Скачать книгу

      Kutub bestätigt meine Befürchtungen. »Also deine EVA ist nicht nur für den reinen Spaß vorbereitet worden. Da steckt mehr dahinter. Nur haben sie offenbar bei der Programmierung geschlampt, als sie den Scanner aktiviert haben. Das hätte im offiziellen Bios geschehen müssen.«

      »Was sie wohl noch für Geheimnisse in sich trägt?«, grübele ich.

      »Wir können sie ja mal auseinandernehmen!«, schlägt Kutub vor.

      »Das kommt überhaupt nicht in Frage!«, schrecke ich auf. Niemand vergeht sich an EVA!

      Kutub schaut mir belustigt zu, wie ich aufgeregt im Zimmer auf und ab gehe.

      »Was ist das mit dir und deiner EVA?«, forscht er grinsend.

      »Sie … sie«, beginne ich, doch Kutub winkt gleichgültig ab. »Deine Sache.«

      »Und jetzt?«, frage ich ratlos und auch dankbar, da er nicht weiter in mich dringt. Er ist halt doch ein echter Freund.

      »Ich denke, wir kommen nicht drum herum, sie über einen Account online gehen zu lassen, um rauszubekommen welche unseriösen Programme noch drin stecken.«,

      »Aber bemerken sie dann nicht unsere Manipulation?«, frage ich verunsichert.

      »Wahrscheinlich schon. Ich nehme sicherheitshalber nicht deinen Account«, bestätigt er. »Aber auf diese Weise kann ich ein kleines getarntes Programm einschleusen, das ich mit unserem Trojaner verbinde, um die Datenströme zu dokumentieren. Wenn ich drin bin im System, schalten wir sofort wieder ab.«

      Ich nicke, das klingt vernünftig. »Bis wann schaffst du das?«, frage ich vorsichtig. Kutub lächelt. »Heute nicht mehr. Hast du es eilig?«

      »Bis Weihnachten?«, frage ich und spüre, wie meine Ohren heiß werden.

      »Wieso Weihnachten?«

      »Ich möchte eine Weihnachtsfeier machen, mit … euch!«, vollende ich den Satz anders, als ich ihn eigentlich sagen wollte.

      »Nanu, bist du plötzlich sentimental geworden?«, wundert sich Kutub. Nun sitze ich in der Falle. Ich hole tief Luft. »Na und? Wenn es deinen muselmanischen Hintergrund nicht stört, fände ich es schön, Weihnachten eine Santa-Party zu machen.«

      Kutub lacht schallend auf. »Du bist ein Blödmann!«

      »Nein, im Ernst!«, bestätige ich, nun selbst sicher, dass ich genau das schon immer gewollt hatte. Eine Santa-Party mit guten Freunden, mit Champus, heißer Musik, gutem Essen, roten Zipfelmützen, Tannenbaum … und … EVA!

      9. Kapitel: Dollyrobotic

      »Wir haben da ein Problem!« Der junge Mann mit dem glattrasierten Kopf und dem leger zugeknöpften Hemd setzte sich seinem Chef gegenüber an den mit Kaffeetassenrändern übersäten Resopaltisch. Willem Van Beuten, ein fülliger Holländer, der die Firma Dollyrobotic in Leiden leitete, zog die Stirn unwillig in Falten, weil er es nicht schätzte, in der Kaffeepause mit Problemen belästigt zu werden. Doch bei Dollyrobotic ist die Hierarchie flach und das Klima untereinander kumpelhaft. Das ist Teil der Geschäftsphilosophie, um die intelligenten und etwas eigenwilligen Programmierer bei der Stange zu halten. Und Van Beuten gegenüber Frederic, ein leicht ungepflegt wirkender junger Mann, war ohnehin das Gehirn im Bereich der Programmierung. Also schaute er aus seinem Krimi von Janwillem van de Wetering auf, bei dem es um Karate und Ketchup ging, schlürfte einen weiteren Schluck aus seiner riesigen Kaffeetasse und wartete.

      »Wir haben offensichtlich einen Wurm im System.«

      Plötzlich war Van Beuten ganz bei der Sache. »Sicher? Frederic?

