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Da Lieferanten meist eine recht heterogene Stakeholder-Gruppe mit vielen (unterschiedlich großen) Teilnehmern sind, besteht auf Lieferantenseite wenig Einsicht in das Gesamtgeflecht der Lieferkette. Hier kommen Kreditversicherer ins Spiel, die Transparenz über die Lieferantenstruktur und die gewährten Kreditlinien aller Lieferanten erhalten. Die Versicherer wissen, inwiefern die Linien ausgenutzt werden und müssen bei Zahlungsstörungen informiert werden, was auf die Liquidität des belieferten Unternehmens schließen lässt. Anhand der hierdurch ermittelten Bonität passen Kreditversicherer die Limite dem veränderten Risiko an und stellen Lieferanten so vor die Entscheidung, ob und inwieweit die Belieferung zu den bisherigen Konditionen beibehalten werden soll oder nicht. Daher ist es entscheidend, Kreditversicherer frühzeitig in die Restrukturierung einzubinden, um zu gewährleisten, dass die Kreditlinien möglichst großzügig ausfallen.[20]
1.6 Kunden
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Obwohl Kunden meistens nicht direkt in der Restrukturierung involviert sind, kommt auch ihnen als Einkommensquelle eine wichtige Rolle zu. Sie können durch Loyalität einerseits oder Abwanderung andererseits die Wahrscheinlichkeit eines ggf. benötigten Insolvenzverfahrens maßgeblich beeinflussen. Ob Kunden abwandern, hängt zum einen von der Verfügbarkeit von Alternativangeboten ab, welche im B2C-Umfeld in der Regel deutlich höher ist als im B2B-Bereich. Zum anderen auch von den gegebenen Rahmenbedingungen, welche gerade im B2B einen schnellen Lieferantenwechsel oft verhindern können (z.B. langjährige Verträge, gemeinsam entwickeltes Know-how, Wettbewerbsklauseln). Inwiefern Kunden bereit sind, auch einen Sanierungsbeitrag zu leisten, hängt mit der Ausprägung der Lieferanten-Abhängigkeit zusammen. Bei hoher Abhängigkeit (z.B. spezialisierte Produkte mit Single Sourcing, langwieriger Aufbau eines neuen Lieferanten), können Kunden beispielsweise über verkürzte Zahlungsziele, veränderte Preise, Lieferbedingungen oder vorgezogene Abnahmen zu einer besseren Liquiditätssituation beim Lieferanten sorgen.
1.7 Öffentlichkeit/Politik
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Die Öffentlichkeit als Stakeholder in Restrukturierungssituationen ist ein weitgefasster Begriff und kann je nach Unternehmensgröße Einfluss auf kommunaler, Landes- oder Bundesebene haben. Negative Auswirkungen auf die jeweilige Region – wie z.B. Anstieg der Arbeitslosigkeit, Verlust von Steuereinnahmen, Negativschlagzeilen etc. – wollen sowohl Bürger als auch Politiker vermeiden. Allerdings sitzen diese meist nicht mit am Verhandlungstisch, da sie weder Eigen- noch Kreditgeber sind. Im speziellen Fall, wenn Länder oder der Bund selbst Aktionäre oder Bürgen sind, sowie in Fällen, in denen Fördermittel, in der Regel mit Auflagen gewährt wurden, kommt der zeitnahen und zielgerichteten Kommunikation eine noch größere Bedeutung zu. Die Einbindung der Presse sollte i.d.R. erst nach erfolgreicher Restrukturierung erfolgen, da sonst meist negative Stimmung in der Belegschaft durch die, oft wenig konstruktive, Berichterstattung erzeugt wird.
2. Stakeholder-Konflikte in einer Restrukturierung
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Die Stakeholder in einer Restrukturierung haben unterschiedliche Ziele und Interessen, woraus sich diverse Konflikte ergeben (vgl. Abb. 1).
