geht nicht allein mehr in die große Kastanien-Allee, stundenlang niederzuknieen und zu beten; man geht nicht mehr in die Kapelle, um mehr unter den Heiligen des Paradieses, als unter den Menschen zu leben. Die Alten gehen noch in das Sprechzimmer, aber sie bringen das ruhige, sorgenlose Gewissen

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