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durch einen Scherz,

      Als er nämlich einmal In dem Prozesse eines gewissen Grapin plaidirte, der von seinem Gegner einen Sumpf zurückforderte, den er sich angemaßt hatte, verwirrte er sich in der Auseinandersetzung dergestalt, daß ihn Niemand mehr verstehen konnte. Er war zu geistreich, um sich Illusionen zu machen, deshalb brach er kurz mit den, Worten ab:

      – Wahrhaftig, meine Herren, ich schwimme in Grapin's Sumpfe.

      Es war vorbei, er plaidirte nicht mehr.

      Mit Frau von Coulanges war es anders: sie blieb so jung, daß sie Andere überreden konnte, sie sei es wirklich. Sie hatte lange Zeit Geliebte und Galane, und war die geistreichste, liebenswürdigste und beißendste Frau von Paris. Als das Alter kam, als sie sah, daß es um sie her leer wurde, zog sie sich nach Saint-Gratien, nach dem großen Teiche von Enghien, zurück. Hier empfing sie die beste und gewählteste Gesellschaft; ihr Geist, ein wenig traurig über die entschwundene Jugend, ward indeß auf Augenblicke noch lebhaft, graziös und fröhlich, wie ehemals. Man citirte sie wie ein Orakel, wie ein Wunder. Als ich einst die Herzogin von Luynes besuchte, führte sie mich zu dieser berühmten Dame, daß ich sie kennen lernen sollte. Ich bin ihr deshalb zu großem Danke verpflichtet.

      Sie lebte in bescheidener, aber reizender Zurückgezogenheit; sie gab sich für fromm aus und glaubte auch aufrichtig, es zu sein, weil sie unzählige Paternoster betete und die Kirche und ihren Pfarrer besuchte.

      An dem Tage meines Besuche hatte es ein ungewöhnlich guter Zufall gefügt, daß Herr von Coulanges sich in Saint-Gratien befand. Außerdem waren noch einige andere mir bekannte Personen zugegen, wie z, B. die Frau Marschall von Villars, die Frau Herzogin von Nevers, der Herzog von Nevers, ihr Gemahl, und der Herzog von Antin. Ein dummer zudringlicher Mensch näherte sich der Frau Marschall und sagte hastig, indem er fast vor ihren Füßen niedersank:

      – Madame, Sie werden sehr glücklich sein: der große Feind und Rival des Herrn Marschalls von Villars ist nicht mehr: der Herr von Malborough ist todt.

      – Wie, riefen alle Anwesenden wie mit einer Stimme, Herr von Malborough ist todt?

      – Man erzählte es diesen Morgen laut in den Straßen, als ich Paris verließ, fuhr der Lästige fort.

      – Herr von Malborough ist todt! wiederholte Coulanges. Das ist ein großes Unglück für den König Wilhelm. Und was sagt die schöne Frau von Malborough dazu?

      – Wahrhaftig, mein Herr, ich weiß Nichts! antwortete die Gefragte, die völlig außer Fassung gebracht war.

      – Sie wird wahrscheinlich nicht mehr ihr ewiges Rosa-Kleid tragen, fuhr Frau von Coulanges fort. Und dieser Umstand zwingt sie, sich neue Kleidungsstücke zu schaffen, was sie anders wohl nicht gethan haben würde, weil sie so geizig ist.

      – Madame, ich will ein Lied auf den Tod Malborough's machen; es ist dies meine Art, die Te Deum zu singen.

      – In Ihrem Alter, mein Herr! antwortete die gute Dame, die keine Gelegenheit versäumte, um sich ihrem Gatten angenehm zu zeigen,

      – Ich werde es immerhin versuchen, denn man wird ja nicht gehängt, wenn der Versuch mißlingt.

      Er begann die erste Strophe, dann die zweite. Hierauf gab Jeder unter allgemeinem Lachen die Idee zu einer neuen Strophe. Die vier Zoffioiers sind von dem Herzoge von Antin, der den Geist und den beißenden Spott seiner Mutter besaß, der Frau von Montespan. So ward das Klagelied nach einer Weise des pont neuf beendet. Frau von Coulanges äußerte, man müsse eine neue, eigene Weise dazu erfinden.

      – Das kann gleich geschehen! rief Herr von Revers. Haben wir dort nicht Apollo mit seiner Leier?

      Er zeigte auf den kleinen Rameau, der an einem Fenster stand und an den Scheiben trommelte. Rameau's erste Versuche hatten bereits angekündigt, was er später werden sollte.

      Man ging zu ihm und drängte ihn so lange, bis er sich endlich an das Clavier setzte und eine Melodie versuchte. Nach einigen Augenblicken hatte er die erfunden, welche die Runde durch die ganze Welt machte. Man war entzückt darüber und versprach sich, das Werk allgemein zu verbreiten. – Da kam, ich weiß nicht wer, Jemand an, und erklärte die Nachricht von dem Tode Malborough's nicht nur für eine Lüge, er kündigte auch noch eine Art Frieden zwischen uns und ihm an.

