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illegal im Wald „entsorgten“ Autos verantwortlich. Der Eigentumsaufgabe gleichgestellt wird die Veräußerung einer gefährlichen Sache, etwa eines Altlastengrundstücks, an eine vermögenslose (juristische) Person.339 Spezialnormen für Altlastenfälle finden sich in § 4 Abs. 3 und Abs. 6 BBodSchG.

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      Kommt es zu einer Verbindung oder Vermischung der gefährlichen Sache mit anderen Sachen – zu denken ist hier etwa an eine Vermischung von ausgelaufenem Öl mit Flusswasser –, verhindert § 9 Abs. 1 Satz 3 SOG a. E., dass der Eigentumsuntergang zu einer Enthaftung führt.

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      § 9 Abs. 2 SOG legt fest, dass die Zustandshaftung des Eigentümers endet, wenn er – etwa durch einen Diebstahl oder eine Unterschlagung – jede Einwirkungsmöglichkeit auf sein Eigentum verliert. Jetzt muss nicht mehr er, sondern nur noch der aktuelle Inhaber der tatsächlichen Gewalt für den Zustand der Sache einstehen.

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      Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit werden aus Verhältnismäßigkeitsüberlegungen für solche Fälle diskutiert, in denen Eigentümer rein zufällig in die Verantwortungsposition geraten, etwa weil ein Tanklastzug mit giftigen Chemikalien gerade auf ihrem Grundstück verunfallt oder sich Jahrzehnte nach dem Kauf eines Grundstücks herausstellt, dass es durch frühere, unbekannte Eigentümer kontaminiert wurde.340 Als grobe Richtschnur mag hier eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dienen, die jedenfalls dann die Unzumutbarkeit einer Grundstückssanierung angenommen hat, wenn deren Kosten den Verkehrswert des Grundstücks nach Sanierung übersteigen und der aktuelle Eigentümer nicht Verursacher der Altlast ist.341

       d) Maßnahmen gegen Dritte (Nichtstörer)

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      Im Unterschied zu den bisher behandelten Handlungs- und Zustandsverantwortlichen hat der in § 10 SOG gemeinte Dritte, die abzuwehrende Gefahr oder die zu beseitigende Störung nicht verursacht. Deshalb können diese sogenannten Nichtstörer nur unter sehr strengen Voraussetzungen zu den in § 10 Abs. 2 SOG beispielhaft aufgezählten Unterstützungshandlungen verpflichtet werden. Ein Beispiel: Ein Fußballverein, in dessen Stadion ein Hochrisikospiel stattfindet, bei dem zu erwarten ist, dass rivalisierende Fangruppen gewalttätig werden, ist Nichtstörer. Dennoch hat es das OVG Hamburg aufgrund des § 10 SOG für zulässig gehalten, diesem Fußballverein aufzugeben, keine Eintrittskarten an den Gastverein abzugeben.342

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      § 10 Abs. 1 SOG formuliert drei ausdrückliche Bedingungen für die Heranziehung von Nichtstörern. Zunächst muss eine Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung bereits vorliegen oder eine Gefahr unmittelbar bevorstehen (zu diesen Begriffen s. B. I.2.b.). Sodann darf kein anderes Mittel zur Verfügung stehen, um der Gefahr bzw. Störung zu begegnen. Insbesondere muss der Erlass einer Verfügung gegen den Verantwortlichen ausscheiden, sei es, weil es keinen Verantwortlichen gibt, wie etwa bei wetterbedingten Gefahrenlagen, sei es, dass der Verantwortliche nicht oder nicht rechtzeitig greifbar ist, wie etwa bei einem entlaufenen wilden Tier.343 Die dritte geschriebene Bedingung des § 10 Abs. 1 SOG besteht darin, dass der Behörde ausreichende eigene Mittel und Kräfte zur Gefahrenabwehr fehlen müssen. Dies muss die Behörde belegen.344 So soll verhindert werden, dass die Verwaltung einen nicht verantwortlichen Bürger allein deshalb belastet, um Kosten zu sparen oder sich die Arbeit zu erleichtern.345 Die Behörde muss also alles ihr Mögliche und Zumutbare unternommen haben, z. B. auch andere Stellen um Amtshilfe gebeten haben, bevor sie auf den Nichtstörer zugreift.346