      Frederic nickte. »Offensichtlich ist jemand ins System eingedrungen.«

      Van Beuten seufzte. »Wie tief?«

      Frederic zuckte mit den Schultern. »Wissen wir noch nicht. Wir arbeiten dran.«

      Van Beuten steckte Horrormeldungen wie diese in die Ablage »Später gruseln« und bemühte sich, schnell die Fassung zurückzugewinnen. Der Besuch der Amerikaner stand unmittelbar bevor. Ein Besuch, der sorgfältig vorbereitet worden war, denn es ging um die Frage, ob Dollyrobotic seine Eigenständigkeit behalten konnte oder vom übermächtigen Partner in Übersee geschluckt wurde. Dollyrobotic war aus einer simplen holländischen Sexpuppenmanufaktur hervorgegangen. Aufblasbare Gummipuppen für Erwachsene mit weit aufgerissenen zahnlosen Mündern. Van Beuten hatte sich, als das Geschäft angesichts der Internetpornoangebote immer schlechter lief, mit einem amerikanischen Startup-Unternehmen zusammengetan, die lebensecht wirkende Dollys aus Spezialgummi herstellten. Angeregt durch die neuesten japanischen Entwicklungen in der Robotik tauschte er zusammen mit Frederic, den er noch aus seiner Studienzeit kannte, die Puppenköpfe der ursprünglichen weiblichen Torsi gegen computerisierte und motorisierten Köpfe aus, die in der Lage waren, die menschliche Mimik bis zu einem gewissen Grad nachzuahmen. Hierzu kaufte er die Lizenzen in Japan ein, die bereits Vorreiter auf dem Gebiet der animierten Robotergesichter waren. Von da aus war es nur ein kleiner Schritt, sie mit sprachbegabter KI zu ergänzen, wie sie bereits von großen Internetunternehmen erprobt wurde. Das brachte ihn an den Rand des Ruins. In letzter Minute fand er potente Geldgeber, und die kamen, wie konnte es anders sein, von einem amerikanischen Unternehmen, welches in die Robotikbranche investierte. Die Abhängigkeit vom Geldgeber erwies sich nun allerdings als ein zweischneidiges Schwert. Denn die Herrschaften wollten nicht nur Fortschritte und Gewinne sehen, sie begannen zunehmend in die Produktlinien einzugreifen. Zwar stellten sie auch die notwendigen Rechnerkapazitäten für die Cloud zur Verfügung, als Van Beuten Entwicklungen immer aufwendiger wurden, doch sie monierten das zu langsame Marktwachstum des Unternehmens und waren inzwischen richtig unbequem geworden.

      Wie sollte Van Beuten seine Ideen verwirklichen, wenn er in Zukunft alle Entwürfe aus den Staaten absegnen lassen musste? Das schmeckte ihm ganz und gar nicht und Frederic, nebenbei, auch nicht. Der hielt ohnehin nichts vom Kapitalismus, aus alter Anhänglichkeit an Ideen seiner Jugendzeit. Und ohne Frederic konnte er einpacken.

      »Wer weiß davon?«

      Frederic, ein heller Kopf und begnadeter Programmierer, blickte ihn verwundert an. »Ist das wichtig?«

      »Wer weiß davon?«, wiederholte Van Beuten seine Frage leise und blickte wie abwesend zur Tür, durch die gerade Luise hineinschlurfte. Luise, die einzige Frau in der Abteilung. Marketingmanagerin.

      »Nun, Robby natürlich, der hat es auch entdeckt, als er die Accounts restrukturiert hat. Offensichtlich ist jemand über einen aktiven Account eingedrungen.«

      Van Beuten blickte auf sein Pad. »Ich muss los! Lass uns später daran arbeiten. Sorg dafür, dass niemand davon erfährt! ... Vorerst!«

      Frederic blickte ihn erstaunt an, dann begriff er. »Die Amis?«

      Als Antwort brummte Van Beuten nur, während er ihm beim Aufstehen auf die Schulter klopfte.

      »Kann ich mich auf dich verlassen?«

      Offenbar erwartete er gar keine Antwort, sondern setzte sich schwerfällig in Richtung Tür in Bewegung, ohne von Luise auch nur Notiz zu nehmen.

      Frederic blickte seinem Chef mit unguten Gefühlen nach.

      »Dicke Luft?«, fragte Luise mit ihrer tiefen rauchigen Nikotinstimme, während sie sich verwundert neben ihn setzte.

      »Die Amis sind wieder eingeflogen«, nickte er.

      »Was wollen die schon wieder?«, fragte Luise stirnrunzelnd.

      Frederic bemühte sich, ein unbekümmertes Lächeln herauszuquetschen. »Rumstänkern, was sonst? Genau hat sich Willem nicht geäußert.«

      »Die haben uns die letzte Marketingaktion gestrichen!«, beschwerte sich Luise.

      » Warum?«

      »Das wär nichts für den puritanischen amerikanischen Markt.«

      »Haben die wirklich puritanisch gesagt?«

      Luise

Скачать книгу