      Man hielt das Besingen eines künftigen Verbündeten für eine Beleidigung seines Hofs, und nach einem gemeinschaftlichen Beschlüsse ward das Lied vergessen. Aber nicht Jeder hat es vergessen, denn einige Jahre später, als der Herzog wirklich gestorben war, erschien es wieder, und zwar anonym.

      Coulanges und Rameau lieferten sicherlich an jenem Tage, ohne es zu ahnen, das berühmteste und unsterblichste ihrer Werke. Das Pikanteste bei der Sache ist, daß man es überhaupt eben so wenig vermuthete, als sie selbst.

      Vierzehntes Kapitel

      Malborough war bei seinen Lebzeiten der habgierigste, räuberischste und geizigste aller Helden; er scharrte zusammen, und wenn Ludwig XIV. ihn sehr theuer hätte erkaufen können, so würden wir die Niederlagen und beklagenswerthen Streiche nicht gehabt haben, die das Ende seiner Regierung bezeichnen.

      Der Marschall von Villars behandelte ihn in dieser Beziehung mit großer Verachtung, und der Marschall von Richelieu sprach später in meiner Gegenwart bei der Marschallin von Luxembourg mit einer Art religiösen Diplomatie, die den Churchill stark vertheidigte.

      – Aber, Herr Marschall, er hat nur das gehabt, was man ihm gegeben!

      – Ah, mein Herr, Sie vergessen Alles, was er genommen hat!

      Durchs folgende an den Diplomaten gerichteten Worte machte ich sie schweigen, weil mich die Unterredung langweilte!

      – Warum streiten Sie darüber, mein Herr? Kennt sich der Herr Marschall nicht besser, als Sie?

      Es hatte ein Jeder seinen Theil. Der Marschall antwortete nicht darauf. So geistreich und schlecht er auch war, bei einer so gut angebrachten Wahrheit blieb er verlegen. Er stellte sich, als ob er über das Wappen von Hannover lachte, aber ich weiß genau, daß er sich verletzt fühlte, und daß er den Parisern nie verzieh, die nicht ermangelten, darüber zu singen.

      Kehren wir jetzt zu Milord Bolingbroke zurück.

      Er lebte inmitten der Hofintriguen der Königin Anna, und Gott weiß, daß er dabei nicht fehlte. Die Herzogin von Malborough fing es ganz entgegengesetzt an, zu regieren und die Erwählten der Königin sowie ihre Vorliebe für ihren Bruder, den Prätendenten, zu beseitigen. Saint Jean aber neigte sich im Gegentheil den Torys zu: dies war ein ewiger Wechselkampf. Ich kann nicht Alles davon erzählen, es würden starke Bände, und zwar sehr langweilige daraus entstehen. Aber ich erinnere mich eines Zuges der Herzogin Malborough, von dem man in ganz Europa sprach.

      Die Königin hatte ihr ihr reich mit Diamanten besetztes Portrait geschenkt; sie, die Diamanten zu verkaufen hatte, behielt trotzdem nicht das Bild, sie legte es bei einer Trödlerin nieder, wo es Jeder sehen konnte. Swift nannte deshalb die Herzogin mit einem Namen, der in der guten Gesellschaft wenig gebräuchlich ist, und da er von einem ehrwürdigen Doctor kommt, werde ich ihn nicht wiederholen.

      Die Stunde der Ungnade schlug für Lord Bolingbroke, oder vielmehr für Saint-John, denn damals war er es noch nicht. Die Königin ernannte ihn zum Vicomte Bolingbroke, und machte ihn zum Pair von England. Aber dies war die erste Stufe zu seinem Falle. Die zweite war der Tod des Herzogs Hamilton, seines Freundes. Dieser Edelmann hatte ein Duell im Hyde-Park mit Lord Mohun, Letzterer ward getödtet. In dem Augenblicke, wo der Herzog sich aufrichtete, rannte ihm der Colonel Macarting, der Secundant seines Gegners, den Degen rücklings durch den Leib, und warf seinen Körper auf den des Lords Mohun. Man klagte den Herzog von Malborough dieses feigen Verbrechens an, und beschuldigte ihn außerdem, daß er den Grafen von Oxford habe heimtückisch ermorden wollen, so daß er England, wahrend diese Gerüchte umliefen, verlassen mußte, indem er den Pfeil zurückließ, der den armen Bolingbroke, welchen die in Ungnade gefallene Herzogin nicht leiden konnte, verderben sollte.

      Vielleicht aber wäre er in Gunst geblieben, vorzüglich nachdem der Graf von Oxford in Ungnade gefallen war; aber die Königin Anna starb. Sie war eine vortreffliche Frau, vielleicht ein wenig schwach, aber im Allgemeinen gut und

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