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      Aus Verhältnismäßigkeitsgründen werden zwei weitere – im hamburgischen SOG nicht ausdrücklich niedergelegte – Anforderungen an die Heranziehung des Nichtstörers (auch: Notstandspflichtiger) gestellt. Zum einen darf die abzuwehrende Gefahr bzw. die zu beseitigende Störung keine Bagatelle darstellen, sie muss erheblich sein.347 Zum anderen muss man dem Nichtstörer persönlich zumuten können, tätig zu werden. Diese Bedingung ist nicht erfüllt, wenn die angesprochene Person physisch oder psychisch nicht in der Lage ist, zu helfen, sich durch die Unterstützung der Behörde in erhebliche Gefahr bringen oder anderweitige höherwertige Pflichten vernachlässigen würde.348 Ein konkretes Beispiel für den Einsatz des § 10 SOG wäre die Einweisung unfreiwillig Obdachloser in leerstehende Wohnungen Dritter, vorausgesetzt es gibt keinerlei Möglichkeit für die öffentliche Hand, anderweitig für Unterbringung zu sorgen.349

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      Im Unterschied zu Handlungs- und Zustandsstörern hat der Nichtstörer einen Entschädigungsanspruch, der analog auch auf den Fall übertragen wird, dass ein Nichtstörer eine polizeiliche Verfügung befolgen muss, obwohl die strengen Voraussetzungen für seine Heranziehung nicht erfüllt waren.350 Auch dem Anscheinsstörer wird dieser Entschädigungsanspruch zugestanden, wenn er den Anschein einer Gefahr in nicht zurechenbarer Weise gesetzt hat.351

       e) Störerauswahl

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      Die Frage der Störerauswahl tritt auf, wenn mehrere Personen für eine Gefahr verantwortlich sind. In dieser Situation dürfen Verwaltungsbehörde oder Polizei nach Ermessen (s. B. I.4.b.cc.) entscheiden, wen sie als Adressaten einer Verfügung auswählen.352 Maßgebliches Auswahlkriterium ist dabei, welcher von mehreren Verantwortlichen die Gefahr bzw. Störung am schnellsten und wirksamsten beseitigt.353 Regelmäßig ist dabei jeder Störer für die gesamte Gefahr verantwortlich.354 Erst wenn es unklar ist, welcher Adressat zur effektivsten Gefahrenabwehr in der Lage ist oder wenn mehrere Störer die Gefahr gleich effektiv abwehren können, kommt es darauf an, wen die Gefahrenabwehr am wenigsten belastet.355 Als unverhältnismäßig wurde es allerdings bewertet, dass einem Störer, dem maximal 2 % Verursachungsanteil zugerechnet werden konnte, die volle Beseitigung der Störung aufgebürdet wurde.356

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      Wegen der überragenden Bedeutung einer effektiven Gefahrenabwehr gibt es bei Maßnahmen der Gefahrenabwehr (sogenannte Primärebene) keine zwingend einzuhaltende Abstufung zwischen Verhaltens- und Zustandsstörern. Sie werden überwiegend als gleichrangig betrachtet.357

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      Bei der Störerauswahl auf der Haftungsebene (sogenannte Sekundärebene) geht es um die Verteilung der Kosten nach einem Polizeieinsatz. Die Gefahr ist beseitigt, sodass das Effektivitätskriterium nicht mehr allein maßgeblich ist. Vielmehr erscheint es gerecht, die Kosten nach dem jeweiligen Verursachungsanteil auf die einzelnen Störer zu verteilen.358 Diese Grundregel gilt zumindest immer dann, wenn die verschiedenen Störer auffindbar und rechtlich noch existent sind.359 Manche Länderpolizeigesetze sehen eine gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Störer ausdrücklich vor.360 Selbst wenn dies nicht gesetzlich verankert ist, erlaubt die h. M. den Behörden, von jedem einzelnen Störer den vollen Kostenbeitrag zu verlangen.361

      Sven Eisenmenger

       a) Ermessen – eine Einordnung

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      Wenn man ein Gesetz zur Gefahrenabwehr kreiert, dann steht man vor einem Dilemma. Einerseits muss das Gesetz – schon wegen des Bestimmtheitsgrundsatzes gem. Art. 20 Abs. 3 GG (s. o. A.III.2.) – hinreichend präzise gefasst sein, also klare Lösungen bereithalten. Andererseits kann der Gesetzgeber nicht alle Situationen voraussehen,

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