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sogar noch ein bisschen hinter uns hergefahren«, fuhr Marie munter fort. »So?«, machte Roy geistesabwesend. Vielleicht würde er lieber Rinderhacksteaks kaufen. Die Kinder aßen nicht gerne richtige Steaks. »Als wir in den Waldweg eingebogen sind, ist er sogar mit seinem Auto noch stehen geblieben. Mama hat ihm noch zugewinkt, dann ist er endlich verschwunden. Gruselig.« Vielleicht doch lieber Hühnerschenkel, überlegte Roy. Das ging immer. Er beschloss Hühnerschenkel zu kaufen. »So, ja, ja, das kommt vor«, gab er unzusammenhängend zurück. Marie plapperte weiter, bis sie zum Auto kamen, und weiter, während sie fuhren, denselben Weg, den er heute Morgen zu Fuß genommen hatte. Erst als sie an der Stelle vorbeikamen, an der er heute Morgen den Fremden getroffen hatte, bremste er leicht ab und schaute unwillkürlich in den Waldweg hinein. »Was is'n?«, fragte Marie. »Ach, nichts«, antwortete er ausweichend und gab wieder Gas. Wenn er alleine gewesen wäre, hätte er wohl gehalten und sich ein wenig umgeschaut, was der Typ dort zu suchen gehabt hatte. Vielleicht musste er nur mal austreten? Ein merkwürdiges Gefühl überkam ihn beim Weiterfahren, als müsse er nochmals umdrehen und zurückfahren. Unmöglich. Er verbot sich diesen Gedanken. Sollte der Supermarkt geschlossen haben, wenn sie dort ankämen, wäre der Abend ebenfalls gelaufen. Es war schon kurz vor achtzehn Uhr. Der Markt hatte noch geöffnet, als sie endlich einparkten. Einkaufen mit Kindern ist regelmäßig eine schwere Erziehungsaufgabe, fand Roy. So auch jetzt wieder, wenn Marie nicht zu überzeugen war, Süßigkeiten, Schnickschnack oder andere Sachen, die ihrer Meinung nach dringend zu einem gelungenen Grillabend gehören, wieder aus dem Einkaufswagen zu entfernen. So war denn die Stimmung der beiden schon nach wenigen Minuten auf dem Tiefpunkt angelangt. Maries Versuche, Roy davon zu überzeugen, dass saure Gummibärchen unbedingt auf jeden Grill gehören, oder nichts besser schmeckt als angekohlte Klöße aus rot und blau gefärbtem Schaumzucker scheiterten ebenso wie Roys verzweifelte Versuche, ihr eben das gerade auszureden. Schließlich einigten sie sich darauf, dass Gummibärchen zwar nicht auf den Grill gehören, aber vielleicht dazu dienen könnten, die Stimmung zu heben, und Schaumzucker durch Chips ersetzt werden könnte, als geschmackliche Alternative zu fettigem Fleisch. Dass es dann unbedingt die Chips von dieser einen Marke sein mussten und nicht die wahrscheinlich von derselben Firma hergestellten, nur halb so teuer angebotenen Alternativ-No-name-Produkte, nahm Roy schließlich entnervt hin. Eine kleines Aufflackern seines Unmutes erlebte er noch an der Kasse, als der Einkaufswagen, neben reichlichen Mengen Grillgut dann doch plötzlich eine Tüte Marshmallows enthielt. Da hatte er es schon aufgegeben zu protestieren, auch weil Marie so schelmisch lachte, dass er ihr nicht wirklich böse sein konnte. Also machte er gute Miene zum bösen Spiel und formulierte den pädagogisch wenig wertvollen Satz: »Aber nur dieses eine Mal als große Ausnahme!« Sie nickte mit leuchtenden Augen, wohl weil sie insgeheim befürchtet hatte, er könne diese kleine Frechheit letztendlich doch noch ahnden, und in dem Wissen, ihn mal wieder um den Finger gewickelt zu haben, riss sie die Tüte, kaum dass sie die Kassiererin passiert hatte, auf und stopfte sich gleich zwei dieser merkwürdigen Auswüchse der Esskultur in den Mund. Er schaute demonstrativ weg. Der Rückweg verlief dann auch einigermaßen schweigend, wenn man vom demonstrativen Schmatzen Maries absah, die Mühe hatte, die zuckersüße klebrige Masse wieder aus dem Mund zu bekommen und in Richtung Magen zu befördern. Ihre Fahrt endete jedoch abrupt an einer Straßensperre, die mitten auf der Landstraße errichtet worden war. Ein Polizist mit Motorradhelm und Haltekelle verhinderte die Weiterfahrt. Quer über der Straße war ein rotweißes Absperrband gespannt. Dahinter versperrte ein quergestelltes Polizeimotorrad mit blauem Blinklicht die Straße. Auch in dem seitlichen Waldstück standen mehrere Polizeiwagen sowie ein Notfallwagen der Feuerwehr. »Schau mal!«, rief Marie interessiert. »Da ist bestimmt was passiert!« »Vielleicht ein Unfall!«, sinnierte er, wobei er auf den zweiten Blick erkannte, dass ein Polizeiwagen gerade an dem Waldweg geparkt war, auf dem er heute Morgen den unheimlichen Typen begegnet war. Ihn fröstelte. Er fuhr langsam bis zum Polizisten vor, der einem anderem Fahrzeug bereits anwies, zu wenden. »Hier geht es nicht weiter, sie müssen zurückfahren«, winkte dieser ungeduldig. »Entschuldigung, wir sind nicht von hier. Wie kommt man denn weiter?« »Sie müssen wieder zurückfahren bis kurz vor den Ort und dann die Umgehungsstraße benutzen. Es wird gerade ausgeschildert!«, erwiderte der Polizist nicht unfreundlich. »Was ist denn hier passiert?«, fragte Marie. »Nichts, was kleine Kinder wissen müssten!«, antwortete der Polizist bestimmt. »Fahren Sie bitte weiter«, forderte er, »Sie blockieren die Straße, mein Herr!« Auch wenn Roy eigentlich dasselbe wie Marie interessierte, so verkniff er sich eine Nachfrage und wendete umständlich, was ein unmutiges Hupen eines hinter ihm stehenden PKW zur Folge hatte. Auf dem Rückweg, kurz vor der Stelle, auf der ein Arbeitstrupp ein Umleitungsschild montierte, kam ihnen ein Leichenwagen entgegen. »Cool!«, kommentierte Marie, »da ist bestimmt jemand überfahren worden!« Roy verstand nicht, was daran cool sein könnte, wenn jemand überfahren wird, aber Marie hatte da wohl eine ganz andere Sichtweise. Ganz im Gegenteil ließ ihn das unbestimmte Gefühl nicht los, dass die polizeiliche Aktion irgendwie mit dem Vorfall am Morgen zu tun haben könnte. Da aber diesbezüglich keine Aufklärung zu erwarten war, gab er Gas, in der Hoffnung, sich nicht allzu sehr zu verfahren. Wieder erwarten verlief der weitere Heimweg reibungslos. Die Straßenwacht war wohl ziemlich auf Zack gewesen, so dass die Umleitungsschilder bereits aufgestellt waren und den richtigen Weg auswiesen. Sie kamen also, wenn auch etwas verspätet, so doch noch mit akzeptabler Toleranz an. Fand er. Fand jedoch nicht sie, Iris. Doch bevor sie ihren Unmut gänzlich an ihm auslassen konnte, berichtete Marie bereits von dem ungeheuren Erlebnis, wobei sie das Ganze ein wenig aufbauschte, wohl weil sie ihren Vater in Schutz nehmen wollte. »Du kannst froh sein, dass wir überhaupt heute noch zurückgekommen sind!«, berichtete sie aufgeregt. »Da war ein riesen Unfall genau vor uns auf der Straße mit hundert Polizeifahrzeugen, zwanzig Krankenwagen und einem Hubschrauber...«, log sie. »Naja, Hubschrauber nun gerade wieder nicht!«, versuchte er die ganze Angelegenheit etwas ins rechte Licht zu rücken. »Glaub mir«, setzte Marie im Brustton der Überzeugung fort, »bei so was kommt eigentlich immer ein Hubschrauber, um die Schwerverletzten abzutransportieren. Das hab ich im Fernsehen gesehen!« »Mensch, nie nehmt ihr mich mit, immer nur Marie«, maulte Sonja, die feststellte, dass sie wohl ein kolossal aufregendes Ereignis versäumt hatte. »Du wolltest doch nicht«, protestierte Roy. Marie freute sich, dass sie etwas ihrer großen Schwester voraus hatte und trug noch dicker auf. »Wir mussten durch eine Polizeikontrolle und wären beinahe verhaftet worden!«, schwärmte sie. »Aber ich habe den Polizisten überzeugt, dass Papa unschuldig ist und wir niemanden überfahren haben!« »Du spinnst«, rief Sonja außer sich, die es auf den Tod nicht leiden konnte, wenn ihrer jüngeren Schwester die Fantasie durchging. Schon hatten sich die Geschwister in einen handfesten Krach verwickelt, mit dem Ergebnis, dass Marie Sonja gegen das Bein trat, Sonja zurückschlug, unglücklicherweise Maries Nase traf, die sofort heftig blutete und Iris eine Schreiorgie vom Stapel ließ und beide ins Haus schickte. Er warf sich müde in einen Gartenstuhl und verfluchte, jemals dem Wunsch nach Frau und Kindern nachgegeben zu haben.

