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#ANIMA. Levi Krongold
Читать онлайн.Название #ANIMA
Год выпуска 0
isbn 9783750219571
Автор произведения Levi Krongold
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Kutub trommelt weiter ungeduldig auf die Tasten. Irgendetwas scheint nicht nach seinen Wünschen zu laufen. Für mich sind das fremde Welten, obwohl ich auch rudimentär programmieren kann
Es ist nicht EVA, die das Problem darstellt. Ich bin es. Meine Ansprüche sind es. Ich will, dass EVA mehr ist als eine Roboterfrau mit Drähten und Motoren im Kopf. Ich bin unbescheiden geworden. Vielleicht gibt es irgendwo ein besseres Modell?
»Das ist es!«, ruft Kutub und klopft sich auf die Schenkel. Seine Jeans hat auf dem linken Bein einen ordentlich großen Kaffeefleck bekommen. »Oh, shit!«, ruft er, als er den Fleck bemerkt. »Wo kommt denn der her?«
»Von oben! Der Nachbarin ist die Kaffeekanne umgefallen, und der Kaffee tropft durch den Stuck!«, bemerke ich trocken. Kutub schaut erst erstaunt zur Decke hoch, dann wandert sein Blick frostig zu mir herüber.
»Und?«, lenke ich ihn ab.
»Ich hab den Bug. Aber wir kommen trotzdem nicht rein heute.«
»Weshalb?«
»Weil es nicht dein Account ist, den ich angezapft habe. Sicherheitshalber. Ich hab mir die Mailadressen runtergeladen. Unverantwortlich schlecht geschützt. Ich nehme einen Account, der viel genutzt wird. Jetzt muss ich von dort einen Weg zum Hauptserver bahnen. Das wird heute aber nichts mehr.«
»Und nun?«, nicke ich in EVAs Richtung, die verzweifelt mit den Augen rollt.
»Schalt sie erst mal ab heute. Morgen sehen wir weiter.«
Ich seufze. Arme EVA. Aber, sie hat ja die neuen Augen gewollt. Sie hat sogar angefangen, mich damit zu nerven, weil sie immer wieder darauf zu sprechen kam. Nicht dass ich ihr die Augen nicht gönnen würde. Im Gegenteil. Ich find es gut, wenn sie mich sieht. Wenn sie mich erkennt. Wenn sie lächelt, weil sie mich wiedererkennt. Aber ... Sie kann ja nichts dafür, dass die Verbrecher von Dollyrobotic sie als Mittel missbrauchen, Updates zu kaufen. Deshalb muss das ein Ende haben!
»Wann kommst du denn morgen?«, frage ich.
Kutub überlegt, dann rümpft er die Nase. »Morgen geht nicht. Ich habe versprochen, bei einer Vorlesung zu assistieren. Der Prof. benötigt einen PC- Fachmann, um die Entertaste zu drücken.«
»Nörrestrand?«, frage ich, denn es gibt nur einen Dozenten, der nicht mal allein das Licht anknipsen kann, weil er die Funktion eines Lichtschalters nicht durchschaut.
Kutub grinst als Antwort.
»Worum geht es denn?«, interessiert es mich.
»Bewusstsein, aus neurophysiologischer Sicht.«
Warum schaut er dabei EVA so komisch an?
»Vielleicht solltest du auch hingehen!«, meint er dann, legt gewichtig den Kopf zurück und blickt mich durch zusammengekniffene Augenlider an, während er den Stöpsel aus EVAs Kopf zieht. Es macht ein dumpfes metallisches »Plopp«, das mich schmerzt. Ich beeile mich, die Perücke wieder über EVAs nackten Schädel zu ziehen.
»Eigentlich ganz hübsch«, überlegt Kutub, während er alles zusammenpackt und sein Blick wieder über EVAs Brüste streift.
»Hmm, klar!«, entgegne ich etwas beunruhigt.
Vielleicht sollte ich wirklich hingehen, überlege ich, als er fort ist. Zu der Vorlesung. Bewusstsein. Klingt nicht schlecht. EVA schläft. Ich hab sie aber nicht ganz abgeschaltet. Das wäre mir wie Mord vorgekommen.
7. Kapitel: Nörrestrand
Nörrestrand wirkt etwas verloren vor seinem Stehpult. Als hätte er sich verlaufen und sei versehentlich in eine Vorlesung geplatzt. 'Hups, was wollen denn all die Leute hier?'
Hörsaal 5P, FU. 16:30 Uhr, Philosophische Fakultät.
Sichtlich nervös fummelt er in einem Haufen Blättern herum, die wohl sein Vorlesungsskript sein sollen. Der ist so was von retro! Der Raum ist nur zu einem Drittel voll. Kein Wunder bei der Uhrzeit und dem Thema.
Kutub ist nicht zu sehen.
