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Mara und der Feuerbringer. Tommy Krappweis
Читать онлайн.Название Mara und der Feuerbringer
Год выпуска 0
isbn 9783964260420
Автор произведения Tommy Krappweis
Издательство Автор
»Aber, aber …«, stammelte Walburga. »Was ist denn mit der Nachbereitung?«
»Welche Nachbereitung? Davon steht nichts im Seminarprogramm, meine Liebe«, lachte Thurisaz und ließ die Verschlüsse seiner Ledertasche lautstark einschnappen.
Vor allem Maras Mutter war sichtlich enttäuscht. »Soll das heißen, Sie wollen uns nicht helfen, die Erfahrungen zu deuten?«
»Wie könnte ich«, erwiderte Dr. Thurisaz, während er in seine Jacke schlüpfte. »Ich bin hier nur das Reisebüro. Sie fahren in den Urlaub und nicht ich. Und was Sie da erleben, geht mich nichts an. Abgesehen davon habe ich, ehrlich gesagt, auch keinen blassen Schimmer, was das alles bedeutet, denn ich bin kein Geschichtsprofessor, haha! Aber ist doch schön, dass es so gut klappt. Wir sehen uns morgen wieder, bis dann!« Und weg war er.
Zurück blieb eine völlig verdutzte Wicca-Gruppe. Leise war eine hörbar enttäuschte Stimme aus der hinteren Reihe zu vernehmen. »Er hat uns nicht mal was verkauft …«
Mara war mit ihren Gedanken natürlich ganz woanders und sie war auch froh, dass Mama sie jetzt nicht löcherte, was sie denn erlebt hatte. Stattdessen führte sie ihr Weg direkt vor die Tür von Professor Weissinger. Sie klopfte und es dauerte einen Moment, bis er die Tür öffnete. Sie blickte in zwei Dinge: erstens in ein sehr nachdenkliches Gesicht und zweitens in ein sehr unordentliches Zimmer.
»Wow, wie haben Sie das denn so schnell geschafft?«, fragte Mara und suchte nach einer freien Stelle am Bettrand, auf die sie sich setzen konnte. Sie fand keine.
»Was meinst du?«, murmelte Professor Weissinger abwesend.
Er stapfte zurück zu einem Sessel, den er ans Fenster geschoben hatte, und setzte sich. Dann platzierte er den eingeschalteten Laptop wieder auf seinem Schoß.
»Na, dieses … all diese … egal, was googeln Sie denn?«, lenkte Mara mehr oder weniger geschickt ab und hatte auch noch Erfolg damit.
»Ich google nicht, Mara, ich recherchiere. Und ehrlich gesagt, lassen meine Erkenntnisse keinen anderen Schluss zu, als dass ich tatsächlich im Körper von Ibn Fadlān steckte und nun auch weiß, warum sein Reisebericht nicht vollständig ist. Ich hatte ja mit vielem gerechnet … aber das …«
Mara wartete, bis der Professor weitersprach. Er nahm die Brille ab und kniff sich mit Daumen und Zeigefinger in den Nasenrücken. »Es kostet mich sehr viel Überwindung, dir jetzt nicht einen ellenlangen Vortrag über Ibn Fadlān zu halten, Mara Lorbeer, und ich hoffe, du weißt das zu schätzen.«
Mara nickte nur.
»Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, bitte erinnere mich daran, wenn wir das alles durchgestanden haben, ja? Im Moment ist nur wichtig, dass wir nun wissen, dass dieser Dr. Riese keiner der üblichen Scharlatane ist. Wenngleich das natürlich keine Rückführung war – ich maße mir nicht an, mich für die Reinkarnation eines berühmten orientalischen Reiseschriftstellers zu halten. Trotzdem muss ich gestehen, dass dieser Thurisaz wohl wirklich was draufhat.«
Da war Mara allerdings anderer Meinung. »Aber was hat er denn schon groß gemacht? Wir haben doch nur den Vers gelesen und der Rest ist einfach passiert.«
»Aber Mara, woher willst du wissen, dass er nicht das Gleiche gemacht hat wie du auch, als du mich mit in deine Götterwelt genommen hast?«
Mara stockte. »Na ja, weil … weil er … weil ich nichts davon gespürt habe?«
»Um ehrlich zu sein, ich bemerke auch nichts, wenn du mich von einer Welt in die andere zerrst. Ich sehe natürlich, dass es für dich eine gewisse Anstrengung erfordert, aber spüren tu ich nix.«
»Aber der Dr. Thurisaz war doch auch nicht angestrengt! Der saß nur da!«, rief Mara so aufgeregt, dass der Professor ihr energisch zuwinkte und auf die Tür zum Gang deutete.
Er hatte recht, man konnte nie wissen.
Mara drosselte ihre Lautstärke wieder auf Verschwörungslevel. »Der hat sich nicht mal konzentriert oder so.«
»Mara, nur weil du ihm nichts angesehen hast, bedeutet das nicht, dass er nichts gemacht hat. Vielleicht ist er so mächtig, dass ihn das im Gegensatz zu dir gar keine Anstrengung kostet.«
Das saß. Ehrlich gesagt, hatte Mara diese Möglichkeit noch gar nicht in Betracht gezogen. Aber der Professor hatte recht. Wie hatte sie nur annehmen können, dass jeder, der irgendwelche Fähigkeiten hatte, dafür die Stirn in Falten legen und verkniffen aus der Wäsche schauen musste.
»Das wäre aber gar nicht gut, wenn der uns wirklich alle einfach so ausknipsen könnte, oder?«, sagte sie leise.
Der Professor seufzte. »Nein, das wäre sogar alles andere als gut. Aber jetzt erzähl doch bitte, was du erlebt hast. Konntest du rausfinden, wer du warst in dieser angeblichen Rückführung?«
»Ich war ich selbst, und ich bin überhaupt nicht rückgeführt worden«, entgegnete Mara und blickte in ein erstauntes Gesicht.
»Ich war vorher schon gespannt, aber jetzt implodiere ich fast. Komm schon, erzähl!«, bat Professor Weissinger, legte den Laptop zur Seite und sah Mara an.
Also schob Mara genug Kram zur Seite, um sich aufs Bett setzen zu können und schilderte ihm so genau wie möglich das verstörende Erlebnis mit der Totengöttin Hel und dem seltsamen Handel. Der Professor hörte schweigend zu.
Erst ganz zum Schluss schob Mara ihren Ärmel hoch und hoffte für einen Moment, dass der andauernde Schmerz auf ihrem Unterarm nur eine Erinnerung an einen bösen Traum war. Die schwarze Narbe in Form eines Rings machte diese Hoffnung zunichte.
Oh, Mist.
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