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Mara und der Feuerbringer. Tommy Krappweis
Читать онлайн.Название Mara und der Feuerbringer
Год выпуска 0
isbn 9783964260420
Автор произведения Tommy Krappweis
Издательство Автор
»Nun, wie Sie meiner ausnehmend unansehnlichen Broschüre schon entnehmen konnten, geht es hier um sogenannte Rückführungen. Bitte verzeihen Sie, dass das Infoblatt so stümperhaft zusammengeschustert aussieht, aber das liegt daran, dass es stümperhaft zusammengeschustert ist. Und zwar von mir selbst.« Wieder lachte er und man musste einfach mitlachen. Mara konnte sich immerhin beim zweiten »ha« stoppen, als sie in das ausdruckslose Gesicht von Professor Weissinger sah. Er hatte sich verdammt gut im Griff und zeigte kaum eine Regung. Wow.
Dr. Thurisaz holte einen Stapel kleiner Kärtchen hervor und legte ein paar auf jeden der drei Tische. »Den Satz auf diesen Kärtchen kennen Sie vielleicht auch schon von meinem Infoblatt.«
Mara wusste genau, welchen Vers er meinte, und als sie die Worte schwarz auf weiß auf dem Kärtchen stehen sah, durchzuckte sie ein brennender Schmerz.
Nur eine Erinnerung an ihren Kampf mit dem Feuerbringer oder real?
Sie sah hinüber zu Professor Weissinger, der dummerweise am Nebentisch saß. Auch ihm war die Anspannung deutlich anzumerken. Würden sie nun endlich eine Antwort bekommen, warum diese Verse dem Feuerwesen namens Loge eine solch unglaubliche Macht verliehen?
»Ich will ehrlich zu Ihnen sein«, sagte Thurisaz. »Dieser Vers ist nicht von mir.«
»Ach was«, brummelte der Professor leise, aber hörbar unter seinem Bart hervor.
Thurisaz drehte sich zu ihm und lächelte. »Ah, ein Wagnerianer, vermute ich?«
»Nicht direkt, aber dafür reicht es«, antwortete Professor Weissinger knapp.
Thurisaz lachte. »Ich geb’s ja zu, alles nur geklaut! Wenn Sie aber jetzt die Polizei verständigen, ist das Seminar zu Ende.«
Wieder lachten die Wiccas huhnig und der Professor enthielt sich einer Antwort. Sicher nicht, weil ihm keine einfiel – ganz im Gegenteil.
»Ich bekenne mich also schuldig, verehrte Damen. Dieser Vers ist aus dem Libretto von Wagners Ring-Zyklus. Richard Wagner war nun mal der bessere Dichter von uns beiden. Und im Gegensatz zum Meister kann ich auch keine Opern komponieren, sondern nur welche quatschen.«
Netter Gag, dachte Mara, aber uns wickelst du nicht so schnell ein.
Da bemerkte sie, dass sie immer noch lachte, und klappte schnell den Mund wieder zu.
»Dieser Vers hat eigentlich nur einen einzigen Sinn: Er soll für Sie in den nächsten Tagen und vielleicht auch für längere Zeit als eine Art Mantra dienen. Nur wenn wir alle im Einklang miteinander sind, werden wir stark genug sein, um hinüberzuwechseln in die … Zwischenwelt.«
Irgendetwas an dem Wort gefiel Mara ganz und gar nicht. Anscheinend gefiel es auch Thurisaz nicht besonders. »Ja, ich weiß – das klingt ein bisschen nach Fantasykitsch von der Resterampe. Wenn Ihnen das besser gefällt, können wir es auch gerne Transit Lounge nennen. Das passt sowieso besser und ich kann es Ihnen mithilfe eines Flughafens wunderbar erklären: In der Transit Lounge warten verschiedene Flugzeuge, die jeweils einen bestimmten Abschnitt Ihres Seelenlebens anfliegen. Leider können Sie aber keine Tickets kaufen, sondern müssen in den Flieger einsteigen, dessen Gate gerade geöffnet wird, wenn Sie verstehen. Versteht das jemand nicht?«
Keiner meldete sich. Außer Professor Weissinger. Thurisaz nickte ihm höflich zu und der Professor räusperte sich erst einmal, bevor er sprach: »Verstehe ich Sie richtig? Wir sprechen diesen – nebenbei nicht ganz originalgetreuen – Wagnervers und gelangen so in eine Zwischenwelt. Dort erhalten wir Zugang zu unseren früheren Leben und können in eines dieser Leben zurückreisen.«
»Ganz genau.«
»So einfach geht das?«
»So einfach, ja.«
Der Professor war sichtlich baff. »Nun … da bin ich jetzt aber mal gespannt«, sagte er und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Mit Recht, mit Recht«, lachte Thurisaz und genehmigte sich einen Schluck stilles Wasser aus einer PET-Flasche. Dann sah er auf seine Armbanduhr und klatschte tatkräftig in die Hände. »So, wollen wir?«
Da meldete sich Walburga zu Wort. »Aber, aber … wollen wir uns denn nicht erst einmal reinigen?«
»Wenn Sie sich vorher noch einmal die Hände waschen wollen, nur zu«, antwortete Thurisaz mit freundlichem Spott und alle lachten. Außer Walburga. Und außer Professor Weissinger, natürlich.