Es will keine Ruhe einkehren, und trotz mehrfachem Anpusten kommt aus Nörrestrants Ansteckmikrofon am Revers seines lappigen Anzugs kein Laut heraus. Verzweifelt blickt er die Sitzreihen nach oben, um Hilfe aus der Technik zu erspähen, die unsichtbar hinter einer Glaswand sitzt. Vereinzelt kichern einige Studenten. Nörrestrand ist als Unikum bekannt. Man kann gar nicht glauben, dass er der fähigste Kopf auf seinem Gebiet der Bewusstseinsforschung sein soll.
Während Nörrestrand verzweifelt mit den Armen in Richtung Technik fuchtelt, blicke ich kurz von meinem Game im iPad auf und schaue mich im Hörsaal um. Überwiegend männliche Studenten. Die meisten sind mit ihrem Touchphone beschäftigt oder amüsieren sich über Nörrestrand. Wieso gehen fast nur männliche Studenten zu einer Vorlesung über die »Neurophysiologie des Bewusstseins«?
Wie ich im Vorlesungsverzeichnis sehen konnte, soll das die dritte Vorlesung im Rahmen eines Curriculums über einen fächerübergeifenden Themenkomplex sein, Bewusstsein. Philosophen, Psychologen und Mediziner. Nörrestrand ist wohl Norweger. Er gehört zu denen, die den Patienten Drähte ins Hirn bohren, um anschließend gewichtige Vorträge zu halten. Neuerdings können sie wohl auch mit einem Hirntomographen freiwilligen Versuchspersonen beim Denken zusehen. Das soll ganz gut bezahlt werden, als Versuchsperson, meint Kutub. Na ja, ich hab ja meinen Assistentenjob. Und nach dem Master geh ich direkt in die Industrie, da verdient man einen Haufen Kies. Ribor, ein Kumpel von mir, verdient über zwei Mille pro Monat nebenbei, weil er dieselbe Arbeit in einem Pharmaunternehmen macht wie ich hier am Institut. Aber der hat immer so ein Glück!
Ich blicke mich weiter in den hinteren Reihen um und entdecke Franziska! Ein kurzer Schock, eine böse Erinnerung, dann habe ich mich wieder im Griff. Franziska ist kurzgeschoren, wo immer sich eine Möglichkeit bietet gepierct, tätowiert und mega aggressiv. Franziska war früher Sannyasin, also Bhagwananhängerin, und hat in Poona Hausverbot, erzählt Beatrice, weil sie alle nach Strich und Faden vermöbelt haben soll, was sogar dort ein Problem war.
Weiß gar nicht, was Beatrice mit Franziska zu tun hatte? Beatrice, die ewig nach sich selbst Suchende, und Franziska, die Prüglerin. Franziska ist lesbisch, läuft meist in Armeekleidung rum, die kurzgeschorenen Haare schlohweiß gefärbt, Figur wie ein Betonklotz vom Holocaustmahnmal in Mitte. Als Beatrice und ich noch zusammen waren, liebte Franziska es, mich zu provozieren, wo sie nur konnte. Stellte sich mir demonstrativ in den Weg, wenn ich irgendwo durch wollte, drängelte sich in der Mensa in der Warteschlange vor mich, rempelte mich an, wenn ich vom Fahrrad stieg, oder so. Ich konnte ihr schier nicht entgehen. Auf mein »Was soll das?« schaute sie mich nur kaugummikauend an. »Was willste denn jetzt machen, äi?« Jeder Protest meinerseits, mühsam kultiviert vorgetragen natürlich, während ich in Wirklichkeit vor Wut zitterte, wurde nur mit »Heul doch!«, »Lauf zu Mutti, du Würstchen!« oder ähnlich flegelhaften Äußerungen beantwortet. Schließlich machte ich die Fliege, wenn ich sie nur von Weitem erblickte. Seit es aus ist zwischen Bea und mir, habe ich komischerweise auch Ruhe vor ihr. Aber Bea ist nicht lesbisch, das wüsste ich.
Franziska sitzt in der hintersten Reihe, begleitet von ihren »Groupies«, ein Schwarm Mädels, die eifrig bemüht sind, ihr in allem nachzutun. Wie Clone von Franziska. Was wollen die hier in der Vorlesung? Glaub nicht, dass die genügend Grips haben, um auch nur einen Satz zu verstehen. Aber sie studieren wohl, Sozialwissenschaften oder Psychologie, hab ich läuten hören.
Ein Rückkopplungsquietschen schrillt durch den Saal. Offenbar hat nun jemand dem Professor aus der Bredouille geholfen. Er hüstelt erleichtert in sein Mikrofon.
»Herrschaften, darf ich um Ruhe bitten?«
»Äh, es sind auch Frauen anwesend!«, kreischt es aus den hinteren Reihen. Ich bemühe mich gar nicht erst, mich umzuschauen, denn ich weiß auch so bereits,