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Handbuch Hamburger Polizei- und Ordnungsrecht für Studium und Praxis. Sven Eisenmenger
Читать онлайн.Название Handbuch Hamburger Polizei- und Ordnungsrecht für Studium und Praxis
Год выпуска 0
isbn 9783415068582
Автор произведения Sven Eisenmenger
Издательство Bookwire
(4) Allgemeine Verfahrenserfordernisse
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Weitere spezielle Verfahrensanforderungen werden in der Generalklausel naturgemäß nicht normiert, es gelten insoweit die allgemeinen Verfahrensanforderungen (ggf. Anhörung, Begründung usw.) des HmbVwfG. Diese sind im Rahmen der „formellen Rechtmäßigkeit“, insbesondere beim „Verfahren“ zu prüfen (s. B. I.1.b.).
3. Verantwortlichkeit, §§ 8–10 SOG
Guy Beaucamp
a) Allgemeines
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Die Vorschriften über die Verantwortlichen, auch Störer oder Adressat genannt, ergänzen die Generalklausel.315 Erweist sich eine Person im Nachhinein weder als handlungs- (§ 8 SOG) noch als zustandsverantwortlich (§ 9 SOG) und liegen die sehr restriktiven Voraussetzungen der Notstands- oder Nichtstörerhaftung (§ 10 SOG) ebenfalls nicht vor, war die gegen sie gerichtete polizeiliche Verfügung in der Regel rechtswidrig.316
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Um aus der Vielfalt der Lebenszusammenhänge die für die Gefahren relevanten Ursachen und darauf aufbauend die hierfür Verantwortlichen herauszufiltern, verwendet die h. M. die Theorie der unmittelbaren Verursachung.317 D. h. nur derjenige wird als Störer betrachtet, dessen Verhalten oder dessen Sache die Gefahrengrenze überschreitet und die unmittelbare Ursache für den Gefahreneintritt setzt. Es kommt hierbei auf die wertende Betrachtung des Einzelfalls an, sodass man nicht generell sagen kann, der letzte Verursachungsbeitrag sei derjenige, der die Gefahrengrenze überschreite.318 Ein nur indirekter, mittelbarer Beitrag zur Gefahr wird als Veranlassung bezeichnet und führt typischerweise nicht zur polizeirechtlichen Verantwortlichkeit.319
b) Handlungsverantwortlichkeit
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Wie die Formulierung des § 8 Abs. 1 SOG erkennen lässt, kann eine Person sowohl durch ihr Tun als auch durch Unterlassen für eine Gefahr verantwortlich sein (Verhaltensverantwortlicher). Die letztgenannte Variante ist allerdings nur einschlägig, wenn jemand einer Handlungspflicht nicht nachkommt.320 Beispiele hierfür wären die Schnee- und Eisräumpflicht des § 29 HmbWegeG oder die Pflicht der Unfallbeteiligten, eine Unfallstelle zu sichern (§ 34 StVO).
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§ 8 Abs. 1 SOG erlaubt auch ein Vorgehen gegen juristische Personen des Privatrechts, etwa eine Aktiengesellschaft oder eine Gewerkschaft.321 Hoheitsträger müssen das Polizei- und Ordnungsrecht ebenfalls beachten und haben in erster Linie selbst dafür zu sorgen, dass ihre Betätigung die übrige Rechtsordnung und damit die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht beeinträchtigt; anderenfalls wäre die gesetzlich vorgesehene Kompetenzordnung gefährdet.322 Ausnahmen von diesem Grundsatz sind allerdings für Not- und Eilfälle sowie für rein fiskalisches Handeln von Hoheitsträgern anerkannt – etwa das verkehrsbehindernde Abstellen von angelieferten Schulmöbeln auf dem Fußweg.323 Das Bundesverwaltungsgericht hat ebenfalls akzeptiert, dass eine Immissionsschutzbehörde Lärmgrenzwerte für ein gemeindliches Schwimmbad nach § 24 BImSchG festgelegt hat.324
