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musste ihn vorsichtig transportieren, damit ihm die glashart gefrorenen Arme und Beine nicht abbrachen. Auch die Pferde waren erfroren. Sie standen noch angeschirrt im Schlitten, und die Männer konnten an den Spuren im Schnee sehen, wie die armen Tiere verzweifelt versucht hatten, aus dieser Schneefalle herauszukommen. Es war leider vergebens. Der Mann und seine Tiere waren das Opfer seines Leichtsinns geworden. Später erfuhren die Dorfleute nämlich, dass der Mann aus Perbál von seinen Bekannten in der Stadt gewarnt worden war, in der Dunkelheit und bei dem großen Schneetreiben noch nach Hause zurückzufahren. Er hatte aber nicht auf ihren Rat gehört. So hatte er sich und seine Pferde umgebracht. „So geht es denen, die nicht auf den Rat von vernünftigen Leuten hören“, sagte der Großvater zu uns staunenden Kindern gewandt. Wir saßen nämlich vor dem Ofen auf einem kleinen Holzschemel und hörten mit weit offenen Augen und aufgesperrten Mündern dieser Geschichte zu, voll Mitleid mit dem Mann und den armen Rössern.

      Eine weitere Gefahr für Schlittengespanne waren in schneereichen Wintern die Wölfe. Dazu gab es auch eine Reihe von Geschichten. An eine erinnere ich mich. Auf dem Weg zurück nach Perbál wurde ein Schlittengespann, das im tiefen Schnee nur langsam vorankam, von einem Wolfsrudel angegriffen. Die Tiere versuchten, die Pferde am Hals zu packen und umzureißen. Die zwei Männer auf dem Schlitten schlugen mit ihren Peitschen auf sie ein, konnten sie damit aber nicht vertreiben. Zum Glück hatten sie Streichhölzer dabei. Einer der beiden riss Stroh aus einem Bündel heraus, das auf den Schlitten lag. Doch das Streichholz ging immer wieder aus. Nach mehreren Versuchen konnten sie endlich ein Büschel anzünden. Schnell zog er ein weites heraus, das er an dem ersten anzündete usw. Die brennenden Strohbüschel warf er auf die Wölfe, die er mit dem Feuer endlich vertreiben konnte. Ich bibberte vor Angst und malte mir vor unserem Feuer in der Stube riesige Wölfe mit weit aufgerissenen Rachen aus, die die armen Pferde fressen wollten und dann doch durch ein großes Feuer vertrieben werden konnten. Erleichtert atmete ich auf. Meine Oma, die meine Angst wohl bemerkt hatte, nahm mich in ihre Arme und beruhigte mich: „Hier in die Stube können die Wölfe ja nicht kommen.“

      18 Verlegt bei Franz Greno Verlagsgesellschaft, Nördlingen 1985

      Die Vertreibung der Ungarndeutschen

      Die Volkszählung von 1941

      1941 hatten in einer Volkszählung in Ungarn 477.000 Personen Deutsch als Muttersprache angegeben. Von diesen hatten sich rund 300.000 auch zur deutschen Nationalität bekannt und damit zu ihrem Selbstverständnis, zur deutschen nationalen Minderheit zu gehören.

      „In mehreren Verordnungen der provisorischen Nationalregierung wurde ab März 1945 mehrfach festgelegt, dass

      1 ‚Der Besitz der Landesverräter, der führenden Pfeilkreuzler, der Nationalsozialisten und anderen Faschisten, der Mitglieder des Volksbundes, ferner der Kriegsverbrecher und Volksfeinde, konfisziert wird‘

      2 zur Umsiedlung nach Deutschland derjenige ungarische Staatsbürger verpflichtet ist, der bei der letzten Volkszählung 1941 deutsche Volkszugehörigkeit oder Muttersprache angegeben hat, oder seinen magyarisierten Namen wieder in einem deutsch klingenden ändern ließ19, oder Mitglied des Volksbundes oder einer bewaffneten deutschen Formation (SS) war.

      Die Vertreibung der Ungarndeutschen fiel der Regierung argumentativ umso leichter, als der Volksbund von seiner Gründung bzw. Legalisierung durch die ungarische Regierung 1938 einen aktiven Naziflügel hatte, und die sogenannten „Volksdeutschen“ 1940 pauschal dem Kommando Himmlers unterstellt worden waren. Aufgrund der Unterlagen der Volkszählung wurden auch in den deutschen Dörfern um Budapest Listen derjenigen aufgestellt, die zur Vertreibung und Enteignung vorgesehen waren. Die Zugehörigkeit zum Volksbund wurde als ein zusätzliches Merkmal herangezogen. Das Kriterium „Mitglied des Volksbundes oder einer bewaffneten deutschen Formation“ betraf mehrere Tausend Familien, deren junge, männliche Angehörige überwiegend unter Druck zur Wehrmacht oder Waffen-SS eingezogen worden waren. Wer in ihre Formationen eintrat, verlor automatisch seine ungarische Staatsbürgerschaft.

      Die Nazis haben den Weg der Vertreibung der Ungarndeutschen durch ihr Programm „Heim ins Reich“ vorgezeichnet und vorbereitet.

      Wenn man die Vertreibung der Ungarndeutschen nüchtern betrachtet, setzten die ungarischen Nachkriegsregierungen die Politik des Reichsverwesers Miklos Horthy fort, der die deutsche Minderheit „Heim ins Reich“ transportieren wollte. Hitlers Paladin Himmler formulierte die Ziele dieser Politik einmal wie folgt:

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