      10

       Er dachte an Suzanne, schaute durch das schmale Badezimmerfenster in den Himmel, den wenige weiße Abendwolken zierten, die bereits eine leicht rötliche Färbung angenommen hatten. Als er den Blick vom Fenster wieder zu seinem Spiegelbild zurückwandern ließ, beschloss er, dass der nächste Tag für beide ein Erlebnis werden sollte. Er würde eine schöne Rundtour vorschlagen, da er auch einmal das Inland und den Süden Korsikas erforschen wollte. Vielleicht würde ihm Suzanne einige interessante Orte nennen können, die es lohnte, anzusteuern. In freudiger Erwartung des morgigen Zusammentreffens ging er nochmals in die kleine Hotelvorhalle zurück, in der er einige Werbeflayer über touristische Attraktionen gesehen hatte und griff sich wahllos den einen oder anderen. Dann zog er sich auf sein Zimmer zurück, studierte die Korsikakarte, die er auf seinem Bett ausgebreitet hatte und ging daran, einen »Schlachtplan« für den morgigen Tag zu entwerfen. Am nächsten Morgen fand sich Levi in voller Bekleidung auf dem Bett liegend vor, die Landkarte war etwas zerknittert auf den Boden gerutscht, unter sich die verknautschten Werbeprospekte. Er erwachte aus einem erotischen Traum, bei dem jedoch nicht Suzanne, sondern irgendeine andere Frau in einem mehrstöckigen mit Menschen überfüllten Haus seine Gespielin war. Erschrocken blickte er sich um, er war offensichtlich gestern Abend ermüdet über der Karte eingeschlafen, ohne sich nochmals. Mit einem Satz war er aus dem Bett. Ein schneller Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass er

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