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Umstritten ist die Frage, ob auch der sogenannte Zweckveranlasser Adressat polizeilicher Maßnahmen sein kann. Als Zweckveranlasser werden Personen angesehen, die eine Gefahr zwar nicht unmittelbar verursachen, aber das störende Verhalten objektiv hervorgerufen haben und zumindest damit einverstanden sind.325 Die Figur des Zweckveranlassers erfüllt das praktische Bedürfnis, die vielleicht uneffektive Heranziehung einer unbestimmten Personenmenge durch die Inanspruchnahme eines Einzelnen zu ersetzen.326
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Dennoch vermögen die für diese Rechtsfigur vorgebrachten Begründungen nicht zu überzeugen. Zunächst spielt im Polizei- und Ordnungsrecht die subjektive Einstellung, auf die eine Heranziehung des Zweckveranlassers teilweise gestützt wird, generell keine Rolle.327 Überdies wird der Zweckveranlasser das störende Verhalten Dritter häufig nicht wollen. Ein Geschäftsmann möchte z. B. erreichen, dass möglichst viele Passanten im Vorbeigehen sein Schaufenster betrachten, nicht aber, dass Ansammlungen Neuankömmlingen den Blick verstellen und Verkehrsbehinderungen auslösen. Die These, dass die Dritten nahezu zwangsläufig zu Störern werden, weil sie dem vom Zweckveranlasser gesetzten Impuls nicht widerstehen können, verkennt, dass es sich um zurechnungsfähige Erwachsene handelt, die eigene Entscheidungen treffen.328 Die Figur des Zweckveranlassers ermöglicht Grundrechtseingriffe, die nicht von einer hinreichend bestimmten Ermächtigungsnorm gedeckt sind und lässt sich folglich schwer mit dem rechtsstaatlichen Vorbehalt des Gesetzes vereinbaren.329 An ihre Stelle muss die Nichtstörerverantwortlichkeit (§ 10 SOG) treten.330
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Stellt sich später heraus, dass die Beamtinnen und Beamten bei der Annahme, jemand sei Störer, im Irrtum waren, kommt es auf die Vertretbarkeit dieses Irrtums an. Durfte ein sachkundiger und besonnener Amtsträger vor seiner Entscheidung (ex ante) annehmen, dass der Herangezogene Störer war (Anscheinsstörer), bleibt die ergriffene Maßnahme rechtmäßig.331 Anderenfalls kann die Heranziehung nur gemäß § 10 SOG gerechtfertigt werden.
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Als Handlungsstörer wird nach § 8 Abs. 2 SOG auch derjenige behandelt, der seiner Aufsichtspflicht für einen unter 14-jährigen Minderjährigen oder eine zu betreuende Person nicht nachkommt. Schließlich ist – wie in § 831 BGB – der Geschäftsherr gemäß § 8 Abs. 3 SOG für störende Ausführungshandlungen seiner Verrichtungsgehilfen verantwortlich. Unter Verrichtungsgehilfen versteht man Personen, die von Weisungen des Geschäftsherrn abhängig sind,332 also typischerweise Arbeitnehmer. Anders als im BGB steht dem Geschäftsherrn allerdings die Exkulpationsmöglichkeit des § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB im Polizei- und Ordnungsrecht nicht zur Verfügung.333 Die genannten Personen, also Aufsichtspflichtige und Geschäftsherren, können zusätzlich neben oder an Stelle des eigentlichen Verursachers herangezogen werden.334
c) Zustandsverantwortlichkeit
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Zustandsverantwortlicher ist der Eigentümer (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SOG) oder der Besitzer (§ 9 Abs. 1 Satz 3 SOG) einer gefahrbringenden Sache, also etwa eines bissigen Hundes oder eines Fahrzeugs mit defekter Bremsanlage. Der gefährliche Zustand muss nicht bewusst herbeigeführt worden sein. Er kann auf Naturereignissen oder der Lage einer Sache im Raum beruhen.335 Ist der Eigentümer unbekannt oder abwesend, wird die Polizei nach § 9 Abs. 1 Satz 3 SOG auf den zugreifen, der die tatsächliche Gewalt über die Sache hat.336 Hier kommen etwa Halter von Autos, Mieter, Pächter, Verwahrer, Wohnungs- oder Insolvenzverwalter in Frage.337 Das Alter, die Einsichts- oder Verschuldensfähigkeit oder die Weisungsgebundenheit haben für die Zustandshaftung keine Bedeutung.338
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