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dann am Bahnhof scheuchte man die Scharen

      von Perbáls Hunden rauh von uns hinweg,

      die alle, alle mitgekommen waren.

      Es zischt und faucht: Schon kam die Lok auf Touren.

      Im Riesenchor der Hunde schwoll das Leid.

      Es dringt der Schmerz der treuen Kreaturen

      in fensterlose Finsternis: Wir fuhren!

      Der Kessel pfiff, schon drehten sich die Speichen:

      Die Riesenmeute folgt’ dem Elendszug

      gerad’ so weit wie Hundepfoten reichen

      bis auch der schnellsten Tiere Kräfte weichen,

      den letzten Laut der Pusztawind vertrug.

      Wir ließen still das Haus, wo wir geboren,

      fast ohne Schmerz und fügten uns darein,

      doch quält seitdem die Klage unsre

      Ohren von Perbáls Hunden, die wir einst

      verloren, und herrenlos gelassen und allein.

      Von unserer Fahrt mit dem Güterzug „Heim ins Reich“ habe ich zwei deutliche Erinnerungen. Damals war ich vier Jahre und zwei Monate alt.

      Als wir an einem herrlichen Sonnentag ein Stück an den Alpen vorbeifuhren, wurde von innen die Wagentür geöffnet und die Leute riefen: „Die Schneebergn!“ Es war überwältigend. Ich werde diesen Anblick nicht vergessen: unten die grüne, blühende Ebene, und oben die verschneiten weißen Gipfel.

      Wir hielten auf dem Bahnsteig einer Stadt, vermutlich Wiener Neustadt. Jemand aus unserem Waggon hatte Knochen, mit denen zuvor eine Suppe gekocht worden war, auf den Bahnsteig geworfen. Staunend sah ich, wie umstehende Menschen sich darauf stürzten und sich um die Knochen schlugen. Unsere Leute verstanden das zunächst nicht. Als Bauern hatten sie bisher genug zu essen gehabt. Die auf dem Bahnhof waren aber Städter. Sie hungerten.

      Als ich 2005 mit meiner Frau Perbál besuchte, führte uns mein Cousin Ferenc (Franz) in eine Gasse am Rande des Dorfes. Er wollte uns die dort noch vorhandenen, schon ziemlich verfallenen Weinkeller zeigen. Wir waren kaum aus dem Auto ausgestiegen, da sprach uns ein Mann vor seinem Gartentor gegenüber an. Er forderte uns auf, in den Hof zu kommen und ein Glas Wein mit ihm zu trinken. Wir gingen mit auf seinen Hof und stellten uns vor. Nachdem er erfuhr, dass der Kopp Hans mein Großvater war, sprudelte es plötzlich nur so aus ihm heraus: Er habe das Pferd und den Wagen im April 1946 nicht gestohlen, sondern meinem Großvater abgekauft. Auch das Kalb habe er von ihm gekauft, und er habe unsere Familie auch mit dem (gerade erworbenen) Fuhrwerk nach Piliscsaba zur Bahn gebracht. Ich war einigermaßen überrascht über den Rechtfertigungszwang dieses Mannes, denn von diesen Einzelheiten hatte ich so konkret gar nichts gewusst. Er war ein Slowake, sprach aber unseren Perbáler Dialekt perfekt. Seine Frau hielt sich im Hintergrund des Hauses auf und traute sich erst nach fast einer halben Stunde auf den Hof. Ob sie Angst hatten, dass wir Pferd, Wagen und Kalb wieder von ihnen zurückhaben wollten? Das Geld, das er und vielleicht auch noch andere dem Opa damals bezahlt hatten, besitze ich heute noch: ein Bündel wertloser Pengö-Scheine. Pengö war die damalige ungarische Währung.

      Der Zuweg zu seinem Haus war mit Weinreben zu einer Art Pergola überwuchert. Man sah es den Reben geradezu an, dass sie sich wohl fühlten. Weil es Frühsommer war, konnte ich nicht erkennen, ob es rote oder weiße Trauben waren. Was das denn für eine Sorte sei, fragte ich den Mann, die so üppig wuchere. Er wisse es nicht so genau. Er nenne sie aber die „Narischi ve Pressburg“, weil er die Stecklinge aus Pressburg (Bratislawa) bekommen habe. Es seien rote. Ich fragte ihn, ob ich von der „Närrischen aus Pressburg“ ein paar Stecklinge bekommen könne. Selbstverständlich, so viele ich wolle. Wir verabredeten dann, dass er im kommenden Winter die Stecklinge abschneide und durch meinen Cousin nach Deutschland schicken lasse. Ich habe sie nie bekommen. Vermutlich handelte es sich um amerikanische Wildreben, z. B. „Isabella“ oder „Delaware“. Von den Fotos, die ich bei unserem Treffen auf dem Hof gemacht hatte, schickte ich dem Mann einige Abzüge als Beilage zu einem kleinen Dankschreiben. Ich habe keine Antwort erhalten.

