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Mara und der Feuerbringer. Tommy Krappweis
Читать онлайн.Название Mara und der Feuerbringer
Год выпуска 0
isbn 9783964260420
Автор произведения Tommy Krappweis
Издательство Автор
»So, wenn jetzt alle, die Ihren Kopf nicht in Blickrichtung des Zettelchens gebettet haben, diesen kleinen Missstand noch korrigieren wollen.«
Ein paar der Wiccas kicherten peinlich berührt, unter anderem Walburga, und wendeten sich den Zetteln zu.
»Sehr gut, ich bin stolz auf Sie. Also, bitte sprechen Sie nun mit mir, und zwar so synchron wie möglich«, sagte Thurisaz und wurde dabei immer leiser.
Mara war immer noch mulmig, als sie auf den Zettel mit dem unheimlichen Vers blickte. Sie bemerkte, dass Thurisaz wieder auf seine Uhr sah und ein paar Sekunden wartete. Schließlich begann er zu sprechen und sah auffordernd in die Runde. Die Wiccas stimmten eine nach der anderen mit ein:
Hohen Mut verleiht deine Macht;
grimmig und groß wächst in dir die Kraft!
Zur leckenden Lohe dich wieder zu wandeln,
spürst du die lockende Lust …
Mara sah zum Professor und ihm war anzumerken, dass es ihm auch nicht viel besser ging.
Hohen Mut verleiht deine Macht;
grimmig und groß wächst in dir die Kraft!
Sie glaubte zu erkennen, dass er nur die Lippen bewegte und gar nicht wirklich mitsprach.
Zur leckenden Lohe dich wieder zu wandeln,
spürst du die lockende Lust …
Sie beschloss, auch nur so zu tun, als ob sie den V…
Alles war weiß.
Erstaunt sah Mara sich um. Aber egal, wohin sie blickte, die Gaststube war verschwunden, als hätte jemand einen magischen Lichtschalter bedient. Stattdessen starrte sie in milchiges Nichts.
Nebel?
Sie hob ihre Hand und sah sie klar und deutlich vor sich.
Kein Nebel.
Sie wollte ein paar Schritte gehen und stellte fest, dass es nichts gab, worauf man laufen konnte. Trotzdem bewegte sie sich … vielleicht. Oder auch nicht. Wie konnte man das schon so genau sagen, wenn man sich an nichts vorbeibewegte und auch keinen Lufthauch spürte? Ohne Bezug zu irgendwas gab es auch keine Bewegung. Oder doch?
Mara wurde schwindelig, als sie versuchte, den Gedanken zu Ende zu denken. Also blieb sie stehen oder auch nicht und sah sich noch einmal um.
Nichts.
Von wegen »Flughafen«, schimpfte sie in sich hinein, hier ist überhaupt nix, wo man einsteigen könnte. Hier ist sogar so wenig irgendwas, dass es schon wieder viel ist. Viel nix nämlich!
Mara wartete einen Moment, aber nichts änderte sich. Schließlich beschloss sie, wieder aufzuwachen. Inzwischen hatte sie ja Übung im Visionen abschalten und wusste, dass sie sich einfach nur auf das Ziel konzentrieren musste – in diesem Fall: die Eckbank im Stüberl des Forsthauses.
Mara fokussierte ihre Gedanken und schon passierte … nichts.
Verdammt, was ist denn los? Warum geht das denn jetzt nicht wie sonst?
Mara runzelte die Stirn. Doch da durchzuckte sie ein Gedanke, der ihr so gar nicht gefiel: War vielleicht etwas schiefgegangen? War sie etwa irgendwo anders gelandet?
Urplötzlich schnürte es Mara die Kehle zu und sie spürte Panik in sich aufsteigen!
Hatte Thurisaz vielleicht sogar erkannt, dass sie nur da war, um ihn auszuspionieren, und hatte sie darum hier geparkt? Verdammt, warum war sie nur so naiv gewesen!
Da bemerkte sie, wie sich etwas vor ihr im Nichts abzeichnete und langsam an Kontur gewann. Mara erkannte die Umrisse sofort wieder, denn wer sonst hatte die Form einer Socke voller Götterspeise?
Klar und deutlich schälte sich die blaugrau schillernde Geistergestalt von Walburga aus dem nebellosen Nebel.
Und schon folgten ihr auch die anderen Wiccas. Mara erkannte Mama etwas weiter weg und zu ihrem Erstaunen auch Professor Weissinger – und zwar direkt daneben.