»Aber nein, das meinte ich nicht. Ich spreche natürlich von energetischer Reinigung. Wobei es mir hier nicht um mich selbst geht, ich trage ja immer meinen Chalzedon bei mir.«
Walburga zog an einem Lederband, das sie um den Hals trug, und ein kleiner blauer Stein ploppte aus ihrem Dekolleté. »Damit kann ich negative Verwirbelungen meiner Aura ableiten«, fügte sie in Richtung des Professors hinzu.
Der rang sich ein Lächeln ab und nickte etwas zu langsam.
»Aber selbstverständlich dürfen Sie alle Vorbereitungen treffen, die Sie selbst für nötig erachten, meine Damen und der bärtige Herr«, antwortete Thurisaz, ohne mit der Wimper zu zucken. »Bitte nehmen Sie sich doch ein paar Minuten Zeit dafür, denn dann habe ich auch die Gelegenheit, vorher noch etwas … ähm … abzuleiten. Bis gleich!« Unter dem gackernden Gelächter der Wiccas drehte er sich herum und ging hinaus.
Das, was nun folgte, kannte Mara schon von anderen Treffen mit Mamas Wicca-Gruppe und darum behielt sie Professor Weissinger im Auge.
Schade, dass ich mein Handy im Zimmer hab, dachte sie. Das wäre jetzt gleich sicher ein Foto wert.
Ein paar Minuten später hätte Mara vermutlich ihre gesamte Speicherkarte vollgeknipst. Der Anblick von Professor Weissinger inmitten einer Schar von Frauen, die alle ihr ganz eigenes Auren-Hygiene-Programm absolvierten, war schlichtweg unbezahlbar.
Alle Wiccas waren sofort aufgesprungen, hatten sich in der überschaubaren Gaststube ein Plätzchen mit genug Ellbogenfreiheit gesucht und dann ging es auch schon los: Die einen prusteten mehr oder weniger rhythmisch und vollführten dabei mit ihren Armen Bewegungen, die entfernt an Kugelstoßen erinnerten. Andere drehten sich langsam im Kreis wie ein Tanzbär und hoben langsam ihre Arme.
Professor Weissinger hob nur die Augenbrauen, als Maras Mutter die Hände über den Kopf hob und dabei einen so hochfrequenten Singsang von sich gab, dass der Professor Angst um seine Brillengläser haben musste.
Da sehen Sie es, dachte Mara grimmig. Mama ist nichts für Sie. Daran hat sich Papa schon vor Jahren die Zähne ausgebissen.
Sie erinnerte sich noch gut, wie er eines Tages mit diesem großen Kopfhörer nach Hause gekommen war. Als Mama mal wieder mit ihrer täglichen Seelenhygiene begann, legte er demonstrativ eine seiner alten Schallplatten auf und hörte sie in einer ohrenbetäubenden Lautstärke. Mara kannte alle Platten von Pink Floyd so gut wie auswendig. Allerdings nur in diesem quäkenden Sound, den man vernahm, wenn jemand neben einem den Kopfhörer auf Tausend gedreht hatte. Irgendwie passte Mamas irres Gesinge auch ganz gut zu dem einen oder anderen Song der Psychedelic Band.
Als Dr. Thurisaz ein paar Minuten später zurückkam, hatten sich die Wiccas wieder einigermaßen beruhigt. Er wirkte zwar nicht direkt, als wäre er in Eile, aber sein Auftreten hatte für Mara doch etwas Drängelndes.
»So, dann nehme ich mal an, alle Auren sind gereinigt und müssen auch nicht mehr zum Trocknen rausgehängt werden? Sehr schön. Bitte nehmen Sie nun die Zettelchen mit dem Vers zur Hand und legen dann die Arme verschränkt auf den Tisch.«
Alle folgten der Anweisung, auch Mara und der Professor.
»Fein, und jetzt betten Sie bitte Ihre Häupter bequem auf die Arme. Wir wollen doch nicht, dass Sie nachher mit einer Beule aufwachen oder der eine oder andere Dickschädel vielleicht gar die hübschen Echtholztische beschädigt.«
Das ging eindeutig an den Professor, obwohl Thurisaz noch nicht einmal ansatzweise in dessen Richtung geblickt hatte. So langsam