      19 Dieses Recht wurde ihnen im Wiener Abkommen (Deutsch-ungarisches Protokoll vom 30. August 1940) ausdrücklich zugestanden. S. Wiener Abkommen in: Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost- Mitteleuropa, Band II, o.o.O (Bonn) 1956, S. 73 E f.

      20 Die drei Regierungen haben die Frage unter allen Gesichtspunkten beraten und erkennen an, daß die Überführung der deutschen Bevölkerung oder Bestandteile derselben, die in Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn zurückgeblieben sind, nach Deutschland durchgeführt werden muß. Sie stimmen darin überein, daß jede derartige Überführung, die stattfinden wird, in ordnungsgemäßer und humaner Weise erfolgen soll. Potsdamer Protokoll, Erklärung der drei alliierten Großmächte, 2. August 1945

      21 Fehérvári Josef, Geschichte der deutschen Volksgruppen in Südosteuropa, Manuskript, S. 12

      22 vgl. z. B.: Erlebnisbericht des Seminaristen Franz Roth vom 22. Mai 1943 in Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, Band V, o.o.O. (Bonn) 1961, Nr. 9, S. 78 f., „Einberufung von Volksdeutschen zur Waffen-SS aufgrund der deutsch-ungarischen Vereinbarung vom 22. Mai 1943“

      23 vgl. Endre Arató, Der Volksbund der deutschen in Ungarn – eine fünfte Kolonne des Hitlerfaschismus, Rezension Johan Tills zu Norbert Spangenberger, Der Volksbund der Deutschen in Ungarn 1938–1944 unter Horthy und Hitler, in www. ungarndeutsche.de /rezension_volksbund_till. html

      24 Dr. Georg Utto, Deutscher Kalender1991, Jahrbuch für die Ungarndeutschen, „Grausame Rechtsbestimmungen der Kollektiven Bestrafung“, Sonderdruck

      25 Rede Himmlers in seiner Feldkommandantur beim ukrainischen Shitomir (16. September 1942) in Die Waffen-SS, Text und Dokumentation: Wolfgang Schneider, Berlin 1998, S. 128 f.

      26 Internet. Diesen Text hat mir mein Bruder zugesandt. Er informiert über ein wichtiges Motiv der Vertreibung.

      Ausführlicher: s. Perbálbuch

      27 Der Bericht von Therese Beer aus Eifa, wurde aufgezeichnet von Alfred Becker.

      Angekommen in Nordhessen

      Unsere Ankunft in Deutschland, am 14. April 1946, begann auch für mich im Ort Allendorf an der Eder in Nordhessen, amerikanische Zone. Der Güterzug mit uns Vertriebenen hielt, die Waggons wurden geöffnet, die Männer und Frauen kletterten heraus, hoben die Kinder und Alten herunter und luden das Gepäck aus. Es war ein ziemliches Durcheinander mit viel Lärm und Geschrei. Männer mit Listen, auf denen die Namen der Angekommenen aufgeführt waren, riefen die Vertriebenen zu Gruppen zusammen, um sie in die für sie vorgesehenen Dörfer zu bringen. Selbstverständlich wollten die Familien zusammenbleiben und machten sich lautstark bemerkbar. Ob es deswegen aber zu Korrekturen der Listen gekommen ist, weiß ich nicht. Erinnerlich ist mir aber, dass wir auf Armeelastwagen der US-Armee aufgeladen und dann in das für uns vorgesehene Dorf transportiert wurden. Wie die meisten der Ankömmlinge sah ich zum ersten Mal einen Farbigen, „an Neege“, wie es in unserem Dialekt heißt. Ein solcher packte mich, hob mich über seinen Kopf hoch, lachte mich von unten freundlich an und setzte mich auf dem Laster ab. Dieses freundliche, lachende Gesicht des jungen Mannes sehe ich heute noch vor mir, wenn ich an die Ankunft in Allendorf denke.

      Die

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