Abb. 1: Stakeholder-Interessen und -Konflikte in der Restrukturierung
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Auch wenn die Konflikte und Machtverhältnisse von der individuellen Sanierungssituation abhängen und sich auch im Verlauf einer Restrukturierung dynamisch verändern können, wird im Folgenden auf typische Konfliktkonstellationen eingegangen.[21]
2.1 Spannungsfeld Management – Eigenkapitalgeber (Eigentümer)
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Wie oben bereits dargelegt, spitzt sich das Prinzipal-Agenten Dilemma zwischen Management und Eigentümern während einer Sanierung zu. Die Unternehmensleitung versucht, persönliche Haftungsrisiken zu minimieren und Arbeitsplatz sowie Reputation zu retten, was häufig zu einer Status-Quo-Bewahrung und veränderungsresistentem Verhalten führt („Schockstarre“). Demgegenüber möchten die Eigentümer ihr Lebenswerk und ihr investiertes Kapital bewahren, ohne jedoch zu viel Kontrolle an Kreditgeber abzugeben. Gerade in Familienunternehmen sollen auch für Folgegenerationen relevante Positionen und Mitspracherechte erhalten bleiben. Daher ist die Risikobereitschaft bei Eigentümern deutlich stärker ausgeprägt – für sie ist mehr „at stake“.
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Erschwerend kommt hinzu, dass das Management, welches bisher den Eigentümern ggü. (relativ) weisungsgebunden agiert hat, in der Sanierung stärker verschiedene Stakeholderinteressen austarieren und auch von den Eigentümern einen Sanierungsbeitrag einfordern muss. Daher bietet es sich oftmals an, einen neutralen Restrukturierungsexperten wie einen Chief Restructuring Officer einzubinden.
2.2 Spannungsfeld Management – Arbeitnehmer(-vertreter)
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Das Spannungsfeld zwischen Management und Arbeitnehmer(-vertretern) ist oft das herausforderndste während einer Restrukturierung. Meist sind Sanierungen mit tiefgreifenden strukturellen Personalmaßnahmen verbunden (z.B. Werksschließungen, Freistellungen, Lohnverzicht), da hierdurch oft signifikante Kosteneinsparungen erzielt werden und die kurzfristige Liquidität (oft) deutlich verbessert wird. Arbeitnehmer tragen dementsprechend einen hohen Beitrag zur Sanierung bei – im Gegenzug fordern sie allerdings auch Arbeitsplatzgarantien ein bzw. Ausgleichszahlungen oder Transfergesellschaften bei Entlassungen. Dies wird in aller Regel durch Betriebsräte oder Gewerkschaften verhandelt, weshalb dieser Stakeholder-Gruppe in einer Sanierung eine sehr große Bedeutung zukommt. Wie gut diese Konflikte gelöst werden können, hängt auch stark vom Vorkrisenverhältnis zwischen Management und Arbeitnehmern ab. Ist das Vertrauensverhältnis bereits vorbelastet, wird es für das Management ohne externe Unterstützung fast unmöglich, die Verunsicherung in der Belegschaft zu vermeiden und die Transformation erfolgreich umzusetzen.
2.3 Spannungsfeld Eigenkapitalgeber – Kreditgeber
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Das Ausmaß der Konflikte zwischen Eigentümern und Kreditgebern ist stark davon abhängig, inwieweit die Kredite durch das zu sanierende Unternehmen besichert worden sind. Falls die hinterlegten Sicherheiten relativ hoch sind, haben die Kreditgeber ein geringeres Interesse, im Rahmen einer Restrukturierung viel Zugeständnisse zu machen. Sie haben dann anders als die Eigentümer im Falle einer Abwicklung wenig zu verlieren. Nicht oder schlecht besicherte Kreditgeber hingegen, haben i.d.R. auch ein hohes Interesse an einer gelungenen Transformation, so dass sie die Chance auf Rückzahlung ihrer offenen Kreditforderungen erhalten können.
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