Hey, der saß doch vorhin gar nicht direkt neben Mama, wie hat er denn das jetzt angestellt?
Doch Mara bremste sich sofort wieder, denn sie hatte jetzt wirklich wichtigere Themen als das.
Stattdessen zwang sie sich dazu, die sie umgebenden Geistergestalten genauer zu mustern, und stellte fest, dass die im Gegensatz zu ihr alle die Augen geschlossen hatten. Alle schliefen tief und fest – außer Mara.
MAMA, rief Mara und bemerkte erschrocken, dass sie keinen Ton von sich gegeben hatte!
Sie rannte zu ihrer Mutter und bewegte sich doch keinen Zentimeter vom Fleck!
MAMA, schrie Mara noch einmal und konzentrierte sich mit aller Kraft darauf, irgendwie zu ihr zu gelangen. Sie ruderte mit den Armen, strampelte mit den Füßen und brüllte tonlos wie verrückt in das Nichts hinein. Aber Mama blieb unerreichbar und reagierte nicht. Mara fühlte sich mit einem Schlag völlig hilflos. Gleichzeitig stieg eine maßlose Wut auf Thurisaz in ihr auf, wie sie es noch nie zuvor in ihrem Leben empfunden hatte.
»Du Saukerl, wenn du Mama was antust, reiß ich dir für immer das Lachen aus dem Gesicht!«, kreischte Mara wie von Sinnen und spürte nur die Schmerzen in ihrem Hals.
Doch was war das? Bei Mama tat sich wieder etwas.
Mara kniff die Augen zusammen und wischte sich hastig den Tränenschleier weg. Ja, Mama sah ganz eindeutig nicht mehr erschrocken aus, sondern … verzückt! Mama lächelte.
Erschöpft vom Wechselbad der Gefühle, sah Mara zu, wie eine Wicca nach der anderen ebenfalls zusammenzuckte und im ersten Moment aussah, als würden sie in den Schlund der Hölle blicken … doch dann entspannte sich ihr Gesichtsausdruck und zurück blieb ein seliges Lächeln. Wie es schien, sahen sie alle etwas völlig anderes als Mara. Und es sah ganz so aus, als hätte Thurisaz zumindest teilweise die Wahrheit gesagt: Alle Teilnehmer außer Mara waren eingeschlafen und stiegen nun in irgendwelche Welten, Zeiten, Träume oder Wasauchimmers ein, die ihnen offensichtlich sehr real vorkamen.
Mara blickte zum Professor und konnte dort das Gleiche beobachten: Er fuhr als Letzter erschrocken herum, hob sogar seine Fäuste, als würde er angegriffen, entspannte sich aber im nächsten Moment, ließ die Hände sinken und sah sich dann um, als würde er irgendein Alpenpanorama bestaunen.
Auch alle anderen Wiccas verhielten sich so, als wären sie in einer anderen Welt, wo man sah, hörte, roch und schmeckte. Nur Mara blieb im Nirgendwo.
Also gut, anscheinend verlief bei den anderen wohl alles nach Plan – nur eben bei ihr nicht. Typisch. Was sahen die anderen alle, was Mara nicht sah? Und warum sahen alle etwas und nur sie selbst nicht? Wer war denn hier eigentlich die Seherin, verdammt!
Sie wollte gerade versuchen, sich hinzusetzen und einfach zu warten, bis sie alle wieder aufwachten, als schon wieder etwas Unvorhergesehenes passierte: Alle, außer Mara, begannen, langsam nach oben wegzuschweben.
Nein, Moment, ganz im Gegenteil – Mara sank! Etwas zog sie nach unten … und sie wurde immer schneller!
»Stopp! Lass mich los!«, brüllte Mara, strampelte mit den Füßen, als würde sie jemanden abschütteln, und ruderte mit den Armen, um sich irgendwo festzuhalten. Aber nichts war zu treten, nichts zu greifen. Mara sank weiter und konnte nur hilflos zusehen, wie sich Mama, der Professor und die Wiccas in rasender Geschwindigkeit von ihr entfernten. Schon sah sie nicht viel mehr von ihnen als kleine Punkte im nebligen Weiß und dann auch schon nichts mehr außer ihren eigenen, nach oben gereckten Händen.
Ein Aufschlag nahm Mara die Luft zum Atmen und das Hirn zum Denken.