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Klausurenkurs im Strafprozessrecht. Marco Mansdörfer
Читать онлайн.Название Klausurenkurs im Strafprozessrecht
Год выпуска 0
isbn 9783811492790
Автор произведения Marco Mansdörfer
Серия Schwerpunkte Klausurenkurs
Издательство Bookwire
§ 157 StPO lautet:
„Im Sinne dieses Gesetzes ist
Angeschuldigter der Beschuldigte, gegen den die öffentliche Klage erhoben ist,
Angeklagter der Beschuldigte oder Angeschuldigte, gegen den die Eröffnung des Hauptverfahrens beschlossen ist.“
4. Form und Frist
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Die Voraussetzungen der §§ 25, 26 StPO liegen vor.
5. Rechtsschutzbedürfnis
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Zweifel am Rechtsschutzbedürfnis (vgl. etwa § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO) bestehen nicht.
Der Befangenheitsantrag ist somit zulässig.
II. Begründetheit
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Der Antrag auf Ablehnung des V ist begründet, wenn ein Ablehnungsgrund vorliegt.
Ein solcher könnte hier aus § 24 Abs. 2 StPO folgen. Demnach findet eine Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit dann statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.
Die Ablehnung eines Richters ist gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die seine erforderliche Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit störend beeinflussen kann.[1] Maßstab für die Beurteilung dieser Voraussetzungen ist ein vernünftiger bzw. verständiger Angeklagter.[2] Wie dem Wortlaut des Gesetzes bereits zu entnehmen ist, muss nicht festgestellt werden, dass tatsächlich eine Befangenheit des Richters vorliegt, sondern es reicht aus, dass der Anschein einer solchen Befangenheit gegeben ist.[3]
V hat auf seinem privaten Facebook-Account ein Bild veröffentlicht, das ihn mit einem T-Shirt zeigt, auf dem „Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause: JVA“ zu lesen ist. Hierdurch vermittelte er unmissverständlich den Eindruck, bei seiner richterlichen Tätigkeit Freude am Strafen zu empfinden und der Verhängung von unbedingten Freiheitsstrafen bei seiner Entscheidung über die zu verhängenden Rechtsfolgen aus persönlichen sachfremden Gründen den Vorzug zu geben. Den Kern dieser Aussage manifestierte er durch seine weitere bestärkende Äußerung in den Kommentaren und die Abgabe des zustimmenden „Likes“ unter den bestärkenden Kommentar. Fraglich ist, ob diese Aktivitäten geeignet sind, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des V zu rechtfertigen.
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1. | Dagegen spricht, dass es sich um den privaten Account von V handelt. Richtern ist ein Privatleben zuzugestehen, das sich unzweifelhaft auch auf den digitalen Raum erstreckt.[4] Insofern kann man es kritisch sehen, aus Äußerungen in einem privaten Raum eine berufliche Parteilichkeit abzuleiten. Hinzu kommt, dass die getätigten Äußerungen des V in keinem unmittelbaren Zusammenhang zum hier in Rede stehenden Strafprozess gegen Y standen. |
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2. | Demgegenüber lässt sich anführen, dass der Facebook-Account von V zwar durchaus seiner Privatsphäre entstammt, aber öffentlich einsehbar ist und eine inhaltliche Verbindung zum Beruf von V dadurch hergestellt wird, dass dieser in seinem Profil seine Tätigkeit beim Landgericht Rostock angibt. Insofern kann der alleinige Verweis auf die Privatheit des Accounts kaum überzeugen. |
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3. | Der Inhalt der öffentlich und somit auch für jeden Verfahrensbeteiligten zugänglichen Facebook-Seite dokumentiert eindeutig eine innere Haltung des V. Diese lässt bei verständiger Betrachtung besorgen, V beurteile die von ihm zu bearbeitenden Strafverfahren nicht objektiv, sondern habe Spaß an der Verhängung hoher Strafen und mache sich über die Angeklagten lustig. Unter diesen Umständen ist ein noch engerer Zusammenhang mit dem konkreten, den Angeklagten betreffenden Strafverfahren nicht erforderlich, um bei ihm die berechtigte Befürchtung zu begründen, dem Vorsitzenden mangele es an der gebotenen Neutralität.[5] |
Das in dem Ablehnungsgesuch dargelegte Misstrauen in die Unparteilichkeit des Vorsitzenden ist deshalb gerechtfertigt. Dessen Internetauftritt ist insgesamt mit der gebotenen Haltung der Unvoreingenommenheit eines im Strafrecht tätigen Richters nicht zu vereinbaren.[6]
Mithin liegt der Ablehnungsgrund aus § 24 Abs. 2 StPO vor.
Der Antrag auf Ablehnung des V wegen der Besorgnis der Befangenheit ist somit begründet.
III. Ergebnis
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Der Befangenheitsantrag von Y ist zulässig und begründet und hat daher Aussicht auf Erfolg.
Frage 2
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Sollte dem Antrag nicht stattgegeben werden, resultiert daraus ein Verfahrensfehler durch die Mitwirkung des V. Ein verfahrensfehlerfreies Urteil kann somit nicht ergehen, wenn V weiterhin als Richter dem Prozess beiwohnt.
Der dann auftretende Verfahrensfehler führt dazu, dass ein absoluter Revisionsgrund nach § 338 Nr. 3 StPO vorliegt, sodass eine Revision des Y unter Beachtung der entsprechend weiteren Voraussetzungen Aussicht auf Erfolg hat.
Abwandlung
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Fraglich ist, ob im Strafprozess eine Ablehnung des Staatsanwalts wegen der Besorgnis der Befangenheit überhaupt möglich ist.
1. Direkte Anwendung von §§ 24 ff. StPO
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Denkbar ist insoweit zunächst ein Rückgriff auf die gesetzlichen Regelungen in §§ 24 ff. StPO. Diese Normen betreffen zwar den Fall der Besorgnis der Befangenheit, gelten allerdings infolge ihres klaren Wortlauts nur für eine Ablehnung des Richters.[7] Eine Ablehnung des Staatsanwalts wegen der Besorgnis der Befangenheit kennt die StPO nicht.[8]
2. Analoge Anwendung von §§ 24 ff. StPO
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Möglicherweise können die §§ 24 ff. StPO auf Fälle der Ablehnung eines Staatsanwalts wegen der Besorgnis der Befangenheit analog angewendet werden. Dazu müssen die Voraussetzungen einer Analogie vorliegen.
a) Planwidrige Regelungslücke
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Die StPO enthält keine Regelungen für diesen Fall. Mithin liegt eine Regelungslücke vor. Fraglich ist jedoch, ob diese Regelungslücke auch planwidrig ist.
Dafür spricht, dass der Fall der Ablehnung des Staatsanwalts wegen der Besorgnis der Befangenheit durchaus häufiger auftritt und daher ein Regelungsbedürfnis besteht.
Allerdings hat der Gesetzgeber in den §§ 22 ff. StPO ausführliche Regelungen zur Ausschließung und Ablehnung von Richtern getroffen. Hätte er auch den Fall der Staatsanwälte regeln wollen, so hätte er dies getan. Eine vergleichbare Norm zu § 31 Abs. 1 StPO,